Am vergangenen Sonntag zeigte RTL mal wieder eine seiner Eigenproduktionen, für die der Fernsehsender berühmt und berüchtigt ist. „Bermuda-Dreieck Nordsee“ lautete der Name des Streifens, für den RTL wochenlang geworben hatte. Der Film handelt von einer fiesen Konzernchefin, die die deutsche Umwelt versaut.
n der ersten Fassung lautete der Name der Firma „Global Senergy“, fast wie der Name der schottischen Energiefirma „Senergy“. Nach rechtlichen Drohungen wurden sämtliche Szenen entfernt oder überarbeitet, in denen der Name der Firma zu sehen oder zu hören ist. Einige Szenen wurden in aller Eile nachsynchronisiert. Daher konnte der Film dann am Sonntag, den 25.09.2011, doch noch gesendet werden. Eigentlich schade: Den Zuschauern wäre einiges erspart geblieben.
In den Hauptrollen sind Bettina Zimmermann, Gudrun Landgrebe und Hannes Jaenicke sehen. Zimmermann war bereits in Filmen wie „Apokalypse Eis“, „Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen“ oder „Die Sturmflut“ zu betrachten. Sie war also für eine Rolle in einen Film wie „Bermuda-Dreieck Nordsee“ geradezu prädestiniert. Landgrebe hat mit dem geschichtsrevisionistischen„Jud Süß – Film ohne Gewissen“ gezeigt, dass sie zu jeder Schandtat bereit ist. Jaenicke hat nach seinem sehenswerten Auftritt in der Rosa Luxemburg Biographie von Margarethe von Trotta im Jahre 1986 konsequent daran gearbeitet, sein schauspielerisches Talent mit Filmen wie „Hindenburg“, „Schlaflos in Oldenburg“ oder „Speer und Er“ zu verschwenden.
Dieses Triumvirat des Grauens bereichert mit „Bermuda-Dreick Nordsee“ ihr bisheriges filmisches Schaffen um einen weiteren Schandfleck: „Bermuda-Dreieck Nordsee“ ist ein Machwerk, das eine konsequente Form deutscher Ideologie darstellt. Hier geht es um heroische deutsche Inselbewohner, die ihre Heimat vor den bösen Machenschaften eines dunklen multinationalen Konzerns schützen. Der möchte nämlich unterirdische Lagerstätten für CO2 in der Nordsee schaffen, was zu dem „Bermudadreieck“ führt.
Zu Beginn dieses Films ist die deutsche Idealfamilie nebst Anhang auf ihrer Yacht zu sehen: Vater und Mutter trinken Champagner, der jugendliche Nachwuchs zelebriert ebenfalls die romantische Zweierbeziehung, das Kind spielt mit der Wasserpistole.
Alles könnte wundervoll sein, wäre da nicht der stinkende „Killerstrudel vor der Nordseeküste“, der das Boot samt Familie in die Tiefen des Meeres zieht. Als sich der tapfere Seenotretter Tom Jäger (Hannes Jaenicke) mit seinem Hubschrauber auf die Suche begibt, ist das Schiff verschwunden. Die Instrumente spielen verrückt, der Filmheld kann gerade so einem Absturz entgehen. Die Schuld daran trägt der namenlose multinationale Konzern, der CO2 einlagert, um die Zukunft der „Kinder unserer Kinder zu sichern“.
Geführt wird dieses Unternehmen, das der „Future of Energy“ verpflichtet ist, durch die gewissenlose Claudia Schelking (Gudrun Landgräbe). Sie stellt eine personifizierte Kapitalistin dar, die auf der Jagd nach Profit über Leichen geht und der Phantasie eines deutschen Antikapitalisten entsprungen sein muss.
Claudio Schelking schickt ihre „attraktive“ und „hochintelligente“ PR-Mitarbeiterin Marie Niklas (Bettina Zimmermann) auf eine Bohrinsel in der Nordsee, auf der die CO2-Einlagerung den Investoren der Firma präsentiert werden soll. Zeitgleich macht sich Tom Jäger auf die Suche nach den Ursachen für die Schiffskatastrophe. Er ist sich sicher: „Da draußen passiert irgendetwas merkwürdiges“. Tom Jäger steht mit seinen Befürchtungen nicht alleine da. Es gibt noch ein paar weitere aufrechte Heimatschützer.
