Wenn deutsche Friedensfreunde gegen den Krieg mobilisieren, kann das durchaus gruselige Formen annehmen, die sie an die Seite der schlimmsten antisemitischen Regime bringt. Ein aktueller Fall ist der Aufruf „Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!“, der vom Verein „Freundschaft mit Valjevo e.V.“ initiiert und am 05. Januar 2012 in der Tageszeitung „Junge Welt“ veröffentlicht wurde.
Der Aufruf richtet sich gegen den angeblich drohenden „Krieg gegen die strategisch wichtigen bzw. rohstoffreichen Länder Syrien und Iran“. Dort ist von „Sabotage- und Terroraktionen“ die Rede, mit denen die USA und Israel die Staaten in einen „Ausnahmezustand“ treiben würden. Die bestialischen Regimes im Syrien und im Iran, die die Opposition brutal unterdrücken, werden dort nicht erwähnt. Die 5000 Toten, die seit Beginn des Aufstandes in Syrien durch die Schergen des Assad-Regimes getötet wurden, spielen keine Rolle. Von der Vernichtungsdrohung gegen Israel, die das antisemitische Regime im Iran immer wieder formuliert, wird im Aufruf ebenfalls geschwiegen.
Die deutschen Friedensfreunde positionieren sich ganz und gar eindeutig und scheinen nebenbei die deutsche Wirtschaft ankurbeln zu wollen. Man wendet sich nämlich gegen „Embargomaßnahmen gegen den Iran und Syrien“. Nicht nur Siemens dürfte dankbar sein. Gerade das Regime im Iran dürfte sich dann besser bewaffnen können, nicht nur um die eigene Opposition zu unterdrücken und zu ermorden, sondern um die angerdrohte Vernichtung Israels Wirklichkeit werden zu lassen.
Auf der Unterschriftenliste zum Aufruf finden sich die Namen von Verschwörungsideologen und Esoterikern, von Rechtspopulisten und deutschen Linken. So zum Beispiel der Name des Chefredakteurs der nationalbolschewistischen Tageszeitung „Junge Welt“, Arnold Schölzel, sowie der Name des „Rotfuchs“-Herausgebers, Klaus Steiniger, der im antisemitischen Jargon gegen „die Rothschilds“ mobil macht. Hier finden sich nicht nur die Unterschrift der Linkspartei-Politikerin Annette Groth (MdB) oder die des ehemaligen Abgeordneten Norman Paech, sondern auch die Namen von Verschwörungsideologen, von rechten Politiker und bekennenden Antisemiten.
Anhand der Unterzeichner_innen wird allerdings deutlich, was für falsche Friedensfreunde dort zusammengekommen sind, um sich als moralische Stütze der Diktaturen anzubiedern. Da wäre zum Beispiel die Gruppe „Arbeiterfotografie“, die seit Jahren eine schmutzige Propaganda-Arbeit für das iranische Regime betreibt.
Als die Demonstrantin Neda im Jahr 2009 durch Milizen des iranischen Regimes ermordet wurde, veröffentlichte die Arbeiterfotografie beispielsweise die Stellungnahme eines anonym bleibenden deutschen „Fachpflegers“, der den Mord an der „Südländerin“ aus der Ferne in Frage stellte. Als der iranische Präsident mal wieder die Vernichtung Israels ankündigt gab sich die Gruppe alle Mühe diese Vernichtungsdrohung als Übersetzungsfehler zu relativieren. Nach dem Erdbeben von Japan träumte man von einer mega-geheimen Erdbebenwaffe, die im Einsatz gewesen wäre. Kritiker_innen entgegnete man: „Zermalmt das Niederträchtige!“ Die Bundesvorstandmitglieder Annelise Fikentscher und Andreas Neumann, die für die Gruppe „Arbeiterfotografie“ auf der Liste unterschrieben haben, sind nicht die einzigen Personen aus dem verschwörungsideologischen Milieu der deutschen Linken, die dort zu finden sind.
Auf der Liste ist der Bundestagsabgeordnete Diether Dehm zu entdecken, der sich selbst als „glühenden Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet und Kritiker_innen als „antideutsche SA“ verunglimpft. Außerdem hat sich der Schweizer Nationalrat Dominique Baettig auf der Unterschriftenliste verewigt. Dieser ist Abgeordneter der Schweizer Volkspartei (SVP), deren rassistische Plakate fast eins zu eins von der NPD übernommen wurden.
Viele Äußerungen des Nationalrates dürften bei den NPDlern auf Zustimmung treffen. Im Dezember 2009 fragte Baettig den Bundesrat in einem parlamentarischen Vorstoss nach den „Folgekosten des Eindringes gebietsfremder Arten“. Baettig polemisierte ansonsten unter anderem gegen das letzte Bilderberg-Treffen, dem Verschwörungsideologen eine unglaubliche Macht nachsagen, obwohl sich dort lediglich Wirtschaftsvertreter, Journalist_innen und Politiker_innen zum losen Gedankenaustausch treffen: Der Nationalrat behauptet allerdings, dass es sich bei diesem Treffen um die Zusammenkunft einer „globalen Elite von Bankiers, Industriellen, Diplomaten“ handeln würde, die dort die „Richtlinien der wirtschaftlichen Globalisierung koordinieren, organisieren und strukturieren“. Die Folge des Treffen seien unter anderem „Geschlechtsumwandlungen“ und die „Verwischung der Grenzen zwischen Lebewesen“, schrieb der Nationalrat.
