Es ist ein kleiner Bestseller auf dem riesigen verschwörungsideologischen Markt: Oliver Janichs„Kapitalismuskomplott” gilt als eine Bibel der deutschen Libertären. Der ehemalige Focus-Money Redakteur hat nicht nur eine kleine Partei gegründet, sondern auch ein Buch geschrieben, mit dem die theoretischen Grundlagen vorgestellt werden, die ihn und seine Kompagnons antreiben.
Das Buch wird von Libertären und Verschwörungsfans als Erklärung beworben, mit der die Welt verändert werden könne. „Dieses Buch hat es geschafft mir viele linke Dogmen aus den Gehirnwindungen zu entfernen”, jubelt ein Anhänger des Parteivorsitzenden. Dieser behauptet, dass mit der Lektüre die „Vorstellungen über die Realität auf den Kopf ” gestellt werden würde. Er würde „Wege” aufzeigen, „wie wir zu einer friedlichen, freiheitlichen und gerechteren Welt gelangen” können.
Doch Janich verspricht vieles und hält nichts. Dafür kolportiert er wahnwitzige Verschwörungsmythen. Der Parteivorsitzende erfindet das ein oder andere Gespräch, fälscht den ein oder anderen Fakt und warnt vor dem ein oder anderem Politiker, den er zum Instrument einer angeblichen kommunistischen Weltverschwörung macht. Genug Stoff für einen „Triller”, denn mit einem Sachbuch oder gar mit einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung hat das Buch vom „Kapitalismuskomplott” nicht das Geringste zu tun.
Putzen und Kapitalismus
Schließlich hat der umtriebige Verschwörungsideologe nach eigenen Angaben noch nicht einmal ein Sachbuch verfasst, sondern ein Machwerk veröffentlicht, das er „Thriller” nennt. Daher verzichtet Janich auch auf den Gebrauch von Fußboten, „weil diese” angeblich „gerne übersehen werden”. Das macht es ihm einfach, sein wahnwitzige Theorien zu verbreiten, ohne sie in irgendeiner Form belegen zu müssen.
Janich definiert zum Beispiel den Kapitalismus als „Vertragsfreiheit”. Er leugnet die Totalität dieses gesellschaftlichen Systems, verneint die gesellschaftliche Ausbeutung, den Warenfetisch und die reaktionären Ideologie, die die kapitalistischen Gesellschaften Tag für Tag hervorbringen.
Dafür gibt Janich sich reichlich Mühe, den Kapitalismus als naturwüchsige Gesellschaftsform darzustellen, der aus „Putzfrauen” reiche Menschen macht. Es handele sich um eine „natürliche Ordnung”, die „eigentlich nur Freiheit” bedeuten würde, wenn denn der bösartige Leviathan Staat nicht wäre, den Janich als Einschränkung der kapitalistischen Gesellschaft begreift:
Ich werde später zeigen, wie eine ungelernte Putzfrau ohne Sprachkenntnisse komfortabel leben kann und im Alter sogar Millionärin wäre, würde der Staat nicht eingreifen.
Nun werden Menschen die ihre Arbeitskraft verkaufen und putzen gehen, im Alter nicht reich, können sich dafür aber an einem kaputten Rücken und anderen Schmerzen erfreuen. Doch derartige Folgen der Lohnarbeit werden vom Vordenker der „Partei der Vernunft” (PdV) ignoriert. Es ist sein spezifischer Blick auf die deutsche Realität, der das Buch wie ein roter Faden durchzieht. Mit dem Blick auf Hartz4-Empfänger_innen behauptet Janich zum Beispiel:
Sozialhilfe oder Hartz-IV-Empfänger haben ein geringes Interesse zu arbeiten, wenn sie auch ohne zu schuften Geld bekommen.
Wer einmal in den zweifelhaften Genuss dieser rudimentären Sozialleistungen gekommen ist, die gerade einmal ausreichen, um ein Leben am Rande der Gesellschaft zu fristen, dürfte diese Behauptung empören. Schließlich bedeutet Harz IV ein Leben in Armut. Janicht stigmatitisiert die Empfänger derartiger Sozialleistungen, auch wenn er einschränkt, dass nicht „alle diese Gruppen faul” seien. Doch solche Relativierungen verblassen angesichts von Sätzen, in denen Janich die Erwerbslosen als gesellschaftliche Schädlinge bezeichnet:
Der faule Arbeitslose schadet den fleißig Arbeitenden.