Da wäre zum Beispiel die esoterische Autorin und Ex-Freundin des Tom Jäger. Hannah Wensberg ist überzeugt: die von ihr entdeckten toten Vögel sind Vorboten einer größeren Katastrophe, die in der„Legende vom Hexenloch“ geschildert wird. Sie hat ein Buch verfasst, dem die Drehbuchautoren des Films „Bermuda-Dreieck Nordsee“ den wahnsinnig fantasielosen Titel „Bermudadreieck Nordsee“ verpasst haben.
Die gemeinsame Tocher Sarah, die Tom Jäger „Pummelqualle“ nennt, ist für die Umweltorganisation „United Green“ aktiv, für die sie von der Bohrinsel berichtet. Diese Umweltorganisation, eine Art Greenpeace-Ersatz, verfügt über die neuste Computer und begibt sich in den gewaltlosen Kampf gegen den gewaltigen Mega-Monopolisten. Als Sarah sich dabei erwischen lässt, wird sie von miesen, mafiartigen Securitys festgehalten, die bereit sind, jedes menschliche Leben für die Konzernziele zu opfern. Vorher gelingt es ihr allerdings, die gespeicherte Daten die ihr vollkommen unbekannten PR-Mitarbeiterin Marie Niklas zuzuspielen, die daraufhin von ihrer Chefin Claudia Schelking entlassen wird.
Diese konstruierte Handlung ist notwendig. Schließlich sollen sich Marie Niklas und Tom Jäger gemeinsam auf die Suche nach den Ursachen des „Killerstrudels“ und der verschwundenen Tochter begeben.
Nach ihrer Entlassung hat Maria Niklas nichts besseres zu tun, als zu ihrem Seebären zu brausen, um ihm von ihrem Leid zu berichten. Hier geht es darum, eine knuffelige, romantische Zweierbeziehung zwischen der Werbefrau und dem Seemann zu etablieren, bei der die Logik vollkommen auf der Strecke bleibt. Hier kommen, in einer klischeeüberladenen Darstellung, der „Neandertaler von der Insel“ und die „Bürotante aus der Großstadt“ zusammen, lernen sich lieben und kämpfen gemeinsam für die deutsche Scholle.
Die„Bürotante“ ist nämlich gar nicht so blöd, wie Jäger zunächst vermutete: Sie kann sogar „twittern, chatten, cracken, hacken“ und ist daher in der Lage, die geheimen Daten der „Pummelqualle“ zu entschlüsseln. Tom Jäger ist begeistert: „Du bist ziemlich umwerfend“, haucht er in ihr Ohr. Sie antwortet: „Die Suppe brennt an“.
Gemeinsam reisen sie nach Hamburg, um einen Experten aufzusuchen. Es handelt sich um einen verwirrten und dennoch genialen Professor, der das Pärchen über die Gefahren der CO2-Einlagerung aufklärt. Kurz darauf werden sie allerdings von dem bewaffneten Security-Chef des Konzerns über den Campus gejagt. Doch es kommt noch dümmer: RTL-Aktuell berichtet wenig später über den Tod des Professors. Das Pärchen ist nun überzeugt: „Irgendjemand muss die stoppen“.
Tom Jäger bewaffnet sich daher mit seiner Harpune und stürmt die Bohrinsel, von der das Unheil seinen Lauf nahm. Leider haben die Drehbuchautoren für diese Passage die martialischen Security aus dem Drehbuch geschrieben, so dass die Rettung der Tochter und die große Beweissicherung der Untaten ganz ohne blutigen Harpunen-Einsatz gelingt.
So entdecken die Heimatschützer, dass der skrupellose Konzern ganz Deutschland bedroht, indem er CO2 unter „fast jedem Bundesland lagern“ will. Nachdem die Helden die Wahrheit erfahren haben, werden die sadistischen Securitys wieder ins Drehbuch geschrieben. So wird die Handlung vollkommen willkürlich zusammengeflickt.
Nach der absehbaren Rettung durch die esoterische Ex-Freundin geht es gemeinsam auf den Öko Kutter von „United Green“. Der deutsche Heimatschutz ist nun vereint, um dem Energiekonzern den Garaus zu machen. Das Öko-A-Team stellt fest: „Es ist immer die gleiche Lüge: Gorleben, Asse, Golf von Mexico“.
Es geht nun um die Rettung der MS Dreamtool, die tatsächlich nach der Produktionsfirma des RTL-Streifens benannt wurde und im Film als Titanic Ersatz fungiert. Auf diesem Schiff sind Investoren und Politiker versammelt. Sie werden mit den Geistern konfrontiert, die sie – aufgrund ihrer Profitsucht – gerufen haben. Betroffen sind aber auch die Inselbewohnern, deren Existenz ebenfalls durch den „Megastrudel“ bedroht wird. „So hat’s auf der Titanic auch angefangen. Da haben die Funker auch gepennt“, jammert ein Umwelt-Aktivist, der die MS Dreamtool erreichen will.