Nun hat er auf der Unterschriftenliste der Friedensfreunde unterschrieben und findet sich in der Gesellschaft mit Linkspartei-Politiker_innen und Aktivist_innen der deutschen Friedensbewegung. Ein weiterer Unterzeichner ist der Verschwörungsideologe Elias Davidsson, der sich vor allem mit der Umdeutung der Ereignisse des 11. Septembers 2001 befasst. Seine Thesen bewarb er beispielsweise im Jahr 2009 auf einer Veranstaltung der rechten Burschenschaft „Normannia-Niebelungen“ in Bielefeld. Davidsson relativierte die Judenhetze des „Stürmer“ Herausgebers Julius Streicher: „Doch der Propagandaapparat von Julius Streicher würde heute als bescheiden betrachtet werden verglichen mit dem Ausmaß des heutigen Propagandaapparates gegen den Islam, der ganze Erdteile überdeckt und von Hollywood unterstützt wird“, behauptete Davidsson im Interview mit dem „Muslim Markt“, der ebenfalls für plumpe Propaganda für das iranische Regime berüchtigt ist. „Ich bin ein radikaler Antisemit und stolz darauf“, schrieb Davidsson – ganz offen – an anderer Stelle.
Auf der Unterschriftenliste der Friedensfreunde findet sich auch der Name Stephan Bützberger, der sich – ganz esoterisch – als „Lehrer für Bewusstsein- und werdung“ bezeichnet. Es handelt sich um einen Verschwörungsideologen aus der Schweiz, der die Existenz von Virenerkrankungen leugnet. AIDS sei ein „rein erfundenes Phantomgebilde“, behauptet Bützberger in einem Leserbrief, in dem er die irre Behauptung aufstellt, dass es die AIDS-Medikamente wären, die tödlich seien. Hier würde „die Zahl der Opfer des Holocaust übertroffen“, schreibt der AIDS-Leugner auf seiner Internetseite. Den Holocaust führt Bützberger auf den angeblichen „Schulterschluss von Hitler und Rockefeller-Stiftung“ zurück, die sich damit „der Juden entledigt hatte, die bei der verbrecherischen Infektionstheorie nicht mitmachten“. Der Name des AIDS-Leugners und Holocaust-Relativierers findet sich nun ebenfalls auf der Unterschriftenliste der deutschen Friedensfreunde.
Auch einige Blogger haben sich auf dieser gruseligen Liste verewigt. Da wäre zum Beispiel Folker H., der den Blog „Gegenmeinung“ betreibt. Er verlinkt auf verschiedene Texte aus der Verschwörungsszene, in denen beispielsweise die „Dönermorde“ umgedeutet werden. Hier wird der mörderische Terror durch die Nazi-Bande geleugnet:
Die gesamte Story rund um eine (…) braune Armee-Fraktion ist ein einziger riesiger Hoax.
Auf der Internetseite von Folker H. finden sich nicht nur Verweise auf derartige Texte, sondern auch verschiedene Grafiken, mit denen die israelische Politik mit der Vernichtungspraxis der Nationalsozialisten auf eine Stufe gestellt wird. Hier finden sich auch Grafiken des antisemitischen Karikaturisten Carlos Latuff, der beim iranischen Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb den zweiten Platz belegte.
Der Verschwörungsideologe Christoph R. Hörstel hat ebenfalls unterschrieben. Hörstel ist Anführer einer einer Kleinst-Organisation namens „Neue Mitte“. In der Vergangenheit trat er beispielsweise mit dem iranischen Botschafter, dem Schlächter Ali Reza Scheikh Attar, auf einer Werbeveranstaltung des iranischen Regimes auf. Mit dem Querfrontler Jürgen Elsässer mobilisierte er zu einem Aufmarsch vor dem Reichstag, der sich gegen Israel richtete. Auf dem letztjährigen antisemitischen „Al-Quds-Tag“ in Berlin hielt Hörstel ebenfalls eine Rede. Auf einem Aufmarsch der Verschwörungsszene, der am 10. September 2011 in Karlsruhe stattfand, sprach Hörstel zu den versammelten Teilnehmer_innen. Dort offenbarte er seine Ängste vor Europa, seinen Hass auf die USA und betrieb die Konstruktion einer „verdammt kleinen Clique“, die die Welt beherrschen würde. Dafür gab es von den versammelten Verschwörungsfans begeisterte Zurufe und ausführlichen Beifall.
Hörstel durfte nun ebenfalls auf der Unterschriftenliste der deutschen Friedensfreunde unterzeichnen. Er befindet sich in passender Gesellschaft: Gemeinsam mit Linkspartei- und SVP-Politiker_innen, anderen Verschwörungsideologen und bekennenden Antisemiten, stellt er sich – mal wieder – auf die Seite des iranischen Regimes.
Die Unterschriftenliste der deutschen Friedensfreunde offenbart einen Abgrund, dem sich ein Teil der deutschen Linken ergeben hat. Sie protestieren nun gemeinsam mit einem führenden Rechtspopulisten, mit AIDS-Leugnern und Propagandisten des iranischen Regimes. Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich Antisemiten, AIDS-Leugner und Rechtspopulisten. Einige deutsche Linke scheint dies allerdings nicht zu stören.
Eine Erklärung des BAK-Shalom findet sich hier: „Gegen linke Solidarität mit den Schlächtern von Syrien und Iran!“
Update (11.01.2012): Der Rechtspopulist Dominique Baettig wurde mittlerweile von der Liste gelöscht , in der vorherigen Version war er allerdings zu finden. Alle anderen erwähnten Personen finden sich nach wie vor auf der Liste.