Am 13. Mai 2012 wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Außer den bekannten Parteien treten auch verschiedenere kleinere Parteien an. Um Stimmen buhlt die „Familien-Partei Deutschland”, die sich im anti-feministischen Jargon gegen „Aktivisten des Gender Mainstream” ausspricht und nach eigenen Angaben weder „weder cool noch sexy” ist.Im Saarland kam das gut an. 1,7 Prozent der Wähler_innen machten ihr Kreuz bei der „Familien-Partei”, die damit sogar die FDP übertrumpfte. Am 13. Mai erhofft sich die Partei ganz ähnliche Ergebnisse.
Davon träumt allerdings auch eine weitere Partei. Die „Partei der Vernunft”(PDV) möchte am liebsten das Erbe der FDP antreten. Dabei hofft sie auf die Stimmen von Verschwörungsaktivist_innen und neoliberalen Kleinbürger_innen. Die kleine Partei, zu deren Wahlparteitag gerade einmal 31 Mitglieder erschienen, buhlt außerdem um die Unterstützung von Europa-Hasser_innen, deutschen Pazifist_innen und Antikommunist_innen.
Die Gruppierung wurde am 30. Mai 2009 in Hambach gegründet. Die Idee stammte vom Parteigründer und Bundesvorsitzenden Oliver Janich, der zu dieser Zeit als Autor für den „Focus-Money” arbeitete. Dort schrieb er gegen den „Klimaschwindel” an und veröffentlichte ein großes Spezial, mit dem die Ideen der Verschwörungsszene beworben wurden. Hier ging es um die Umdeutung der Ereignisse des 11. Septembers 2001. In einer seiner weiteren Kolumnen drohte er auch mit der Gründung einer „Partei der Vernunft”, die er in mehreren Ausgaben des Focus-Ablegers bewarb, bis die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelte, weil er Aktien von mindestens einem Start-up-Unternehmen angepriesen und so mitgeholfen haben soll, den Kurs nach oben zu treiben.
Seit der Parteigründung ist Janich vor allem als Bundesvorsitzender aktiv. Seine Theorien bewirbt der umtriebige Parteivorsitzende unter anderem auf den Veranstaltungen der „Truther” und „Infokrieger”. Im letzten Jahr war er Teilnehmer einer Veranstaltung gegen das „Bilderberger”–Treffen in der Schweiz. Dort saß er gemeinsam mit dem Querfrontler Jürgen Elsässer auf der Bühne, um die Verschwörungsfans mit Verschwörungsmythen zu begeistern.
Janich ist ein gefragter Interview-Partner für die verschwörungsideologische Internetseite „Infokrieg.tv”. Auf dieser Internetseite werden die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds” ebenso umgedeutet wie der mörderische Terror der al-Qaida. Der Terror wird dort zum „Inside Job” staatlicher Institutionen gemacht. Vom „Inside Job“ ist auch Janich überzeugt, deswegen mobilisierte er mit einem Online-Aufruf zu einem Aufmarsch von Anti-Amerikaner_innen, die zum zehnten Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001 durch Karlsruhe marschierten.
Diese Positionierung des Parteivorsitzenden findet sich auch im aktuellen Parteiprogramm der „Partei der Vernunft”. Dort wird eine „unabhängige Untersuchung der Ereignisse vom 11. September“ sowie „eine Gerichtsverhandlung vor einem unabhängigen Gericht“ gefordert. Es handelt sich um eine zentrale Forderung der „Truther“ und „Infokrieger“, die im Programm dieser Partei zu finden ist. Kein Wunder, dass sich auch einige bekanntere Verschwörungsaktivisten für die kleine Partei engagieren. Da wäre zum Beispiel „Kilez More“, der am 24. November 2011 auf einer Parteiveranstaltung in München auftrat. Dieser Verschwörungsrapper reimt, zur Freude der Partei-Mitglieder, über „Iluminaten“, die für ihr „Volk” an einer„Weltregierung“ arbeiten würden.
Im Parteiprogramm finden sich nicht nur verschwörungsideologische Forderungen. Die „Partei der Vernunft“ steht für die totale Abschaffung des verbliebenen Sozialstaats. Die Partei fordert einen „vollständig flexibilisierten Arbeitsmarkt“ und eine „Aufhebung des Kündigungsschutz“. Die Rente soll abgeschafft werden. Die Bürger_innen sollen sich „privat gegen alle Unglücke des Lebens und für das Alter abzusichern“, heißt es im Parteiprogramm.
Migrant_innen soll das Leben in Deutschland weiter erschwert werden. Diese sollen „erst nach zehn Jahren Arbeit“ die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können und auch erst dann durch die Sozialsysteme berücksichtigt werden. Außerdem spricht man sich gegen bestimmte Kriegseinsätze aus. Das Ziel ist offensichtlich: Auf diese Weise sollen friedensbewegte Deutsche und andere Anti-Amerikaner_innen von den Zielen der Partei überzeugt werden. Auf dem „Friedensfestival” im Jahr 2011 polemisierte der Parteivorsitzende Janich auf dem Alexanderplatz in Berlin Agegen amerikanische Kriege und „Geldverleiher”, die bereits von Jesus aus dem Tempel geworfen worden wären.
