König von Deutschland

Zur Geisterstunde war es soweit. In Wittenberg gründete Peter Fitzek kurz nach Mitternacht sein eigenes kleines Königreich und ließ sich vor mehreren hundert Anhängern eine Krone aufsetzen. Diese hatten sich am Wochenende des 15. und 16. September versammelt, um die Gründung des „Königreich Deutschland“ zu erleben, das die Bundesrepublik in kurzer Zeit ersetzen soll.

Peter Fitzek und seine Anhänger sind dem Milieu der „Reichsbürger“zuzuordnen. Diese behaupten, dass die Bundesrepublik Deutschland lediglich eine Firma der Alliierten sei. Im Szenejargon ist hier von der „BRD-GmbH“ die Rede. Daher haben die zersplitterten „Reichsbürger“ verschiedene„Reichsregierungen“ geschaffen, die sich in der Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches sehen. Die Finanzierung erfolgt über den Verkauf von Fantasie-Ausweisen, vermeintlichen Führerscheinen und angeblichen Nummernschildern. Die Träumer vom Reich werden unterdessen immer mal wieder auf den juristischen Boden der Tatsachen zurückgeholt. Autofahrer, die sich mit einem Führerschein des „Deutschen Reiches“ auswiesen, um einem Bußgeld zu entgehen, wurden wegen Urkundenfälschung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis angezeigt und durften ganz reale Bußgelder bezahlen.

Dieser vermeintliche Messias behauptet, dass mehrere tausend Menschen seinen Ideen folgen würden. Sie haben sich in seiner Gruppierung „Neudeutschland“ organisiert, um gemeinsam gegen das verhasste„Zinssystem“ und gegen angebliche „Besatzungsmächte“ vorzugehen. Fitzek spricht von einer „Weltanschauungsgemeinschaft“ für das „deutsche Volk“. Sie umfasst auch eine „Neue Deutsche Garde“ , in der gealterte Kampfsportler aktiv sind. Irgendwann soll dieser „Orden“ die Polizei ersetzen. Vorerst kündigte Fitzek aber deren Einsatz bei Gerichtsverhandlungen an, mit denen er sich konfrontiert sieht.Bevor sich Peter Fitzek zum Herrscher seines Königreiches krönen ließ, hatte der umtriebige Agitator verschiedene Organisationen und Geschäfte gegründet. So entstand eine Parallelwelt in Wittenberg: Im Laden „Engelswelten“ wird allerhand esoterisches Klimbim verkauft. Nicht nur dort kann mit einer eigenen Währung, dem so genannten „Engelgeld“ gezahlt werden. Außerdem wurden eine Art Kranken- und Rentenkasse, sowie allerlei andere Institutionen geschaffen. In diesem Paralleluniversum gilt Peter Fitzek als ein von Gott gesandter Messias.

Vielleicht sind diese Gerichtsverhandlungen ein Grund, warum sich Fitzek für die Einführung seiner „lupenreinen Monarchie“ stark macht. Er glaubt, dass er zukünftigen Gerichtsprozessen entgehen könne, weil ihm als „Staatsoberhaupt“ seines kleinen Königreiches Immunität zustehen würde. Außerdem könne man in seinem Reich die Texte veröffentlichen, die in der Bundesrepublik verboten seien. Ein weiterer Grund ist ideologischer Natur: Schließlich sollen „diejenigen, die mehr Macht, mehr Geld, mehr Intelligenz haben, auch mehr Verantwortung für das Allgemeinwohl übernehmen“, sagt Fitzek, der auch daher als unangefochtener Herrscher agieren möchte.

Zu den Seminaren des messianisch auftretenden Autodidakten, der vermutet, dass ihn „Gott nach Wittenberg geschickt“ hätte, pilgern regelmäßig hunderte Anhänger. Dort berichtet er seinen Jüngern wunderliche Begebenheiten, etwa wie er durch Erzengel ausgebildet worden wäre. Außerdem behauptet Fitzek, dass er in die Zukunft blicken könne. Mit seiner Inszenierung begeistert er esoterische Gläubige und deutschnationale Träumer, die sein deutsches Reich auf Erden verwirklichen wollen. So zahlen sie die immensen Anmeldegebühren, um ihren Messias zu lauschen. Für die zweitägige Krönungszermonie mussten die Anhänger, die die Karten vor Ort kauften, zum Beispiel 223 Euro bezahlen. Um die 100.000 Euro könnten auf diese Weise in die Kassen des Predigers geflossen sein.