Ähnliches weiß Janich über Migranten zu berichten. Er hat kein Problem mit denjenigen, die seinem Ideal des Kapitalismus nützen, dafür aber mit Menschen, die nach Deutschland kommen und Sozialleistungen beziehen. Am deutschen Stammtisch des Oliver Janich klingt das dann etwa so:
Die eigentliche Ursache liegt darin, dass Menschen in unsere Sozialsysteme einwandern können und sich so gar nicht integrieren müssen.
Sein Ideal ist die kapitalistische Gemeinschaft, in der Gewerkschaften und Konzerne miteinander harmonieren. Erstere dürfen „Rechtsberatung, eine genossenschaftliche Versicherung oder andere Interessenvertretungen” anbieten, die Konzerne dürfen ihr kapitalistisches Zuckerbäckerland schaffen, indem weder Kündigungsschutz noch Mindestlöhne existieren, dafür aber Leih– und andere Formen der Lohnarbeit. Janich singt das hohe Lied der guten Konzerne, diese seien „von sich heraus sozial”.
Rothschild und Gorbatschow
Der Parteivorsitzende hat keine Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft. Schließlich macht er letztendlich einige einzelne Familien für die vermeintlichen Ungerechtigkeiten verantwortlich, die er zu erkennen glaubt.
Er knüpft an anti-amerikanische und antisemitische Verschwörungsmythen an. Janich gibt unter anderem der amerikanische Notenbank Federal Reserve (FED) die Schuld, dass die Menschen und auch der„ungelernte Arbeiter” noch nicht „im Schlaraffenland leben”. Schuld tragen „diejenigen Familien, die die amerikanische Notenbank durchgesetzt haben”.
Mit diesem verschwörungsideologischen Mythos macht Janich einzelne Bankiers-Familien verantwortlich. Hier agrumentiert der Vorsitzende der „Partei der Vernunft” wie jeder ordinäre Verschwörungsideologe, der von „Familien” munkelt, aber oftmals die Rothschilds und Rockefellers meint.
Janich beruft sich dabei auf einen weiteren Bestseller der Verschwörungsszene. Er zitiert zustimmend aus G. Edward Griffins Buch „Die Kreatur von Jekyll Island”. In Deutschland ist dieses Machwerk im rechten und esoterischen Kopp-Verlag erschienen. Griffin ist seit Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts ein Vordenker der antisemitischen John Birch Society.
Er macht in seinem Buch ganze sechs Familien für alle Ungerechtigkeiten des Kapitalismus verantwortlich. Sein antisemitischer Kolportagen-Roman befasst sich über weite Strecken mit der Rothschild-Familie, die er zum führenden Teil einer gigantischen Verschwörung macht.
„Sie” würden eine „verborgene Tagesordnung” umsetzen wollen. Ziel sei der „Welt-Sozialismus”. Griffin macht diese angebliche Verschwörung daher für kapitalistische Kriege und für staatskapitalistische Systeme wie die Sowjetunion verantwortlich. Außerdem hätten „sie”, mit Hilfe des„Erzkriminellen” Gorbatschow, die „Öko-Bewegung” geschaffen. Der Verschwörungsautor Janich scheint von diesem antisemitischen Verschwörungsbuch inspiriert worden zu sein, sein Buch liest sich über weite Strecken wie ein deutsches Plagiat des antisemitischen Machwerks.
JFK und Woody Harrelson
Ich werde in diesem Buch keine einzige Verschwörungstheorie verbreiten.
Der Vordenker der deutschen Libertären will mit seinem Buch zwar „keine einzige Verschwörungstheorie” verbreiten, doch er tut es. Penetrant propagiert Janich Verschwörungsmythen, die in seinem Milieu so ungeheuer beliebt sind. So behauptet Janich, dass John F. Kennedy durch die CIA ermordet wurde. Die Bush-Familie sei in das Attentat verwickelt.
Menschen, die dieser vollkommen haltlosen Behauptung widersprechen, werden als CIA-Agenten bezeichnet. So zum Beispiel der NBC-Journalist Edward Epstein. Janich muss auch hier jeden Beweis schuldig bleiben, deswegen beruft er sich aber auf namenlose Gesellen: „Laut vielen Top-Kennedy-Forschern ist Epstein ein CIA-Agent”. Janich spart sich jeden Beweis. Seine obskure Begründung klingt amüsant:
Die Hinweise sind so zahlreich, dass hierfür kein Platz ist, um sie abschließend behandeln zu können.
