Als sich die recht junge „Kommunistische Organisation“ (KO) zum Jahresende zerstritt, entstanden zwei Organisationen gleichen Namens, die sich als rechtmäßige Nachfolge des vorherigen Vereins begreifen. So folgte die K-Gruppe, die ihrerseits als Abspaltung der „Sozialistischen Deutschen Arbeiter Jugend“ (SDAJ) und der „Deutschen Kommunistischen Partei“ (DKP) entstand, ähnlichen Auseinandersetzungen auf internationaler Ebene. Schließlich balgten sich stalinistische Strukturen, als sich ein Teil um die „Kommunistische Partei der Russischen Föderation“ (KPRF) für das Putin-Regime und dessen Angriffskrieg aussprach, während ein anderer Pol um die „Kommunistische Partei Griechenland“ (KKE) einen imperialistischen Konflikt zwischen Russland und den USA in der Ukraine ausgemacht haben wollte.
Debatte um Despoten
Der russische Angriffskrieg sorgte nicht nur zwischen mehr oder weniger bedeutenden Linksparteien für Streit. So kam es innerhalb der „Kommunistischen Organisation“, die für die erhoffte „Parteigründung“ einen „Klärungsprozess“ als „Hauptwaffe“ einsetzt, zu „Spannungen“. Innerhalb des Leitungsgremiums entwickelte sich eine „regelrechte Krise“, in der sich zwei Fraktionen – zunächst noch intern – mit dem Revisionismus-Vorwurf bekämpften. Es ginge um nicht mehr oder weniger als um das „Eindringen bürgerlicher Ideologie in die Weltanschauung des Proletariats“, klagte eine Gruppe von „Marxisten-Leninisten“ über das Verhalten ihrer „revisionistischen Führer“, die der „Zersetzung“ bezichtigt wurden.
Die angesprochenen Anführer reagierten öffentlich. Sie verkündeten eine gleichlautende Anklage, kaperten zudem die Internetseite der Vereinigung und drohten Ausschlussverfahren an. Die Wortführenden der feindlichen Fraktion hätten die „Zersetzung auf ein noch höheres Level getrieben“. Tatsächlich hatte sich die „Kommunistische Organisation“ unter ihrer Führung und in den vorherigen Monaten noch weiter von idealistischen Imperialismus-Analysen eines Lenins entfernt. Vor der jetzigen „Schlammschlacht“ propagierte die stalinistische Struktur stattdessen das putinistische Konstrukt einer „unipolaren Weltordnung“, wobei der Hauptfeind – in anti-amerikanischer Tradition – klar markiert wurde.
Wer sich durch Ausführungen der „Kommunistischen Organisation“ aus dem Vorjahr quält, kann wie manches Mitglied auf den Gedanken kommen, dass „die USA und das imperialistische Weltsystem in eins fallen“. Ob außer den Vereinigten Staaten, an dessen „Sternenbanner“ tatsächlich das Schicksal des Proletariats hängt, noch „weitere imperialistische Länder“ wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland existieren, beantworten diese Pamphlete nicht. Dass die „nationalistischen Positionen“ sowie ein dazugehöriges Eintreten für die Klassenversöhnung gegen den äußeren Feind für innerorganisatorische Kritik sorgten, konnte die Vereinigung lange Zeit dennoch als Interna behandeln.
Beitrag eines Islamisten
Die den Aggressoren und seinen Krieg rechtfertigende Mehrheit der „Zentralleitung“ setzte sich im Vorjahr mit dem Mittel der „Kampfabstimmung“ durch, was zu öffentlichen Stellungnahmen der Gesamtorganisation führte, in der es um eine Parteinahme für Putin und eine Solidarisierung mit dessen mörderischer “Spezialoperation” ging. Weitere Positionierungen reproduzierten plumpen Rassismus gegen Menschen, die vor den Attacken der russischen Armee und ihrer Handlanger flohen. Flüchtlinge aus der Ukraine würden in Deutschland „regelrecht hofiert“, log die sich kommunistisch nennende „Organisation“.
Unzufriedene Mitglieder der stalinistischen Struktur unterwarfen sich auch in diesem Falle den verhängnisvollen Mechanismen des „demokratischen Zentralismus“ – und schwiegen zu solchen Positionierungen. Ende des Jahres kam es schließlich zu den harschen Auseinandersetzungen, die nun in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Zu Recht beklagte die nur in diesem Punkt sympathischere Fraktion, wie zuvor „rechte Positionen eingenommen“ wurden. So wies der Flügel auf den Podcast der Gruppe hin, in dessen erster Episode ein Mitglied der sich auf die Kim-Dynastie beziehenden „Kommunistischen Partei Deutschland“ (KPD) „nicht vom deutschen Imperialismus sprechen“ wollte, weil es „nur die USA und ihre Satelliten“ geben würde.
Ein weiterer Auslöser des Konflikts war die Veröffentlichung eines Beitrags, den der Islamfaschist Bernhard Falk (aka: Muntasir bi-llah), der wegen vierfachen versuchten Mordes und Sprengstoffverbrechen zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, für die Gruppierung verfasste, nachdem er einem weiteren Podcast der Struktur lauschte. In seinem „Diskussionsbeitrag“, der von der Organisation mit einem wohlmeinenden Vorwort versehen wurde, reproduziert Falk zahlreiche Versatzstücke eines völkischen „Anti-Imperialismus“. Der Terror-Apologet rief in seinem Pamphlet zur „Verteidigung des jeweiligen Kulturkreises“ (sic) auf, während er zugleich über den „Individualismus“ (sic!) der „‘verwestlichten‘ Gesellschaft“ (sic!) jammerte.
