Wahlschlappe

Ganze ‎6.348 Wähler_innen wählten am 13.05.2012 in Nordrhein-Westfalen die „Partei der Vernunft” (PdV). Mit diesem Ergebnis unterbot die verschwörungsideologische Partei sogar das Satire-Projekt „Die Partei”, das immerhin von 23.032 Wähler_innen favorisiert wurde.

Die „Partei der Vernunft” leistet sich nicht nur einen Verschwörungsideologen als Parteivorsitzenden, sondern auch einen Reichsbürger und Holocaustleugner als Werbefigur.

Der Parteivorsitzende Oliver Janich leugnet den islamistischen Terror des 11. September 2001. Er mobilisiert zu Aufmärschen der selbsternannten „Truther” und „Infokrieger” und wirbt auf den Veranstaltungen dieses Milieus für seine Partei. Als Autor schreibt er unter anderem für den rechts-esoterischen Kopp-Verlag, indem Eva Herman und andere Gestalten eine Heimat gefunden haben.

Die Werbefigur Marco Wüst wird in einem offiziellen Video als einfaches Parteimitglied vorgestellt, dabei hat er die Kleinpartei mittlerweile wieder verlassen und organisiert nun Veranstaltungen für rechte „Reichsbürger”. Bis heute hat sich die„Partei der Vernunft” nicht von ihrer Werbefigur distanziert, das Video ist nach wie vor über den offiziellen Partei-Account des niedersächsischen Landesverbandes zu finden.

Während des Wahlkampfes versuchte die „Partei der Vernunft” ganz populistisch die FDP zu beerben und machte gegen den Euro mobil. „Als schnelle Zwischenlösung” dachte der Parteivorsitzende Janich über die Wiedereinführung der Deutschen Mark nach. Zwischendurch verteilte man Kuchen in den Innenstädten des Ruhrgebiets und produzierte ein Wahlvideo, indem mit kleinen Kindern an das Gewissen der wählenden Eltern appelliert wurde.

Der Spitzenkandidat Die­ter Audehm ließ sich von der verschwörungsideologischen Internetplattform „Infokrieg.tv” interviewen, in den Sendungen dieser Seite werden ansonsten die Morde des Anders Behring Breivik und die des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) umgedeutet. Unterstützung gab es aber auch durch die rechts-konservative Internetseite „Eigentümlich Frei”. Dort wurde die „Partei der Vernunft” als „Wahlalternative” beworben, während darüber gejammert wurde, dass die verhassten „Mittelstrommedien” nicht über die Partei, dafür aber „über Viertligaspiele im Frauenfußball” (!) informieren würden.

Genutzt hat es wenig. Mit den ‎6.348 Stimmen (0,1 %) reichte es nur für das schlechteste Ergebnis aller antretenden Parteien. Die verschwörungsideologische Truppe rangiert abgeschlagen hinter der christlich-fundamentalistischen AUF und den Freien Wählern.

Die Wahlschlappe wird allerdings nicht eingestanden, dafür blühen Verschwörungsmythen und Durchhalteparolen. Die Partei habe sich „einer gigantischen Herausforderung gestellt und dabei viel gewonnen”, behauptet der Partei-Kader Martin Moczarski ganz „erschöpft” auf der offiziellen Facebook-Seite des Landesverbandes. Um ein drohendes Auseinanderfallen der Parteistrukturen zu verhindern, wählt er einen kriegerischen Tonfall. Es müsse eine„Schlacht geschlagen” geschlagen werden:

Nicht im Internet, nicht auf Facebook wird die Schlacht geschlagen, sondern da draussen: Vor den Haustüren, auf den Bürgersteigen, in den Fussgängerzonen. Jeder einzelne von Euch wird dafür gebraucht.

Auf der Internetseite „Infokrieg.tv” findet sich außerdem eine offizielle Erklärung:

Die Partei der Vernunft wird den eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzen, im Interesse unseres Landes und unserer aller Freiheit.

Unter dieser Erklärung, die zuerst auf dieser verschwörungsideologischen Plattform veröffentlicht wurde, finden sich außerdem zahlreiche Kommentare der Leser_innen, die sich dort mit der Wahlschlappe der Partei beschäftigen.

Dort schreibt zum Beispiel der Verschwörungsideologe Hans Kolpak, der in der Vergangenheit als „Pressesprecher” der „Partei der Vernunft” auftrat und im Parteivorstand saß. Auf seiner eigenen Internetseite wird die deutsche Kriegsschuld am zweiten Weltkrieg als „Lüge um Deutschland” bezeichnet. „Was soll die Holocaustreligion verbergen”, fragt dieser antisemitische Verschwörungsideologe und macht die „Zionisten” und die „Machenschaften ihrer Neocon-Agenten” für die angebliche Religion verantwortlich. Auf der Internetseite „Infokrieg.tv” liefert Kolpak wiederrum eine Erklärung für die Wahlschlappe der„Partei der Vernunft” (PdV): Es sei die Dummheit der Wähler_innen, sie hätten die „zumeist korrekten Inhalte nicht erfassen” können.

Andere Parteikader greifen auf Verschwörungsmythen zurück, um die Wahlschlapppe zu verklären. Da wäre zum Beispiel Igor Ryvkin, der als offizielles Mitglied des „Presseteams” Wahlkampf betrieb. Er deutet die Niederlage zum gigantischen Wahlbetrug um. Es sei „seltsam”, wo die Stimmen der Partei-Wählerinnen„abgeblieben sind”, schreibt Ryvkin. Der zweite Vorsitzende der „Sektion Ruhrgebiet” möchte „das Ergebnis der NRW Wahl noch untersuchen”.

Mit martialischen Durchhalteparolen und dem Verschwörungsmythos vom Wahlbetrug dürften die Partei-Kader zusammengehalten werden. Die Partei des Verschwörungsideologen Oliver Janich wird den Wähler_innen also erhalten bleiben. Bei den nächsten Landtagswahlen dürften wieder einige tausend Stimmen und damit 0,1 % möglich sein. Die Stimmen von „Truthern” und „Infokriegern” ermöglicht noch lange keinen Wahlerfolg. Daher ist eines ziemlich sicher: Die nächste Wahlschlappe kommt bestimmt.

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