Dafür greift er eine Rede auf, die in der Verschwörungsszene umgedeutet wird, um die Existenzt der angeblichen Verschwörung zu belegen. Es handelt sich um eine Rede, die Kennedy im Jahr 1961 vor versammelten Journalisten hielt.
Hier warnte er vor einer „monolithischen und ruchlosen Verschwörung”, die mit „Unterwanderung” und mit „Guerillaangriffen” vorgehen würde. Kennedy knüpfte hier an antikommunistische Theorien an, die von einer großen kommunistischen Verschwörung ausgingen. Verschwörungsideologen benutzen diese antikommunistische Rede des John F. Kennedy, um die Behauptung aufzustellen, dass der damalige Präsident ganz allgemein vor einer Weltverschwörung gewarnt habe. Daher sei er ermordet worden.
Für Janich handelt es sich um eine Verschwörung des amerikanischen Geheimdienstes. So reißt Janich die Rede des John F. Kennedy aus dem Zusammenhang. Seine weiteren Quellen sind YouTube-Videos und „Oliver Stones Film JFK”, der zur wahnwitzigen Beweisaufnahme herangeführt wird:
Stones Hauptdarsteller in Natural Born Killers von 1994 war Woody Harrelson. Er ist der Sohn von Charles Harrelson, einem verurteilten Auftragskiller. Er soll der Charles Harrelson sein, der als einer der drei ‘Landstreicher’ am Tag des Kennedy-Attentats verhaftet wurde. Die drei waren höchstwahrscheinlich Teil des Plots.
Unfreiwillig amüsant ist auch Janichs Schilderung eines mega-geheimen Treffens, das in seinem Kopf entstanden ist. Er schildert ein geheimnisvolles Treffen von dreizehn „Illuminaten”, die den Klimawandel erfinden und nebenbei auf die Idee kommen, Flugzeuge in Wolkenkratzer fliegen zu lassen.
„Wie wär’s, wenn wir den Leuten einfach erzählen, es liege an der Industrialisierung. Ihr wisst schon: Mensch bläst Schadstoffe in die Luft, gleichzeitig wird’s wärmer, also ist der Mensch schuld”, sagt der Eine. Der Andere zweifelt: „Das schlucken die nie. Genauso gut könnte ich ein Flugzeug in einen riesigen Wolkenkratzer fliegen lassen und den Leuten erzählen, dass er dadurch in sein eigenes Fundament fällt.” Janich urteilt über sein Märchen, das er für das Buch erfunden hat:
So könnte es gelaufen sein.
Weltverschwörung und Google
Es sind die USA, die den Hass des Autoren erregen. Er die Praxis des Nationalsozialismus mit dem Vorgehen der amerikanischen Institutionen gleich:
Wie man heute noch die Parallelen zwischen Reichstagsbrand und 11. September sowie Ermächtigungsgesetz und Patriot Act übersehen kann, ist nur mit einem völligen Versagen der Medien zu erklären, zumal wir im Zeitalter des Internets leben.
Doch die Medien seien von alten „Kommunisten” und „Linksintellektuellen durchsetzt”. Außerdem würden „Desinformanten” den armen Janich und seine ideologischen Kumpanen mit „Desinformationstaktiken” bedrohen. Selbstverständlich macht Janich geheimnisvolle Hintermänner aus, die hinter dem Vorhang die Fäden ziehen.
Es seien „Globalisten”, „die eine Weltregierung anstreben”. Janich konstruiert hier eine kleine, geheime Gruppe, die an einer „Neuen Weltordnung” arbeiten würden. Beweise muss Janich schuldig bleiben. Stattdessen empfiehlt er eine Suchmaschine:
Wenn Sie ‘Neue Weltordung’ oder ‘New World Order (NWO)’ googeln, finden Sie unzählige Zeitungsberichte, in denen geschildert wird, wie Bush (Vater und Sohn), Obama, Merkel, Brown und viele andere an der Neuen Weltordnung arbeiten oder arbeiteten.
Tatsächlich finden sich, wenn man Janichs Ratschlag befolgt, hunderte Internetseiten der Verschwörungsszene, auf denen ähnliche Märchen kolportiert werden. Wo die Internetseiten der Verschwörungsszene als Quelle dienen, sind Verfälschungen und Umdeutungen nicht weit. So behauptet Janich zum Beispiel:
Den exakten Terminus ‘Neue Weltordung’ haben meines Wissens (…) bisher nur George Bush sen. und Gordon Brown in den Mund genommen.
