Geheime Mächte & Arbeit im Gemüsebeet

Die Januar-Ausgabe der anthroposophischen Zeitschrift„Erziehungskunst“, die für 4,90 € aus der Welt der Waldorfschulen berichtet, beschäftigt sich mit dem Thema „Globalisierung“. Ein Blick in die Zeitschrift, die vom „Bund der Freien Waldorfschulen“ herausgegeben wird, macht deutlich, dass Anthroposophinnen und Anthroposophen gegen die Moderne agitieren, wenn sie von„Globalisierung“ sprechen.

Das verdeutlicht bereits das Editorial, das mensch wie folgt zusammenfassen könnte: Internet ist scheiße. Dieser Gedanke drängt sich beim Lesen der Zeilen, die Mathias Maurer zu verantworten hat, förmlich auf. Schließlich beklagt Maurer die„hektische Online-Geschäftigkeit“, die mit dem Internet einhergehen würde. Das Netz sei ein „globaler Gleichmacher und Beschleuniger“. Der Redakteur der „Erziehungskunst“ breitet im Editorial der Waldorf-Zeitschrift eine niedliche Verschwörungstheorie aus, mit der er dem Netz eine Art Omnipotenz unterstellt:

„Und in einem weiteren Punkt sind wir dem Internet bewusstseinsmäßig nicht gewachsen: Es manipuliert uns, ohne dass wir es merken“.

Maurer fordert daher, Schülerinnen und Schülern nicht nur „zu vermitteln, wie Computer funktionieren“, sondern „darüber aufzuklären, welche Abgründe sich hinter ihrer Nutzung auftun“.

Außer solchen Warnungen vor dem Internet finden sich in der„Erziehungskunst“ weitere Inhalte, die einen genaueren Blick lohnen. Während auf der einen Seite vor dem angeblich manipulierenden Netz gewarnt wird, findet sich auf der anderen Seite die Huldigung des bäuerlichen Landlebens.

In der Zeitschrift werden anthroposophische Biohöfe gelobt, „die eine Perspektive bieten für straffällige oder lernschwache Jugendliche“, die zum Kartoffel-Ernten anscheinend gerade gut genug sind. „Drogenkranke, Langzeitarbeitslose aber auch aktive Senioren“ werden ebenfalls zum Arbeitseinsatz benötigt. Neben solchen Problemfällen sind es aber auch „‚ganz normale‘ Kinder“, die die„Arbeit im Gemüsebeet“ und mit „den Kühen“ kennenlernen sollen. Während also auf der einen Seite eine Errungenschaft der Moderne, das Internet, abgelehnt wird, wird auf der anderen Seite der Bauernhof gelobt. Schließlich würde „die Natur, das Leben und Arbeiten auf dem Bauernhof, der Umgang mit seinen Pflanzen und Tieren“ einem höheren Zweck, nämlich „der Gesundung, der Therapie“ dienen.

Anthroposophinnen und Anthroposophen geht es allerdings nicht nur um die Ablehnung moderner Techniken und der Romantisierung der Natur. Bereits der Begründer dieser Lehrer, Rudolf Steiner, verfolgte mit seinen Theorien ein höheres Ziel. Ein Beispiel ist seine Theorie der „Sozialen Dreigliederung“, mit der die bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft in Teilbereiche aufgeteilt werden sollte. Diese Theorie der„Sozialen Dreigliederung“ erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Der Anthroposoph Klaus Weißinger darf in der aktuellen „Erziehungskunst“ die Werbetrommel für die anthroposophische Wirtschaftstheorie rühren. Hier werden „Assoziationen“ beworben, in denen „Produzenten, Händler und Verbraucher an einem Tisch sitzen“.

Dem anthroposophischen runden Tisch, der alle Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Ökonomie beseitigen soll, sollen allerdings noch andere Instrumente hinzugefügt werden: Hier beruft sich Weißinger nicht nur auf Rudolf Steiner, sondern auch auf den „Zinskritiker“ Silvio Gesell, dessen Theorien als strukturell antisemitisch beschrieben werden können. Weißinger spricht sich gegen den „Zinseszins“ aus. Dieser sei „völlig unnötig“.  Stattdessen müsste „Geld im Sinne von Silvio Gesell ‚rosten‘ und nach Rudolf Steiner ‚altern‘“.