Hetze gegen Israel
Falk fabulierte für die „Kommunistische Organisation“ von einer „Solidarität mit der Russischen Föderation und ihrem Präsidenten“. Er positionierte sich für Putin – und gegen Materialisten wie Marx. Derartige Personen würden, so das Urteil des salafistischen Apologeten, „allzu holzschnittartige Vorstellungen von der menschlichen Geschichte als der Geschichte von Klassenkämpfen“ besitzen. Zum Abschluss verstieg sich der deutsche Idealist, der als Querfrontler praktiziert, in eine:
„vorzügliche Hochachtung gegenüber allen Menschen (…), die in treuer Pflichterfüllung – Tag für Tag, von Stunde zu Stunde – der Russischen Föderation dienen“.
Die Veröffentlichung des Hetzbeitrags von Bernhard Falk, der mit dem vormaligen syrischen Al-Qaida-Ableger „Dschabhat Fath asch-Scham“ kollaboriert, war der sprichwörtliche Tropfen, der das organisatorische Fass überlaufen ließ. Dass sich die Gruppierung zuvor mit der antisemitischen „BDS“–Kampagne solidarisierte, erregte indes über Jahre keine Kritik. Diese blieb schon 2018 aus, als ein KO-Mitglied über eine „nachhaltige Kampagne“ für Israel fabulierte, für die es „zwei gesellschaftliche Träger“ identifizierte. Akteur der angeblichen Konspiration sei einerseits „die so genannte Neue Rechte“, anderseits würde „die so genannte antinationale Bewegung“ eine „geistige Mobilmachung“ (sic!) für Israel betreiben.
Solche verschwörungsideologischen Ausfälle, die nur eines von vielen Beispielen für die vollkommene Abstinenz materialistischer Gesellschaftskritik in dem linksdeutschen Zirkel ist, war für die Fraktion, welche zum Jahresende verspätet die Publikation des Bernhard Falk thematisierte, kein Anlass zur Spaltung. In den langen Erklärungen der Streitenden findet sich überhaupt keine Selbstkritik, die den Israelhass der vorherigen Jahre reflektiert. Dass die “Kommunistische Organisation” in vielen Wortmeldungen zahlreiche Topoi des postnazistischen Antisemitismus reproduzierte, indem sie mit Tiraden zum „kolonialistischen Charakter des Zionismus“ den „Versuch der Juden, den Kommunismus lebend zu erreichen“ denunzierte, erwähnen die Spaltungsschriften also nicht.
Weiter im Wahn
Die Aufarbeitung des israelbezogenen Antisemitismus blieb von Seiten beider Fraktionen aus. Stattdessen folgte hektischer Aktionismus in Form von mobilisierenden Pamphleten für parallel stattfindende Kongresse, in denen sich die Kontrahierenden als eigenständige Vereine konstituierten. Nun machen zwei namensgleiche Organisationen, deren Internetseiten optisch und inhaltlich kaum zu unterscheiden sind, der großen Idee der kommunistischen Assoziation keine Ehre. Aus einer K-Gruppe, die sich nach Mitgliedsangaben „wie eine Politsekte präsentiert“, wurden zwei Zirkel, die einen ähnlichen Eindruck machen.
Wenn es nicht um die Parteinahme für Putin geht, betreiben beide Strukturen weiterhin eine inhaltsgleiche Politik. Als nach dem Jahreswechsel etwa zehntausend Menschen im Gedenken oder in der Vereinnahmung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin zusammenkamen, traten beide Fraktionen eigenständig als „Kommunistische Organisation“ auf, wobei sich die Kontrahierenden auch bei ihrem analogen Auftritt inhaltlich, optisch und akustisch kaum unterschieden. „Mali, Donbass, Gaza-Stadt – macht den Westen endlich platt“, skandierte der putinistische Flügel zur Abgrenzung.
Die „Marxisten-Leninisten“ erklärten zeitlich, dass sie sich in Marxomagie versuchen wollen. Mit ihrem Flugblatt wurde verkündet, dass die echte “Organisation” an einer Rezeptur arbeiten würde, welche den „Kampf um den Sozialismus in allen kapitalistischen Ländern auf die Tagesordnung“ setzen soll. Bis es soweit ist, bleibt es bei der altbekannten Hetze gegen Israel, wobei es um dessen Abschaffung geht. In einer weiteren Erklärung, die im Januar erschien, träumten sie erneut von einem „Palästina“, das „vom Jordan bis zum Mittelmeer“ reichen soll.
Währenddessen begeistert sich die andere „Kommunistische Organisation“ ebenfalls für den mörderischen Terror antisemitischer Banden, die aus Gaza-Stadt operieren. Der Versuch, möglichst viele Jüdinnen zu ermorden, macht diese Fortführung zum Teil eines „Widerstands“, den angebliche „Völker gegen“ die gleichfalls imaginierte „westliche Vorherrschaft“ führen. Es ist nicht davon auszugehen, dass derartige Positionierungen weiteren Streit zwischen den Spaltprodukten erzeugen, weil der Hass auf Israel weiterhin ein gemeinsamer Nenner der fortan getrennt auftretenden Fraktionen bleibt.
Komisch wirkende Bedrohungen
Beide Gruppen, die den Namen „Kommunistische Organisation“ usurpieren, machen mit einem guten Label eine denkbar schlechte Politik. Menschen, die an der „wirklichen Bewegung“ zur Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise interessiert sind, sollten solchen Sekten, die sich mit Marx dem deutsch-reaktionären Sozialismus zuordnen lassen, mit den richtigen Mitteln begegnen. Aufgrund ihrer vollkommenen „Unfähigkeit, den Gang der Geschichte zu begreifen“ sind derartige K-Gruppen zwar „stets komisch wirkend“, mit ihrem Antisemitismus und Anti-Amerikanismus aber auch eine reale Gefahr, die passender Antworten bedarf.