Würde der Verschwörungsideologe auch einmal andere Internetseiten besuchen, könnte er wissen, dass die Phrase von der „Neuen Weltordnung” bereits nach dem Ersten Welkrieg populär wurde.
Darth Vader und die Grünen
Die kleine Truppe, die anscheinend relativ erfolglos die „Neue Weltordnung” anstrebt, setzt sich nicht nur aus bekannten amerikanischen Politikern zusammen. Janich behauptet, dass diese geheime Gruppe von einem schwarzen Lord geführt werden würde: Der Bankier David Rockefeller sei „der ‘Darth Vader’ der Neuen Weltordnung”. Außerdem würden verschiedene Think-Tanks existieren, die alle an der großen Weltverschwörung beteiligt wären. Janich nennt etwa den amerikanischen „Council on Foreign Relations”(FER).
Hier beruft sich der Verschwörungsideologe auf einen anderen Verschwörungsideologen: Die Propagandisten von Verschwörungsmythen berufen sich eben gerne auf andere Propagandisten, die ganz ähnliche Märchen propagieren. So werden Pseudo-Beweise geschaffen: Die eigene Ideologie wird mit den Groß-Konstruktionen anderer Verschwörungsideologen belegt.
In diesem Fall beruft sich Janich auch auf den amerikanischen Nationalisten Alex Jones, der mit seiner verschwörungsideologischen Radiosendung und seinen Pseudo-Dokumentationen die Ideen der „Truther” und „Birther” propagiert. Zur riesigen Weltverschwörung gehören für Janich außerdem weitere Think-Tanks, Barack Obama, die „Bilderberg-Konferenz”, die deutschen Grünen und die Pharma-Industrie.
AIDS und „Illuminati”
Vielleicht bewirbt Janich daher andere Machwerke der Verschwörungsszene. Er behauptet zum Beispiel, dass das „Wissen um alternative, natürliche Heilmittel – insbesondere für Krebs – (…) unterdrückt” werden würde, damit „Big Pharma” mehr Profite generieren könne. Außerdem versucht sich Janich als AIDS-Leugner:
Aids soll durch Hepatitis-B-Impfungen in Afrika und San Francisco in Umlauf gekommen sein.
Hier kolportiert Janich ein Märchen, das in der Verschwörungsszene durchaus beliebt ist. Er beruft sich dabei auch auf Ted Gunderson, der von Janich als „ehemalige FBI Direktor von Los Angeles” eingeführt wird.
Ted Gunderson, der an dieser Stelle ein wichtiger Kronzeuge ist, glaubt im Übrigen an die „Entführung von vielen Tausenden von amerikanischen Kindern zum Zweck der Prostitution, der Pornographie, für experimentelle Hightechwaffen, Gedankenkontrollmissbrauch, Kindersklavenarbeit für unterirdische Stützpunkte, weiße Kindersklaverei“ und satanische Ritualmorde. Als Täter hat Gunderson den amerikanischen Geheimdienst CIA ausgemacht, die im Auftrag von “ internationalen Satanisten – als das Illuminati bekannt – handeln“. Dies ist nur einer der Kronzeugen aus dem Verschwörungsmilieu, die Oliver Janich bemüht.
Carlos und Kissinger
In seinem Buch macht Janich, mit Hilfe anderer Kronzeugen, außerdem noch weitere Hintermänner aus: Der Terrorist Ilich Ramírez Sánchez (Carlos, der Schakal) und Henry Kissinger seien ein Teil der Weltverschwörung. Janich spricht davon, dass sie Mitglieder des sowjetischen Geheimdienstes KGB gewesen seien.
Kissinger sei nicht nur ein altgedienter KGB-Mann, sondern auch noch „der Pate der Bilderberger und der Neuen Weltordnung”. Beweise muss Janich natürlich auch hier schuldig bleiben. Es bleibt bei Mythen und Märchen, mit denen die große Weltverschwörung konstruiert wird.
Bilderberger, Rockefeller, Obama, Adorno und der KGB sowie die deutschen Grünen werden fröhlich zusammengemixt: Heraus kommt die kommunistische Weltverschwörung, an der auch ZDF-Anchorman Claus Kleber beteiligt sein soll. Nach langen Tiraden behauptet Janich:
Wir werden später noch sehen, dass sie tatsächlich echte Kommunisten sind, nicht nur in der Theorie.
