Atomwaffen im Hotel

Die Fernsehserie “Mission: Impossible” entstand in einer längst vergangenen Zeit. Zwischen 1966 und 1973 wurden 173 Episoden gedreht, in denen ein Team von Geheimagenten die Aufträge der amerikanischen Institutionen erfüllte. Die Missionen führten das Team rund um den Globus. Gegner waren unter anderem fiktive Militärs, die oftmals über ebenso fiktive Bananenrepubliken herrschten. Die Agenten nutzten moderne Techniken. So verwendeten sie täuschend echte Gesichtsmasken, um in die Rolle des Gegners zu schlüpfen.

Drehort waren die legendären Desilu-Studios, die auch der Schauplatz für einen weiteren Klassiker waren. Während das Team um Serienerfinder Bruce Geller die Agenten in Missionen sandte, wurde auf anderen Bühnen “Star Trek” gedreht. Die epische Science Fiction Serie war, trotz sinnentstellender Synchronisation, im deutschen Fernsehen zu sehen. Die Agentenserie wurde niemals komplett, aber immer verfremdet ausgestrahlt.

Deutsche Verstümmelungen

Die ARD sendete nur 22 Folgen, bevor die Serie in Deutschland abgesetzt wurde. Zuvor wurde ein neuer Name vergeben: “Mission Impossible” hieß “Kobra, übernehmen Sie”. Dem Schnitt fielen einzelne Szenen zum Opfer. So blieben Teile der Handlung unverständlich. Es vergingen zehn Jahre, bis weitere Episoden ausgestrahlt wurden. Die restlichen Folgen waren erst Anfang der 90er Jahre im Fernsehen zu sehen, als sie von den privaten Sendern Pro Sieben und dem damaligen Kabelkanal versendet wurden. Weil deutsche Zuschauer deutsche Inhalte sehen wollen, auch wenn diese aus anderen Ländern stammen, erfolgte auch in diesem Fall eine Synchronisation. Dabei wurden die Sprecher ausgetauscht. So erhielten Charaktere neue Stimmen.

In Deutschland ist die Serie nur älteren Zuschauern bekannt. bekannt. Die hiesigen Kinofreunde kennen das Franchise, das aus der Serie entstand, aufgrund der Filme, die an die TV-Spionage anknüpfen. Mittlerweile werden aber DVDs von “Mission Impossible” verkauft. Die bieten den Zuschauern nicht nur eine deutsche Tonspur, die Inhalte verfremdet. Schließlich können sämtliche Folgen auch in englischer Sprache genossen werden. So sah auch der Autor dieser Zeilen die Serie, die hierzulande fast in Vergessenheit geraten ist.

Auftrag per Schallplatte

Alles begann mit einem Pilotfilm, der 1966 durch das amerikanische Fernsehstudio CBS beauftragt wurde. Es entstand ein Pilotfilm, der die CBS-Bosse allerdings nur teilweise überzeugte. Daher unterscheidet sich die Geschichte, in der wagemutige Geheimagenten einem Diktator das Spielzeug entwenden, grundlegend von späteren Episoden. Der Pilot wirkt düsterer als die Folgen, die kurze Zeit später entstanden.

Einige Muster werden bereits im Piloten etabliert, der in dieser Kritik, die einige Jahrzehnte nach Erscheinen der ersten Episode erscheint, besprochen wird. Die wiederkehrenden Muster, die auch in den späteren Folgen aufgegriffen werden, schaffen ein starres Handlungskorsett, das auch den Pilotfilm prägt.

Wir schreiben das Jahr 1966. Daniel Briggs, Anführer der klandestinen “Impossible Missions Force”, die geheime Aufträge amerikanischer Institutionen durchführt, erhält nach einer Auszeit einen neuen Auftrag. Der schweigsame Geheimagent, dargestellt von Steven Hill, soll ein neues Team zusammenstellen, um eine Atombombe zu entwenden.

Die Auftragsübermittlung erfolgt nicht durch ein direktes Gespräch, stattdessen erhält Briggs eine Nachricht. Die versteckt sich auf einer unscheinbaren Schallplatte, die sich in einem Plattenladen befindet. Nachdem die unwissende Mitarbeiterin durch den Vorgesetzten abgewimmelt wurde, werden Codewörter gewechselt. Danach lauscht der Agent der Nachricht.

