Eine der verstörendsten Verschwörungstheorien wird vom ehemaligen Fußballspieler, BBC-Reporter und Grünen-Sprecher David Icke propagiert. Der Verschwörungsideologe glaubt, dass die führenden Politiker_innen und andere bedeutende Persönlichkeiten gar keine echten Menschen, sondern Reptilien seien, die sich einer menschlichen Hülle bedienen würden.
Es war Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, als Icke – in einem Anflug von Paranoia – das Gefühl verspürte, dass er sich nicht allein in seinem Hotelzimmer befand.
Wenn du da bist, dann mach dich bitte irgendwie bemerkbar, so langsam drehe ich nämlich durch.
So sprach Icke in den leeren Raum. Eine „Hellseherin“ wollte das Problem erkannt haben: Ein höheres Wesen wolle mit Icke Kontakt aufnehmen, um ihm bestimmtes Wissen zukommen zu lassen. Nach einer daraufhin folgenden Reise nach Peru, hielt sich der in England durchaus bekanntere Fernseh-Sprecher zeitweise für „den Sohn Gottes“. In den folgenden Jahren hielt Icke zahlreiche Vorträge, in denen er einem begeisterten Publikum seine Sicht auf die Welt mitteilte. Diese wahnhaften Ideen hören sich erst einmal kurios an, stoßen aber auch im deutschsprachigen Raum auf Interesse.
Das ist kein Wunder: Denn letztendlich bedient Icke – mit seinen Theorien über die „Reptilien“ein antisemitisches Ressentiment: „Einige Leute“, sagt Icke, „gäben sich zwar als Juden aus, seien aber in Wahrheit Mischwesen zwischen Reptilien und Menschen“. In seinen Büchern und Vorträgen finden sich außerdem Thesen, die den Holocaust in Frage stellen und sogar leugnen. Die offizielle „Darstellung“ sei „in vielfacher Hinsicht fragwürdig“, behauptet Icke und nimmt Holocaust-Leugner, wie Ernst Zündel, in Schutz, die „geschmäht und eingesperrt“ werden würden. Ganz offen hetzt Icke gegen eine angebliche„kleine jüdische Clique“, die er unter anderem für den „Ersten Weltkrieg, die Russische Revolution und den Zweiten Weltkrieg“ verantwortlich macht, auch wenn er behauptet, dass diese „Clique“ in Wirklichkeit „Reptoloid“ sei.
Icke behauptet tatsächlich, dass eine „Reptilmensch-Hybridlinie“ seit der Antike über die Erde herrschen würde. Sie wurden „zu politischen und wirtschaftlichen Führer von diesen Ländern (…) und sie regieren diese Länder bis zum heutigen Tag“, behauptet Icke in einem Einführungstext, der auf zahlreichen verschwörungsideologischen Seiten verbreitet und in vielen Foren debattiert wird. Außerdem seien „sie“ in der Lage, ihre Gestalt zu verändern. Es existieren zahlreiche Youtube-Videos, in denkbar schlechter Auflösung, in denen Konvertierungsfehler und Pixel als Beweis herhalten sollen.
Die Idee von den Reptilien in Menschengestalt erinnert nicht zufällig an die Science Fiction Serie „V“, in der eine außerirdische Reptilienrasse, die sich eine menschliche Form gibt, die Erde erobern möchte. Auf diese Science-Fiction Serie, die in den 80′er Jahren durchaus erfolgreich im Fernsehen zu sehen war, beruft sich David Icke. Er legt seinen angehenden Fans immer wieder nahe, sich diese Serie anzuschauen. Denn mit der Science Fiction Serie würde, so glaubt es David Icke, eine „WAHRE Geschichte“ erzählt werden, obwohl das Science-Fiction-Epos nun wahrlich nichts mit der Realität gemein hat.