Im Parteiprogramm und in den Reden des Verschwörungsideologen Oliver Janich lassen Thesen entdecken, die an die strukturell antisemitische „Zinskritik“ eines Silvio Gesell und die „libertäre”Propaganda des Ron Paul erinnern. Im Parteiprogramm wird von der „Geldschöpfung der Geschäftsbanken aus dem Nichts“ geschrieben und vor einem „ungedeckten Papiergeldsystem“ gewarnt. Stattdessen will sich die Partei für „alternative Geldsysteme wie die Regiogelder“ einsetzen.
Dazu passt die paranoide Angst vor dem Euro. Die Partei organisierte mehrere Kundgebungen gegen den „Euro-Wahn“. In Berlin marschierten Parteimitglieder unter anderem am 14. Mai 2011 vor dem Reichstag auf. Als Redner war der verschwörungsideologische Querfrontler Jürgen Elsässer eingeladen worden, der „Linke“, „Rechte“ und„Religiöse“ zu einer großen deutschen Gemeinschaft vereinen möchte. In seiner Rede warnte Elsässer vor einer „Diktatur der Kommissare“.
Die „Partei der Vernunft“ (PDV) sieht in der Europäischen Union gar eine drohende „EUdSSR“ und macht mit derartiger antikommunistischer Paranoia eine anti-europäische Politik. Dies geschah zum Beispiel auf der 26. Mitgliederversammlung der AUNS („Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz“). Dort sprach sich das PDV-Bundesvorstandsmitglied Norbert Geng gegen die angeblich drohende „EUdSSR“ aus. Seine Brandrede wurde vom AUNS-Vorsitzenden Pirmin Schwander eifrig beklatscht. Dieser sitzt außerdem für die rechtspopulistische „Schweizer Volkspartei“ (SVP) im Nationalrat, er trat im auf einer Veranstaltung gegen die „Bilderberg-Konferenz“ auf, die unter anderem von der antisemitischen Internetseite „Alles Schall und Rauch“ organisiert wurde.
Der Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen muss allerdings ohne derartige prominente Unterstützung auskommen. Es sind die fünf Listenkandidat_innen und einige Partei-Kader, die den Wahlkampf der „Partei der Vernunft“ unterstützen, ein Wahlprogramm wurde bisher nicht veröffentlicht. Auf Listenplatz Eins tritt der Unternehmensberater Dieter Audehm an. Um sich die Stimmen der „Truther“ und „Infokrieger“ zu sichern, gab er dem Internetportal „Infokrieg.tv“ ein ausführliches Interview. Dieses Interview für die Verschwörungswebsite wird nun über die Homepage des Landesverbandes verbreitet. Ansonsten wird die Kandidatur des Dieter Audehm vor allem über soziale Netzwerke beworben, ganze 45 Personen begeistern sich dort zur Zeit für den Spitzenkandidaten.
Über die anderen Landtagskandidat_innen ist noch weniger bekannt. Der Wahlkampf wird vor allem über eine mehr als unpersönliche Facebook-Seite geführt. Außerdem wurde ein Wahlwerbespot finanziert, der die Wähler_innen mit kleinen Kindern umwirbt. Auf der Facebook-Seite findet sich eine der wenigen inhaltlichen Positionierungen.
Die Seite veröffentlichte eine Rede des Dieter Ber, der zumindest zeitweilig im Bundes– und im Landesvorstand der Partei aktiv war. Ber stellte die Behauptung auf, dass im Bundestag „Pläne geschmiedet“ würden, die ihn an die „Planwirtschaft der Kommunisten“ erinnerten und warnte im antikommunistischen Jargon vor einer „ökoszialistischen, planwirtschaftlichen Wohlfühldiktatur“. In der „Klimapolitik“ sah er „Blasphemie und Götteslästerung“, für die Klimaerwärmung machte er Vulkane verantwortlich. Ber behauptete, dass es eine „langfristige Strategie der Kommunisten“ gebe, mit denen alle anderen Parteien unterwandert werden würden, die einzige Alternative sei die „Partei der Vernunft“.
Mit anti-europäischen, verschwörungsideologischen und antikommunistischen Forderungen wird nun auf Stimmenfang gegangen. Es werden auch „Truther“ und „Infokrieger“ sein, die am 13. Mai ihr Kreuz bei der „Partei der Vernunft“ machen werden. Die Partei hofft auf einen Achtungserfolg, auf den sie aufbauen kann. Ob dieser Wunsch allerdings in Erfüllung geht, wird sich erst in wenigen Wochen zeigen.