Die Mitteilung auf der Platte beinhaltet der Auftraggeber eine unglaubliche Geschichte. Ein Diktator, General Rio Dominguez, herrscht über die Bananenrepublik Santa Costa, die sich in der Karibik befindet. Das Hauptquartier des Diktators befindet sich in einem Urlaubshotel, was die geplante Infiltration erleichtert. Im Safe des Hotels hortet der Diktator zwei nukleare Sprengköpfe, die zum Einsatz kommen könnten. Das Team soll die Bomben entwenden. Am Ende der Nachricht zerstört sich die Platte von selbst. Zuvor kommt es zu einem Anschlussfehler, so ändert sich die Höhe der Platte um mehrere Zentimeter, weil beim Schnitt zwei Szenen verbunden wurden

In späteren Episoden erhält Briggs die Aufträge auch über ein Tonband. Die geheimnisvollen Auftraggeber blieben im Verborgenen. Die deutsche Synchronisation verändert das bereits im Pilotfilm etablierte Muster. Sie fügten der Auftragsübergabe die Phrase “Kobra, übernehmen Sie” hinzu. Im Original ist diese Aufforderung nicht zu hören. Die Veränderung wirkte sich auf sämtliche Folgen der ersten Staffel aus, die von der ARD ausgestrahlt wurde. Hier wird die unsinnige Phrase, die nichts mit dem Inhalt der Serie zu tun hat, sogar als Titel verwendet.

MI-S01E01 - Plan via SchallplatteBriggs erhält einen Auftrag per Platte

Ein Team – ein Plan

Nachdem der Agent seinen Auftrag erhalten hat, zieht er sich in sein modernes Loft zurück. Das können zumindest die Zuschauer vermuten, die den Pilotfilm oder einer der kommenden Episoden kennen. Schließlich beginnt die Handlung, durch die das Team entsteht, grundsätzlich in der schicken Behausung des geheimnisvollen Agenten, dessen Vorgeschichte im Verborgenen bleibt. Briggs benutzt eine Mappe, in der er Fotos und Informationen über die potentiellen Mitglieder des zukünftigen Teams verwahrt. Der Zuschauer sieht den Agenten, der andere Spione selektiert. Dabei wählt er immer die Agenten, die zum wiederkehrenden Cast der Geheimdienstserie gehörten. Zumeist wurde das Team durch einen weiteren Spion ergänzt, der in der jeweiligen Folge als Gaststar auftrat.

So verfährt Briggs auch im Pilotfilm, der uns die zukünftigen Mitglieder der Truppe präsentiert. Die Bilder, durch die sich Briggs blättert, visualisieren die Auswahl. Der Zuschauer bekommt etwa ein Porträt des Schauspielers Martin Landau zu sehen, der in der Serie als wandlungsfähiger Verkleidungskünstler Rollin Hand auftrat, bevor er in der dritten Staffel durch den Spock-Darsteller Leonard Nimoy ersetzt wurde. Ein weiteres Foto zeigt die Ehefrau von Landau. Barbara Bain spielte in der Serie die Rolle des Topmodels Cinnamon Carter, deren einzige Aufgabe darin bestand, den Gegner zu verführen. Das Team wurde durch den Techniker Barney Collier ergänzt, der vom Schauspieler Greg Morris verkörpert wurde. Das letzte Mitglied des Teams war der Schwergewichtler Willy Armitage, der für die körperlichen Auseinandersetzungen zuständig war.

MIS01E01 - Team

Das Team versammelt sich zum ersten Mal: Barnier Collier, Cinnamon Carter, Terry Targo, Rollin Hand & Willy Armitage (v.l.n.r.)

Neben diesen festen Mitgliedern, die in jeder Folge zu sehen sind, wurde das Team durch weitere Charaktere ergänzt, die allerdings nur in einer einzelnen Episode auftreten. Im Pilotfilm, der das Muster der Auswahl zum ersten Mal zeigt, wird der Bankräuber Terry Targo erwählt, dem der Darsteller Wally Cox Leben verlieh. In anderen Episoden treten weitere Gaststars auf. Der Darsteller George Takei, der durch seine Rolle als Sulu berühmt wurde, ist zum Beispiel in einer späteren Episode zu sehen.

