Audienz beim Antisemiten

Zur Audienz mit dem antisemitischen Präsidenten Ahmadinedschad reisten nicht nur der Querfrontler Jürgen Elsässer, der Finanzexperte Ralf Flierl und der Verschwörungsideologe Gerhard Wisnewski. An der Reise, die von Yavuz Özoguz, Betreiber des antisemitischen Internetseite „Muslim-Markt” und Vorsitzender des Vereins „Islamischer Weg”, organisiert wurde, beteiligte sich auch ein liberaler Politiker aus der deutschen Provinz. Claus Hübscher stammt, wie der Reise-Organisator, aus der niedersächsischen Kleinstadt Delmenhorst, dort ist er nicht nur stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP, sondern seitdem 30.03.2012 auch der Landtagskandidat der Partei. Die Provinzpresse bezeichnet ihn als „liberales Urgestein”, denn der Politiker ist seit Jahrzehnten in Delmenhorst aktiv und gilt als Gesicht der dortigen FDP.

In der beschaulichen Kleinstadt, die vor einigen Jahren in die Schlagzeilen geriet, als der mittlerweile verstorbene Nationalsozialist Jürgen Rieger das örtliche Hotel am Stadtpark kaufen wollte, arbeitete Hübscher bis zu seiner Pensionierung als Geschäftsführer der örtlichen Volkshochschule. Außerdem war er für den städtischen Fachbereich für Bildung, Wissenschaft, Sport und Kultur zuständig. Der starke Mann der FDP sucht beständig den Kontakt zu seinen Mitmenschen. Er debattiert über Hundehaltung, die Sicherheit und den „Genossen-Filz” in Delmenhorst.

Im Wahlkämpfen besucht er Gartencenter oder beteiligt sich an der ein oder anderen Grundsteinlegung. In den innerparteilichen Machtkämpfen kann sich Hübscher stets durchsetzen. Hier wird mit harten Bandagen gefochten, seine Gegner deuteten schon mal Wahlbetrug an, er sprach von Verschwörungstheorien. In den vergangenen Jahren machte die örtliche FDP eher den Eindruck einer vollkommen zerstrittenen Partei, es kam zu Parteiaustritten und innerparteilichen Machtkämpfen, die Hübscher aber immer überstand.

Kurioserweise ist Hübscher aber nicht nur das FDP-Urgestein in Delmenhorst, sondern auch ein Kopf des „Arbeitskreis für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit”, für den er Reden hält und Schweigemärsche leitet. Der FDP-Politiker hält gerne moralisierende Ansprachen, so zum Beispiel am 11. Dezember 2011. Damals wird ein Hanukka-Leuchter im Rathaus der Stadt entzündet. Hübscher findet salbungsvolle Worte und erweist sich zugleich als sparsamer Deutscher, der auf die Energiepreise achtet:

Wir haben hier etwas Bleibendes geschaffen. Mögen die Lichter ewig brennen (…). Natürlich haben wir darauf geachtet, dass Energiersparlampen verwendet werden.

Es ist die sonstige Praxis des FDP-Politikers Hübscher, die für einen ersten kleinen Provinzskandal sorgte. Im Februar 2012 organisiert Hübscher eine Veranstaltung mit Yavuz Özoguz, dem Betreiber des „Muslim Markt”. Beide leben in Delmenhorst, hier wollte man in der örtlichen Volkshochschule über die „Stellung der Schiiten innerhalb des Islams” debattieren. Hübscher organisiert dort seit Jahren eine Reihe über „Kulturen und Religionen in Delmenhorst”, mit denen „die kulturellen Wurzeln” der „Nachbarn und Mitbürger”vorgestellt werden sollen. Die Presse berichtet über die Propaganda-Veranstaltung mit dem Betreiber der antisemitischen Internetseite, die Jüdische Gemeinde protestiert und die Volkshochschule will Özoguz damals dann doch kein Podium bieten.

Der Betreiber des antisemitischen „Muslim-Markt” generiert sich in der Folge als Opfer, Hübscher lobt ihn als „interessanten Mann”. Die Veranstaltung findet letztendlich im Hotel Thomsen statt. Das Veranstaltungsangebot des liberalen Landtagskandidaten ist trotz dieser Geschehnisse weiterhin im Programm der Volkshochschule zu finden, auf die der liberale Politiker durch seine Wahl zum „Vorsitzenden des Dozentenrates” auch weiterhin Einfluss nimmt.

