Ab dem 15.09. wird zurück gefriedet”, freuen sich die Organisator_innen. Mit dem abgewandelten Hitler-Zitat rufen sie zur „Friedensdemonstration” in Berlin auf. Am 15. 09. 2012 wollen sich deutsche Friedensfreunde und die kläglichen Reste der so genannten Occupy-Bewegung in Berlin versammeln, um für „Frieden und Völkerverständigung in der Welt” zu marschieren. Dabei hat man sich einer merkwürdigen Symbolik verschrieben.
Der Aufmarsch der deutschen Pazifist_innen soll im Sonnenuntergang enden. Die Aktivist_innen brauchen die Dunkelheit, schließlich möchte man vor dem Brandenburger Tor mit„Grabkerzen” hantieren. Dort plant man „ein großes Peace Zeichen mit verschiedenen Leuchtmitteln”. „Lasst uns gemeinsam lichtvolle Zeichen setzen”, heißt es auf einer Internetseite der Organisatoren. Dort wird auch der Aufruf zum Aufmarsch beworben, der eine „Lichtformation” androht, die „in die Welt”getragen werden soll. In der Dunkelheit soll also mit Lichtern vor dem Brandenburger Tor hantiert werden, hier wiederholt sich die Geschichte als traurige Farce.
Die Organisator_innen haben es sich ganz einfach gemacht und einen älteren Aufruf der Occupy-Bewegung recycelt. Es ist von einem „unsolidarischen Geldsystem” die Rede, dem die „echte Demokratie” entgegengestellt wird. Kein Wunder, denn der Aufmarsch der deutschen Friedensfreunde wird auch von einigen Überbleibseln der „Occupy-Bewegung” und von anderen regressiven Friedensinitiativen organisiert, die anscheinend kein Problem mit verschwörungsideologischen Konstruktionen und deutschnationalen Parolen haben.
Auf der Facebook-Seite zur Veranstaltung werden die Reden desVerschwörungsideologen Andreas Popp beworben, der von der „BRD-GmbH” lamentiert und mit dieser Chiffre die Ideologie der nationalsozialistischen „Reichsbürger” reproduziert. Dort wird auch über einen„Marsch auf Berlin” und über einen esoterischen „Meditations-Flashmob” nachgedacht, der die „Lichtformation” der deutschen Friedensfreunde begleiten soll.
Doch nicht nur auf der Facebook-Seite der Veranstalter_innen findet sich Werbung für verschiedene verschwörungsideologische Machwerke und esoterische Aktionsformen. Auch im offiziellen Youtube-Video, mit dem zum Aufmarsch mobilisiert wird, kann man Hinweise auf verschwörungsideologische Propaganda entdecken. Dort wird zum Beispiel auf die Pseudo-Dokumentation „Deadly Dust” des Frieder Wagner verwiesen, der in der Vergangenheit die Nähe zum Querfrontler Jürgen Elsässer suchte.
Wagners Interviews, die dieser etwa mit dem rechten Journalisten Michael Vogt produzierte, der eine geschichtsrevisionistische Dokumentation über den England-Flug des damaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß drehte, finden sich auf zahlreichen Internetseiten der Verschwörungsszene.
Im Werbe-Video zur „Lichtformation” finden sich allerdings auch Szenen, die einen Aufmarsch von Gaddafi-Fans zeigen, die sich mit dessen grüner Fahne an einer Friedensdemonstration beteiligten. Der Clip wurde von der Internetseite „Antikrieg.tv” produziert, die Macher übersetzen zahlreiche Beiträge des Fernsehsenders „Russia Today” ins Deutsche. Eine weitere Quelle dieser vorgeblichen Friedensfreunde ist der iranische Sender „Press.tv”, der für seine antisemitische Hetze berüchtigt ist. Ein Video des Senders findet sich, ebenso wie das anti-israelische Gedicht des greisen SS-Mannes Günther Grass, auf den Internetseiten von „Antikrieg.tv”.