Nach der Zusammenstellung des Teams kommt es zum ersten Aufeinandertreffen, das ebenfalls im luxuriösen Apartment des Anführers stattfindet. Dabei entwickeln die Mitglieder einen Plan, dessen Umsetzung in den folgenden 50 Minuten verfolgt werden kann. Dank ihrer einzigartigen Fähigkeiten entsteht ein mehr oder weniger komplexes Vorhaben, das im Laufe der Handlung umgesetzt wird. So beschließt der Anführer Briggs, dass das Schwergewicht Willy Armitage die rund 90 Kilogramm schweren Atombomben transportieren soll. Barnier Collier erledigt technische Arbeiten, um den Diebstahl zu ermöglichen. Cinnamon Carter wird bereits im Pilotfilm auf ihr Geschlecht reduziert. Ihre einzige Funktion besteht in der Verführung des Gegners, weil das angeblich in der Natur der Frau liegt. So sagt Cinnamon:

“Mein Job ist das zu tun, was in meiner Natur liegt.”

Der Bombentausch

Nachdem der Plan erschaffen wurde, setzen ihn die Mitglieder des Teams um. Weil die Atombomben im Palasthotel gelagert werden, übernachten die Teammitglieder dort, wobei sie in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Lagerort ist im Übrigen der Tresorraum des Hotels, der nicht nur vom Diktator, sondern auch von anderen Besuchern des Hotels genutzt wird. Das erleichtert den Diebstahl, obwohl die Handlung unglaubwürdig ist.

Kein Diktator, dem ein Restverstand geblieben ist, würde seine Bomben in einem Tresor verwahren, der von anderen Hotelgästen benutzt wird, sondern meine militärischen Stützpunkte verwenden. Wenn der Despot aber tatsächlich den Tresor zum Lagern von atomaren Waffen verwenden würde,  wäre er dann nicht für den normalen Publikumsverkehr gesperrt? Doch tatsächlich dürfen alle Gäste den durch einen Pagen gesicherten Tresor nutzen, der nebenbei zur Lagerung der Sprengköpfe genutzt wird.

Weil das Hotel als Lagerort genutzt wird, müssen sich einige Teammitglieder lediglich über Nacht im Tresorraum einschließen lassen, um einen unauffälligen Austausch durchzuführen. Dabei entsteht allerdings eine besondere Atmosphäre, die durchaus gelungen ist. Die düsteren Aufnahmen aus dem Innenbereich des Tresors sind sicherlich ein Höhepunkt des Piloten, der ansonsten blass bleibt. Die Atmosphäre des Kammerspiels wird auch in einer späteren Szene genutzt, in der der Anführer des Teams und der Diktator aufeinanderprallen.

Währenddessen übt sich Rollin Hand in seiner Rolle als Diktator, die der Verwandlungskünstler übernehmen soll. Dabei kommt zum ersten Mal eine Plastikmaske zum Einsatz, die als wiederkehrendes Element auch in den Filmen mit Tom Cruise verwendet werden. Der reale General Rio Dominguez kann so ebenfalls eine Nacht im Tresorraum verbringen, ohne dass seine Entourage das Fehlen des Oberhaupts auffällt. Durch den psychischen Druck, der durch den ebenfalls im Tresor befindlichen Briggs ausgeübt wird, bricht der Diktator zusammen. Er gibt die Farbinformationen preis, durch die die Bomben entschärft werden können. Das Staatsoberhaupt wird zuvor durch Cinnamon Carter umgarnt, die auch andere Soldaten durch ihre Weiblichkeit ablenkt, damit der Plan, der zu scheitern droht, erfolgreich umgesetzt werden kann.