Der Mini-Skandal verbindet den FDP-Politiker Hübscher und den antisemitischen Aktivisten Özoguz, auf dessen Internetseite verschiedene Israel-Hasser, Geschichtsrevisionisten, Nationalsozialisten und Verschwörungsideologen interviewt werden. Der Geschichtsrevisionist Stephan Steins lamentiert dort etwa über die „Faschismus-Variante Zionismus” , der ehemalige NPD-Kader Andreas Molau über „die Identifikation mit der eigenen Abstammung und Kultur” und der Verschwörungsideologe Oliver Janich über geheimnisvolle „Kreise”, die „die Finanzkrise zu nutzen, um ihre Macht weiter auszubauen”.

Vielleicht war es der kleine Skandal, der nun zur gemeinsamen Reise nach Teheran führte. Dort kam es zur„Privataudienz” beim iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, der sich ansonsten gerne mit Holocaustleugnern und Nationalsozialisten ablichten lässt.

Im Iran werden Regime-Kritiker_innen von den Anhängern des klerikal-faschistischen Regimes zunächst gefoltert und dann ermordet, Homosexuelle werden öffentlich erhängt. Auf Gespräche mit Regime-Gegner_innen wurde verzichtet, die Menschenrechtssituation im Iran scheint für die Reisetruppe keine Rolle gespielt zu haben. Dafür lauschte die Delegation etwa einer Stunde den Worten des Holocaustleugners Ahmadinedschad, der das Menschheitsverbrechen immer wieder als „große Lüge” bezeichnet.

Auf den Fotos der Reisetruppe sind nun nicht nur verschiedene Verschwörungsideologen zu sehen, die ansonsten von geheimen Erdbebenwaffen oder vom angeblichen Attentat auf die Titanic träumen, sondern auch der Landtagskandidat der FDP, der auf diese Weise wohl große Weltpolitik betreiben wollte.

Gemeinsam mit Jürgen Elsässer, der iranische Regime-Kritiker_innen als „Discomiezen, Teheraner Drogenjunkies und die Strichjungen des Finanzkapitals” beleidigte, und mit Gerhard Wisnewski, der im rechten „Kopp-Verlag” den Verschwörungsmythos vom Mossad-Mord an Uwe Barschel propagiert, war Claus Hübscher Teil der Delegation, die nach Teheran gereist war. Gemeinsam besuchten sie den iranischen Präsidenten, der Israel als „finstere und schmutzige Mikrobe” bezeichnet und von einem„zionistischen Regime” spricht, das „von den Seiten der Zeit getilgt werden muss”.

In den Medienberichten des iranischen Regimes wird die „Privataudienz” beim Antisemiten Ahmadinedschad ausführlich gewürdigt. Ein Bericht auf der Internetseite des iranischen Präsidenten erwähnt die Motivation der Reisenden. Die Gruppe sei in den Iran gereist, um einen Eindruck über die „islamische Gesellschaft” im Iran zu erhalten. Der Reiseleiter sprach während der „Privataudienz” von „zionistischen Medien, insbesondere in Europa”, die ein „verfälschtes Bild über den Iran” präsentieren würden.

Es sei eine Reisegruppe aus „wahrhaftigen Deutschen” gewesen, „die das Feuer der Liebe in ihrem Herzen nicht haben erlöschen lassen”, schreibt der „Muslim-Markt”–Betreiber Özoguz nun in seinem Reisebericht, andere bejubeln das Treffen mit ihrem Idol ebenfalls. Nur der FDP-Landtagskandidat Hübscher schweigt bisher von seinem Treffen mit dem iranischen Präsidenten.

Nach der Audienz beim Antisemiten reisten Claus Hübscher und seine Gefährten am 29.04.2012 zurück nach Deutschland. In Delmenhorst wird der FDP-Politiker nun als Landtagskandidat Wahlkampf betreiben, außerdem wird der Provinzpolitiker vielleicht die ein oder andere Veranstaltung mit dem Reiseleiter Özoguz organisieren. Dort können sie dann in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen und die „Privataudienz” beim Antisemiten in den schillerndsten Farben schildern.

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