Einen kleinen Vorgeschmack auf die Fußballweltmeisterschaft durften die Zuschauerinnen und Zuschauer der ersten Autoballweltmeisterschaft erleben, die am vergangenen Wochenende in der Lanxess-Arena zu Köln veranstaltet wurde und auf Pro Sieben auch in den heimischen Fernsehern zu sehen war.
Bei der Autoballweltmeisterschaft treten mehr oder weniger bekannte Promis in Kleinwagen gegeneinander an. Ziel des sportlichen Glücksspiels ist es, einen großen Plastikball ins gegnerische Tor zu schießen. Jeder Kandidat repräsentiert eine bestimmte Nation, wobei die deutsche Position jedes Mal fest vergeben ist. Die Autoballweltmeisterschaft ist nämlich eine der zahlreichen Dauerwerbesendungen des umtriebigen Moderators und Produzenten Stefan Raab, der solche Anlässe nutzt, um für Deutschland anzutreten. Raab veranstaltet außerdem unter anderem noch eine Wok-WM, bei der Prominente einen Eiskanal im Wok durchqueren müssen, ein Promi-Turmspringen und ein Stockcarrennen, die allesamt für Pro Sieben produziert werden.
Mehr als 13.000 Menschen waren zur Autoballweltmeisterschaft in die Arena geströmt, die Mehrheit in den deutschen Nationalfarben gekleidet. 2,71 Millionen Menschen saßen vor den Bildschirmen. Erstaunlich, denn an dieser Dauerwerbesendung des Stefan Raab beteiligen sich keine internationalen Kandidaten, sondern mehr oder weniger bekannte deutsche C-Promis, die nach jedem Strohhalm greifen, um auf die Fernsehschirme zu gelangen.
Da wäre zum Beispiel Joey Kelly, von der „Kelly Family“, der bei fast jedem Raab Event dabei ist und regelmäßig Irland repräsentiert. Ross Antony, ehemals „Bro’Sis“-Sänger und Gewinner der deutschen TV-Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ durfte für England ins Gaspedal treten. Brasilien wurde von Ailton vertreten, der im Auto ähnlich erfolglos wie beim KFC Ürdingen 05 agierte.
Der TV-Moderator Daniel Aminati, der sich für Ghana hinter das Lenkrad klemmte, erfreute sich einer besonderen Aufmerksamkeit durch das Publikum. Den Produzenten der Sendung muss es sinnig erschienen sein, nach dem Foul des Kevin-Prince Boateng an Michael Ballack, auf diese Karte zu setzen. So wurde Daniel Aminati also als „ghanaische Spaßbremse“ vorgeführt: Spielkommentator Frank Buschmann zog die Boateng Parallele. Aminati, auf diese Art zum fahrenden Boateng stilisiert, wurde dann ausgepfiffen, wo es nur ging. Jede Karambolage wurde der angeblich brutalen Fahr- und Spielweise Aminatis angelastet. Ihm sah man an, dass er froh war, als er den Platz und sein Auto, endgültig verlassen konnte, was vom deutschen Publikum, in der nach Bier, Urin und Abgas stinkenden Halle, mit einem gellenden Pfeifkonzert bedacht wurde.
Ähnlich viele Pfiffe musste nur Giovanni Zarella ertragen. Zarrella, ebenfalls ein ehemaliges Mitglied der deutschen Castingband “Bro’Sis”, repräsentierte Italien. Der in Hechingen geborene Zarella wird immer wieder auf den fröhlichen, singenden Italiener reduziert, was ihn hinreichend für die Rolle des Bad-Guys qualifizierte. Deutschland wurde natürlich von Stefan Raab vertreten. Er besaß auch die Zustimmung des Publikums, die jedes seiner Tore begeistert beklatschte und in die Hymne einfiel, die aus den Boxen erklang: „Ich liebe deutsche Land“ hieß es dann (s. Video). Wenn der italienische Wagen den Ball erfolgreich im gegnerischen Tor unter brachte, lief das „Pizza Leed“ der Band „De Höhner“: „Oh la la, wissetu eine Pizza? Oh la la, Pizza wundaba!“
Die nationalen Gesänge endeten erst, nach fünf langen Stunden, mit dem Elfmeterschießen im Finale, das Italien gegen Deutschland gewann. Zarella, der bereits zuvor auf die Pfiffe mit sportlichem Ehrgeiz reagiert hatte, stürmte auf das Auto seines Konkurrenten und ließ sich von den vereinzelten italienischen Fans in der Halle feiern. Der Rest der Veranstaltung endete in einem gellenden Pfeifkonzert. Da half auch keine Aufforderung des Moderatoren Matthias Opdenhövel, der das pfeifende deutsche Publikum aufforderte, den Sieg des Giovanni Zarella zu beklatschen, soviel Anstand müsse doch sein.
Das Ende der Autoballweltmeisterschaft des Stefan Raab lässt aufmerksame Beobachterinnen und Beobachter erahnen, was passieren wird, wenn die deutsche Nationalmannschaft nicht Weltmeister werden sollte: Gellende Pfeifkonzerte würden noch eine der harmloseren Erscheinungen sein, die mit einer eventuellen Niederlage einhergehen könnten.
Der Artikel erschien zunächst auf Sportswire