Die Parteinahme für regressive Regime sowie die Werbung für obskure Verschwörungsideologen findet sich nicht nur im Werbe-Video, sondern auch auf einer weiteren Facebook-Seite der Organisator_innen. Dort wird zum Beispiel eine Aktion der verschwörungsideologischen „Partei der Vernunft” (PdV) beworben, dort findet sich Werbung für die strukturell antisemitische Internetseite „MM-News”.
Derartige Inhalte dürften auch Nationalsozialist_innen, Antisemit_innen und Verschwörungsfans überzeugen. Vielleicht distanzieren sich die Veranstalter_innen auch daher „von Rechtsradikalen, nationalistischen Gruppierungen und Nazis”, die angeblich nicht auf der „Unterstützerliste und auf der Demo” erwünscht seien, die aber mit einigen Inhalten der Veranstalter_innen und Unterstützer_innen durchaus einverstanden sein dürften.
Ein Unterstützer der Grabkerzern-Aktion bewirbt zum Beispiel eine der nationalsozialistischen„Reichsregierungen”. Der Aufruf zum Aufmarsch wurde unter anderem durch die Internetseite „Heinrichsplatz TV” gezeichnet. Auf dieser Internetseite findet sich nicht nur Verschwörungspropaganda, sondern auch Werbung für den „Reichsbürger” Peter Fitzek und dessen Pseudo-Staat „NeuDeutschland”, mit dem eine großdeutsche „konstitutionellen Monarchie” angestrebt wird.
Allerdings handelt es sich bei einem Großteil der Unterstützer eher um linke, verschwörungsideologische und esoterische Gestalten. Da wären zum Beispiel die „Großmütter gegen den Krieg” aus Berlin, die sich am 12.05.2012 an einem Aufmarsch für das syrische Regime beteiligten, auf dem ein „Germany for the Germans” gefordert und Davidsterne in den Staub getreten wurden.
Als Unterstützerin wird auch Dr. Sabine Schiffer aufgeführt, die als Leiterin des „Institut für Medienverantwortung” dem iranischen Auslandssender IRIB gerne ausführliche Interviews gibt. Zusätzlich unterstützt der Weblog „le Bohémien” das Stelldichein der Friedensfreunde. Dort darf an selbsternannter „Macho” gegen den Feminismus anschreiben.
Neben diesen Gestalten will sich auch Ina Edeltraut an der „Friedensdemonstration” beteiligen. Sie ist Organisatorin eines alljährlichen „Friedensfestivals”. Dort durften in den vergangenen Jahren etwa der rechte Verschwörungsideologe und PdV-Vorsitzende Oliver Janich und sein ebensorechter Kompagnon Christoph R. Hörstel schwülstige Verschwörungsreden schwingen.
Mit „Wamos”, einem „Zentrum für ganzheitliche Lebensführung”, das ansonsten ”sinnliche Rohkost-Rezepte” und „roh-köstliches Massage-Öl” bewirbt, mobilisieren auch krude Esoteriker_innen zum Marsch der Friedensfreunde.
Außerdem unterstützt die CDU-Politikerin Tanja Woywat den deutschen Marsch, die noch im Jahr 2011 als stellvertretende Kreisvorsitzende der Christdemokraten in Kreuzberg und Friedrichshain Politik betrieb. Im Jahr 2009 trat sie als Pressessprecherin der antikommunistischen Direktkandidatin Vera Lengsfeld auf. Des Weiteren rufen die nationalbolschewistische Tageszeitung Junge Welt und einige andere linksdeutsche Initativen zur „Friedensdemonstration” auf.
Mit dem Aufmarsch der deutschen Friedensfreunde, die sich für das ein oder andere Regime engagieren werden, wird also eine Art Querfront verwirklicht. Antisemit_innen und „Reichsbürger”, „Truther” und„Infokrieger”, Junge Welt-Leser_innen und eine CDU-Politikerin, Blogger_innen und Esoteriker_innen werden gemeinsam durch Berlin marschieren, um dann mit „Grabkerzen” ein „lichtvolles Zeichen” zu setzen. Es bedarf keiner Hellseherei, um eine der gruseligsten Veranstaltungen dieses Jahres vorauszusagen.