Doch Icke erzählt eine ganz eigene Geschichte, deren Grundidee er allerdings bei „V“ abgeschaut – und mit antisemitischen Theorien – angereichert hat. So behauptet Icke ernsthaft, dass die die„Reptilmensch-Hybridlinie“ sämtliche Präsidenten der USA gestellt hätte, die alle „miteinander verwandt“ seien. Derartig wahnsinnige Ideen reichert Icke mit den üblichen Theorien aus dem Arsenal des Antisemitismus an. Es seien die „Rothschilds und Rockefellers, die britische Königsfamilie“ und die „bedeutendesten Familien der USA“, natürlich von der „Ostküste“, die aus der „gleichen Blutlinie“ stammen, sich „ausschliesslich untereinander fortpflanzen“ und die – im Rahmen der „New World Order“ – die Welt beherrschen würden.
Außerdem würden die „Reptiloiden“ ein angebliches „Gedanken Kontroll Programm“ durchführen. Um willenlose Sklaven zu erziehen, würden „sie“ – so behauptet es Icke in einem seiner Texte – „Rituelle- und Missbrauchs-Netzwerke“ erschaffen, die vor allem von Vampiren (!) genutzt werden würden: Diese„Reptilien-‘Vampire‘“ seien auf das Blut von Kindern und blonden, blauäugigen Menschen angewiesen, um ihre menschliche Form zu wahren. Im Kern reproduziert Icke an dieser Stelle die antisemitische Ritualmord-Legende, die die Behauptung aufstellt, dass die „Juden“ das Blut von kleinen Kindern trinken würden, auch wenn Icke in den „Rockefellers und Rothschilds“ oder dem „George Bush und Henry Kissinger“, natürlich„Form-verändernde Reptilien“ vermutet, deren Hobby die „die Pädophilie zu sein“ scheint. Die angeblichen Opfer dieses angeblichen Kinderporno-Rings aus Adel und Politik, können nach dem Missbrauch dann „mit einer Waffe in die Schule geschickt werden“, um in der Folge „neue Waffengesetze“ durchzusetzen. Andere terroristische Anschläge bezeichnet Icke allerdings als „eine Art Reinigungsprozess“.
Den Plänen der angeblichen „Reptilien“, ob nun „Reptilien-‘Vampir‘“ oder auch nicht, setzt Icke – was bei solch einem Antisemiten nicht überraschen sollte – die „arische Rasse“ entgegen. Auch diese „Blutlinie ist fremd, außerirdisch auf diesem Planeten“ und würde sich im steten Kampf gegen die „Reptiloiden“befinden. Diese Theorie reichert Icke außerdem mit klassisch-esoterischen Themen, wie der angeblichen vormaligen Existenz von Atlantis an. Diese Idee, wie auch die Idee dass in einigen Menschen „dämonische Wesenheiten“ stecken können, hatte der esoterische Anthroposoph Rudolf Steiner bereits 1918 reproduziert. Icke bedient sich dieser und anderer Ideen. Er schafft durch seinen eigenen antisemitischen Reptilien-Mythos sein eigenes Wahnsystem, das er seiner Gemeinde in zahlreichen Büchern, Interviews und Vorträgen erklärt.
Doch als wären solche Ideen nicht bereits wahnsinnig genug, hat Icke – durch „Channeling“ – sogar den Namen des „interstellaren Führers“ herausgefunden, der mit seinem „besten Samen“ neue Kinder zeugen würde. So sei Prinz William gar nicht der Sohn von Prinz Charles, sondern von „Pindar“, dessen „Burg im Elsaß in Frankreich“ dazu benutzt werden würde, um „in großer Hitze“ „Reptileiern auszubrüten“.
Dem Verschwörungsfanatiker ist es gelungen, durch seine wahnsinnige Reproduktion der Fernsehserie „V“, angereichert mit antisemitischen Theorien und ein bisschen moderner Verschwörungsideologie, ganze Säle zu füllen. Im Mai 2006 war sein siebenstündiger Vortrag „Freedom Or Fascism: The Time To Choose“ in Londons Brixton Academy, welche knapp 5000 Zuschauer fasst, bereits im Vorfeld ausverkauft. Ickes Theorien gehören zu dem ekelhaftesten, was von modernen Verschwörungsideologen bisher hervorgebracht wurde. Vielleicht ist das der Grund, warum ihm seine Fans derart begeistert lauschen.