Bei solchen Forderungen gegen den „Zinseszins“ und für das rostende, alternde Geld verwundert die wenig später abgedruckte Anzeige des „Urauchhaus“-Verlags, in dem auch die nationalistischen Erinnerungen des „Erzoberlenkers“ Friedrich Rittelmeyer erschienen sind, in keiner Weise. Diesmal wird ein Buch des Anthroposophen Gerd Weidenhausen beworben. Die Anzeige wirbt mit einem „Blick hinter die Kulissen“. Dem Autoren sei es gelungen, „hinter die Kulissen zu leuchten und zu zeigen, wo die eigentlichen Akteure sitzen und an welchen Fäden sie ziehen“, heißt es im Stile einer drittklassigen Verschwörungsthorie, bei der natürlich geheime Mächte an Fäden ziehen.

Es geht um Russland und die USA, denen Weidenhausen, in einem weiteren Artikel, unter anderem vorwirft, dass deren „Geschichte letztlich ein Ergebnis eines Jahrhunderte währenden Einsaugens fremder Ideen und Konzepte“ sei. Russland sei an Beispiel für „Unbedarftheit, Zurückgebliebenheit und ein gehöriges Maß an Unreife“, schreibt Weidenhausen. Den USA wirft er dagegen einen „Missionarismus“ vor. Außerdem würde das Bild eines„eines neuen, jungen und in stetem Wandel begriffenen Land nicht“ der Realität entsprechen.

Neben solchen Ideen, die in der „Erziehungskunst“ beworben werden, finden sich weitere Artikel, die verdeutlichen, dass die heutige Anthroposophie genauso reaktionär ist wie bereits zu den Zeiten ihrer Gründung Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Der nahende hundertfünfzigste Geburtstag des Gründers der Anthroposophie, Rudolf Steiner, ist auch für die „Erziehungskunst“ein Anlass, einen Blick in das Leben des großen Vorbildes zu werfen. Dieser Artikel stammt von Lorenzo Ravagli, der sich ansonsten auch über „faschistoide Antifaschisten“ erregt und dessen eingestelltes Buchprojekt mit dem Anthro-Nazi Andreas Molau für Aufmerksamkeit sorgte.

In der „Erziehungskunst“schreibt Ravagli über sein großes Vorbild. Ravagli berichtet aus verschiedenen Jugenderinnerungen Steiners und hebt einige Pfarrer hervor, die Steiner prägten. Er erwähnt – ohne Quellenangaben – einen besonderen Pfarrer, der die„Freimaurerei“ bekämpfte. Leider verschweigt Ravagli die antisemitischen Ausfälle des Pfarrers, die von Steiner mit einiger Begeisterung geschildert werden. In seiner Autobiographie „Mein Lebensgang“ schreibt Steiner über eine Predigt des Pfarrers, den er wie folgt zitiert:

Geliebte Christen, merket wer ein Feind dieser Wahrheit ist, zum Beispiel ein Freimaurer und ein Jude.

Steiner begeisterte sich an dieser Rede:

Die Tatkraft, mit der dies gesprochen wurde, gefiel mir ganz besonders.

Der Pfarrer habe„außerordentlich viel“ für seine „spätere Geistesorientierung“ getan, urteilte Steiner. Von den antisemitischen Tiraden des Pfarrers wird mensch allerdings nichts in Lorenzo Ravaglis Artikel erfahren, der diese Ausfälle des Pfarrers nicht erwähnt.

Ablehnung des Internets, Huldigung des Bauernhofs, verkürzte Kapitalismuskritik, Verschwörungstheorien und die Idealisierung des geistigen Vorbilds. Diese Inhalte finden sich in der Januar Ausgabe der„Erziehungskunst“. Die Zeitung zeigt die Positionierung von Anthroposophinnen und Anthroposophen deutlich auf. In der„Erziehungskunst“ wird esoterische, reaktionäre Propaganda betrieben, um anthroposophischen Institutionen wie Waldorfschulen und Kindergärten zu bewerben. Das ist auch in dieser Ausgabe der „Erziehungskunst“ nicht anders.

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