Ob und in welcher Form die Rettung der MS Dreamtool und der Inselbewohnern gelingt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. In einer letzten Sequenz wird allerdings noch eine pädagogische Lehre gezogen: „Menschen mussten sterben, weil wir den Profit, die Macht und die Gier über den Schutz der Natur stellen. (…) Jetzt ist es an uns zu beweisen, dass wir unsere Lektion gelehrt haben“, lehrt die esoterische Autorin Hannah.
Dieser „Ökothriller“ kostete beachtliche 5,7 Millionen Euro, die vor allem für norddeutschen Landschafts-Porno verpulvert wurden. Gespart wurde dafür an den überaus schlechten Special Effects So wird die gleiche Animation für den „Killerstrudel“ mehrmals verwendet, bei der Darstellung der riesigen Bohrinsel griff man teilweise auf ein kaum animiertes Foto zurück und die Schauspieler agieren vor einem erkennbaren Blue-Screen.
Am Drehbuch wurde ebenfalls gespart. Davon zeugen die Logik-Löcher, die so groß wie die Nordsee sind. So darf sich Tom Jäger beispielsweise dem stinkenden Killerstrudel aussetzen, was er ohne Probleme übersteht. Die „Großstadttante“ überlebt eine solche Begegnung allerdings nur mit Mühe und Not. Der Strudel beeinflusst die Instrumente von Hubschraubern; Motorboote und Ölplattformen sind, wie durch ein unerklärliches Wunder, nicht betroffen. Diese Liste ließe sich ohne Probleme fortsetzen.
Hinzu kommt ein Spannungsbogen, der in keiner Weise funktioniert. Hier wird das Niveau jeder deutschen Seifenoper noch bei weitem untertroffen. Das betrifft ebenfalls die Dialoge, die so platt wie eine Nordseeinsel sind. Dafür ist die Kameraführung auf einem soliden Niveau, wenn man RTL-Serien wie „Alarm für Cobra 11″ oder „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ als Maßstab nimmt.
Trotzdem gab es durchaus positive Kritiken durch die einschlägigen Fachzeitschriften und Internetseiten. Das Internetportal Kino.de halluziniert beispielsweise von „höchster handwerklicher Professionalität“. „Bermuda-Dreieck Nordsee“ sei „insgesamt ein empfehlenswerter Film, der nicht nur unterhaltend ist, sondern dank guter Schauspieler, schöner Szenenbilder und einem guten Drehbuch zu überzeugen weiß“, lautet das Urteil von Quotenmeter.de.
Der Film erfüllt ein Bedürfnis: hier werden deutsche Helden geschaffen, die die Scholle gegen die Machenschaften eines bösartigen Konzerns verteidigen. Außerdem wird mit dem Film jene Endzeitsehnsucht bedient, für die die deutschen Zuschauer so überaus empfänglich sind. Hier geht es nicht um eine Technologie, der man kritisch gegenüberstehen kann, sondern um die Angst vor der Moderne, die durch „Bermuda-Dreieck Nordsee“ geschürt wird. Schließlich ist die Idee von einem „Killerstrudel“, der alles in die Tiefe reißt, „völliger Blödsinn“.
Mit dem Film wird eine moralisierende Politik betrieben, die für Umweltschäden lediglich einen Konzern sowie die „Gier“ verantwortlich macht. Im Grunde handelt es sich bei „Bermuda-Dreieck Nordsee“ um einen grünen Werbefilm, bei dem die heimische Scholle gegen die Machenschaften eines Konzerns verteidigt wird.
Die Fernsehzuschauer, die im Naturkostladen einkaufen und die Grünen wählen, werden sich bei bei diesem Film begeistert auf die Schenkel geklopft haben. Vielleicht wurde „Bermuda-Dreieck Nordsee“ auch daher von rund fünf Millionen Zuschauern gesehen. Aufgrund dieser Quoten wird der Film sicherlich nicht der letzte „Ökothriller“ gewesen sein, der von RTL ausgestrahlt wird. So werden die Zuschauern in nächster Zeit vielleicht mit dem Tsunami von Tübingen oder dem Erdbeben in Essen konfrontiert. RTL: Übernehmen Sie!