Die Geschäfte scheinen so gut zu gehen, dass die Gruppierung um Peter Fitzek ein ehemaliges Krankenhaus in Wittenberg erwerben konnte. Dort soll eine esoterische „Klinik für ganzheitliche Gesundheit“ entstehen. Diese könnte sich an der antisemitischen Germanischen Neuen Medizin des Ryke Geerd Hamer orientieren, für die sich Fitzek in der Vergangenheit begeisterte. Außerdem ist ein „Naturkindergarten“ geplant, der von einer langjährigen Waldorferzieherin geleitet werden soll. Zusätzlich wird die Gründung einer Privatschule und einer Universität angekündigt. Das etwa neun Hektar große Territorium, auf dem das Krankenhaus zu finden ist, soll dem „höchsten Souverän“ als „Staatsgebiet“ dienen. In den vergangenen Monaten wurden Teile der Anlage durch einige Freiwillige, die sich dabei anscheinend einer unglaublichen Ausbeutung unterwarfen, renoviert. Gelernte Facharbeiter wurden mit vier Euro pro Stunde bezahlt. Dies berichtet zumindest ein ehemaliger Interessierter, der das Projekt inzwischen verlassen hat.

Das Krankenhausgelände diente als Schauplatz der Krönungszermonie. Diese Krönung wurde durch einen mehrstündigen Monolog des zukünftigen Alleinherrschers eingeleitet, in dem sich dieser als „Vertreter des Lichts“inszenierte, der gegen die „dunklen Mächte“ vorgehen wolle. Nach Mitternacht war es dann aber soweit: Während aus den Lautsprechern Wagners Götterdämmerung erklang, marschierte Peter Fitzek durch den Saal. Nach einem Gebet und einem obskuren Ritual wurde Fitzek, der eine Art Faschingskostüm angezogen hatte, die Krone aufgesetzt. Danach ließ sich der sichtlich zufriedene Herrscher, der sich noch als „oberster Souverän“titulieren lässt, auf seinem Thron nieder (siehe Video).

Zuvor hatten sich bis zu sechshundert offenbar zahlungskräftige Anhänger am Ort des Geschehens versammelt und durften verschiedene Künstler und Agitatoren erleben, die die Krönung im Krankenhaus begleiteten. Dort trat der Zauberkünstler Alexander Hartmann auf, der durch die Fernsehsendung „The next Uri Geller“ bekannt wurde. Der Sänger Freddy Sahin-Scholl, der im Jahr 2010 die RTL-Castingshow „Das Supertalent“ gewann, intonierte einige Lieder. Am Tag nach der skurrilen Zeremonie war dort außerdem die Band „Die Bandbreite“ zu sehen, die verschiedene Verschwörungsmythen bewirbt. Die Band, die die Ereignisse des 11. September 2001 umdeutet und skurrile Thesen zur Entstehung der Immunschwächekrankheit AIDS anbietet, durfte in der Vergangenheit auch immer wieder auf Veranstaltungen linker Kleinst-Parteien auftreten. An Verkaufsständen wurde unterdessen Bücher verkauft, dort konnte man zum Beispiel die Machwerke des antisemitischen Autoren Jan Udo Holey erwerben.

Die Krönungszermonie und das musikalische Rahmenprogramm wurden durch Jo Conrad gefilmt. Im Jahr 1996 brachte dieser das Buch „Entwirrungen“ heraus, mit dem die antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“ beworben wurden. Außerdem war er im Jahr 2009 an der Gründung des „Fürstentums Germania“ beteiligt, mit dem braunesoterische„Reichsbürger“ einen kurzlebigen Pseudo-Staat schufen. Ein weiterer Unterstützer des neuen Pseudo-Staats zu Wittenberg ist Karma Singh, der per Video zur Teilnahme aufrief. Der aus England stammende Autor, der Krankheiten wie Krebs für ein „harmloses Phänomen“ hält, warnte dort in einem antisemitischen Jargon vor den Rothschilds, die die Staatsgründung verhindern wollten.

Singh berichtete auch über großzügige Mäzene des Projekts. Ein Unterstützer habe zum Beispiel 20.000 Euro gespendet. Die finanzielle Unterstützung durch die Schäfchen, die den Ideen des Peter Fitzek verfallen sind und bereitwillig die horrenden Eintrittspreise zahlen, könnte dem neuen Pseudo-Staat eine deutlich längere Lebensdauer bescheren, als es vorherigen Versuchen beschieden war. Mit Peter Fitzek, der über sein kleines Reich auf dem Krankenhausgelände herrschen wird, dürfte zwar nicht der angestrebte„Staat für die Deutschen“ geschaffen werden, es könnte aber ein größeres braunesoterisches Zentrum entstehen. Wittenberg würde so zum Wallfahrtsort für diejenigen werden, die vom deutschen Reich und einem Messias träumen.

Der Beitrag erschien zunächst im Publikative-Weblog.

Facebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmail

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.