Die kommunistische Weltverschwörung
Um die angebliche kommunistische Mega-Verschwörung zu belegen, beruft sich Janich — mal wieder — auf einen anderen Verschwörungsautoren. Janich empfiehlt die antikommunistischen Machwerke des Torsten Mann, der „die beiden wichtigsten Bücher der letzten Jahre geschrieben” hätte. Es handelt sich um Bestseller der Verschwörungsliteratur, die ebenfalls im rechtsesoterischen Kopp-Verlag erschienen sind.
Torsten Mann konstruiert ebenfalls die kommunistische Weltverschwörung. Er scheint durch eine Episode der Simpsons inspiriert, in der der Fall der Mauer und der Untergang der Sowjetunion als perfider Plan der Kommunisten dargestellt wird. Was bei den Simpsons noch ein Gag war, ist bei Torsten Mann trauriger Verschwörungswahn, dem auch Janich verfallen ist:
Der Fall der Mauer, die Auflösung des Warschauer Pakts und die scheinbare Demokratisierung des Ostens sind Teil einer Langfriststrategie, deren Ziel darin besteht, eine kommunistische Weltordnung zu errichten, was von jeher der Plan war.
Janich behauptet, dass „alle im Bundestag vertretenen Parteien kommunistisch unterwandert” seien. Er lässt die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts wiederaufleben und spricht „von einer direkten Steuerung aus Moskau”.
Von dort habe man die „Achtundsechziger-Bewegung” gesteuert und dort sei auch die kritische Theorie erfunden worden: „Der Ansatz: Alles sollte kritisiert werden, ohne Lösungsansätze zu bieten. So sollte die Unzufriedenheit der Bevölkerung geschürt werden, die diese auf den Kapitalismus schieben sollte”.
Später habe Moskau „die Friedensbewegung und die Anti-Atomkraftbewegung aufgebaut” und dann sogar noch die „Perestroika” erfunden, um das „langfristige Ziel”, den Kommunismus, zu erreichen. Die „Globalisten des Westens und des Ostens” hätten sich zusammengeschlossen: Ihr Ziel sei die faktische Zerstörung Deutschlands. So reproduziert der Parteivorsitzende, dessen Partei mal mit den Piraten und mal mit der NPD marschiert, rechte Verschwörungsmythen über die angebliche Weltverschwörung:
Heute wissen wir, dass der Student Benno Ohnesorg 1967 von einem Stasi-Mann ermordet wurde. Wichtige Leute aus der damaligen Bewegung haben heute Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft inne.
IM-Merkel und IM-Brandt
Ein weiterer Agent dieser konstruierten Weltverschwörung sei Willy Brandt gewesen. Der ehemalige Bundeskanzler hatte während des Nationalsozialismus unter falschem Namen leben müssen. Für Janich ist dies Anlass genug, um zur Denunziation zu greifen: „Falsche Identitäten anzunehmen scheint ihm gelegen zu haben”, urteilt Janich über Brandt.
Außerdem stellt Janich die verschwörungsideologische Theorie auf, dass Brandt in Wirklichkeit ein Agent des KGB gewesen sei. Beweise muss er natürlich auch hier schuldig bleiben, es bleibt bei der Behauptung, dass der Kanzler „offensichtlich im Interesse der Stasi” gehandelt habe. Die Parolen von Nationalsozialisten, die den „Volksverräter” und „Stasi-Spitzel” in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts am liebsten an die Wand gestellt hätten, erleben auf diese Weise eine verschwörungsideologische Wiederkehr.
Brandt ist nicht der einzige bürgerliche Politiker, dem Janich eine Agenten-Tätigkeit andichtet. Er behauptet auch, dass Hans Dietrich Genscher in Wirklichkeit ein Stasi-Mitarbeiter gewesen sei. Ähnliches kolportiert Janich mit dem Blick auf Gregor Gysi und Angela Merkel. Bei Gysi konstatiert Janich eine„Stasi-Verdacht”, bei Merkel möchte er „weitere Hinweise auf eine mögliche Stasi Tätigkeit” entdeckt haben. Schließlich kennt Janich die Internetseiten der Verschwörungsszene, auf denen derartige Märchen kolportiert werden. Janich konstatiert:
Im Internet wird auch spekuliert, dass sie ihre eigenen Stasi-Akten und die ihres Vaters aufbewahrt.