Die Bemühungen des Teams werden durch atmosphärische Musik begleitet, die durch den Komponisten Lalo Schifrin erschaffen wurde. Er erschuf auch die bekannte Titelmelodie, die das erste Mal im Piloten erklingt. Das Intro nimmt einige Szenen der Handlung vorweg, die aber erst im Laufe der Episode eingeordnet werden können. Es ist mit der Musik von Schifrin unterlegt, der auch die Begleitung für andere Szenen schuf. Sein Titellied ist mittlerweile ein Klassiker, das in abgewandter Form auch in den neueren Kinofilmen verwendet wird.

MIS01E01 - Briggs und General

Geheimagent versus General. Im Hintergrund: atomare Bomben

Verkleidung als Stilmittel

Die Maske ist die einzige Hinterlassenschaft, die zurückbleibt, als dem Team die Flucht gelingt, nachdem sie die Bomben entwendet haben. Dann flüchten die Agenten mit einem Flugzeug, das verfolgende Soldaten zu spät erreichen. Dem Spionagetrupp gelingt nicht nur die Flucht, sondern auch der Diebstahl der nuklearen Bomben, so dass die Diktatur in der Bananenrepublik empfindlich geschwächt wird. Deren Struktur erinnert ein wenig an den Nationalsozialismus. So tragen die Mitglieder der Armee rote Armbinden, auf denen allerdings kein Symbol zu sehen ist. Die Militärdiktatur ist ansonsten austauschbar. So unterscheidet sich der exotische Handlungsort nur durch die Palmen, die bei den Reisen in andere Diktaturen nicht verwendet werden.

In späteren Folgen, die in osteuropäischen und südamerikanischen Fantasiestaaten spielen, treten ähnlich gekleidete Soldaten auf. In anderen Episoden wird sogar an den historischen Nationalsozialismus angeknüpft. Schließlich sucht das IMF-Team zum Beispiel das Gold, das angeblich von Hitlers Frau, Eva Braun, hinterlassen wurde. Dabei bekämpfen die Mitglieder SS-Männer, die sich die Reichtümer aneignen wollen. Doch das ist eine andere Geschichte, über die in diesem Blog berichtet wird.

Der Pilotfilm legte die Grundlage für weitere Episoden, die durch CBS in Auftrag gegeben wurden. Er etabliert die Muster, die dem Zuschauer den Einstieg erleichtern, auch wenn er mehrere Folgen verpasst hat. Eine Entwicklung der Charaktere bleibt aus. Das macht es einfach, erneut einzusteigen. Dabei bleibt aber die Spannung auf der Strecke, weil sich viele Folgen kaum unterscheiden. Oftmals besitzt ein Diktator einen Gegenstand, der entwendet werden muss. In vielen Folgen residiert dieses Oberhaupt in einem Hotel. Andere Folgen spielen in sehr ähnlichen Gefängnissen. Allerdings existieren auch Episoden, die wesentlich mutiger sind. So inszeniert das Team in einer späteren Episode einen komplexen Schauprozess, durch den ein Staatsoberhaupt demoralisiert werden soll.

Mit dem Pilotfilm war ein Anfang gemacht, der bis heute wirkt. Als Tom Cruise in den Filmen eine Plastikmaske verwendet, tritt er in die Spuren des Pilotfilms, der 1966 entstand. Die Ikonographie der Maske wirkt fort, wenn der IMF-Agent Ethan Hunt (Tom Cruise) im dritten Teil der Filmreihe eine Maske verwendet, um in die Rolle des Filmbösewichts Owen Davian (Philip Seymour Hoffman) zu schlüpfen. Auch wenn die Filme nur wenig mit der Serie gemein haben, übernehmen sie Stilmittel, die im Piloten erschaffen wurden.

Der erste Versuch kann in einzelnen Szenen durchaus überzeugen. Andere Vorstellungen wirken aber aus der Zeit gefallen, auch wenn sie bis heute in Serien reproduziert werden. Dass Cinamon Carters einzige Aufgabe im Flirten besteht, ist ärgerlich. Die Idee von den atomaren Bomben, die im Palasthotel gelagert werden, lässt am Denkvermögen des Diktators und der Drehbuchautoren zweifeln.

Mission Impossibble (1967). Episode: Pilot (S01E01). Erstausstrahlung: 17. September 1967). Drehbuch: Bruce Geller. Regie: Bernard L. Kowalski.

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