Zentrale in Moskau
Die Gründung der Grünen führt Janich ebenfalls auf das geheimnisvolle und mächtige Moskau zurück. Er verschweigt die Beteiligung von deutschnationalen Hippies und von ebenso deutschnationalen Alt-Nazis. Dafür behauptet er:
Aus Moskau erging seinerzeit Order an die kommunistischen Kader, in die Grüne Partei einzutreten.
Beweise oder gar eine Quellenangabe sucht man hier ebenfalls vergeblich, dafür schmeißt Janich — mal wieder — einige Namen in den Raum:
Die spätere grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer engagierte sich in der KPD/AO-nahen ‘Liga gegen den Imperialismus’, der spätere Vorsitzende Reinhard Bütikofer hat eine Vergangenheit in den kommunistischen Hochschulgruppen und dem maoistischen KBW, Jürgen Trittin war Mitglied im Kommunistischen Bund.
Dabei verschweigt Janich, dass die von ihm benannten K-Gruppen rein gar nichts mit der Politik der Sowjetunion anzufangen wussten. Ganz im Gegenteil sprachen sie vom „Sozialimperialismus” oder gar vom „Sozialfaschismus” der Sowjetunion.
Sie übernahmen oftmals die sogenannte Drei-Welten-Theorie der Maoisten. Diese Theorie, die 1974 von Deng Hsiao-ping formuliert wurde, geht davon aus, dass die Supermächte UdSSR und USA die erste Welt bilden, wobei die Sowjetunion als die aggressivere politische Macht eingeschätzt wurde, von der die Gefahr eines neuen Weltkriegs ausgehen würde. Diese Einschätzung ging mit einem aggressiven und positiven Deutschland-Bezug einher.
In den 80er Jahren lösten sich einige K-Gruppen auf, sie waren am Rande der Handlungsunfähigkeit. Einzelne Partei-Kader suchten ihr Heil in der Umweltbewegung, aus der die Grünen als Partei hervorgingen. Mit einer Verschwörung haben diese Ereignisse allerdings nichts zu tun. Oliver Janich verschweigt derartige Tatsachen und die Motivation der Partei-Kader. Stattdessen erfindet er einen Befehl der „Globalisten”, deren heimliche Haupstadt Moskau zu sein scheint.
Traum vom Reich
Bei soviel Verschwörungsmythen verwundert es dann auch nicht mehr, dass Janich an Theorien anknüpft, die durch die rechten „Reichsbürger” vertreten werden. Diese behaupten, unter anderem mit dem Blick auf den Personalausweis, dass die Bundesrepublik in Wirklichkeit kein Staat, sondern eine Firma der Alliierten darstellen würde.
Sie sprechen von der „BRD-GmbH” und behaupten, dass das „deutsche Reich” noch existieren würde. Daher schaffen sich „Reichsbürger” fantasievolle Ersatzdokumente und Pseudo-Institutionen. Mehrere „Reichskanzler” konkurieren miteinander, es gibt verschiedene „Reichsregierungen”, die von einem Deutschland in den Grenzen von 1941 träumen. Janich kritisiert zwar die Praxis der Reichsbürger, begeistert sich aber für deren Theorien:
Es spricht juristisch manches dafür, dass es sich bei der Bundesrepublik um eine Art Nichtregierungsorganisation (NGO) handelt, der Sie durch Beantragung eines Personalausweises (müsste eigentlich Personenausweis heißen) unwissentlich beigetreten sind. Bei der Gelegenheit: Schauen Sie sich Ihren Personalausweis einmal genauer an (…). Die Existenz der im Internet berühmten BRD GmbH ist ein weiteres Indiz.
Verschwörungsschrott
Janichs Machwerk ist ein verschwörungsideologisches Pamphlet, voller Verfälschungen und Umdeutungen, um die angebliche Mega-Verschwörung der Kommunisten aus Moskau zu belegen. Dabei nutzt er die Machwerke anderer Verschwörungsideologen oder empfiehlt die ein oder andere Internetseite des Verschwörungsmilieus. Fakten wird man in diesem Buch allerdings nicht finden. Der „Kapitalismuskomplott” ist ein wahnwitziges und antikommunistisches Pamphlet. Es handelt sich um Verschwörungsschrott in Buchform, von dem man nur abraten kann.
Oliver Janich appelliert am Ende seiner schriftstellerischen Tirade an seine geneigten Leser: Sie sollen das Buch weitergeben und den neuen Kunden „an einen Stuhl” binden, „bis Sie es gelesen haben”. Anders ist das Machwerk des Verschwörungsideologen auch kaum zu ertragen.