Der italienische Dokumentarfilm „Zero: An Investigation into 9/11″, der hierzulande auf den Titel „9/11 – Was steckt wirklich dahinter“ getauft wurde, lief vor einiger Zeit im zweiten Programm des Österreichischen Rundfunks (ORF). Außerdem ist der Film öfter in verschiedenen Kinos zu sehen, die mit speziellen Programmen den Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 begehen.
Der Produzent des Films ist der ehemalige italienische Abgeordnete Giulietto Chiesa. Er hätte „solide Arbeit“ geleistet, heißt es in einer Film-Rezension des „Schattenblick“. Der Film findet sich auf zahlreichen Internetseiten aus dem verschwörungsideologischen Milieu, aber auch auf den Seiten der „Freien Nationalisten Saalfeld“. Der Film wird nicht nur dort als „penibel recherchierte“ Dokumentation beschrieben, die zu „verblüffenden neuen Thesen und Erkenntnissen“ führen würde.
Die Dokumentation erinnert von der Machart an Verschwörungsfilme wie Loose Change oder Zeitgeist. Immer wieder werden Bilder vom 11. September wie in einem Musik-Video aneinandergeschnitten. Mit dem Anruf einer verzweifelten Frau, die aus dem World Trade Center telefonierte und um Hilfe flehte, werden Emotionen geweckt. Die einstürzenden Gebäude sind in Dauerrotation zu sehen. Außerdem gibt Nachrichtenbilder, die in schneller Reihenfolge, an- und ineinander geschnitten werden.
Unterbrochen wird diese Art der Darstellung, die nichts erklären möchte, sondern über Bilder Emotionen transportiert, durch Interviews, die einen Großteil des Films ausmachen. Eine Einordnung der interviewten Personen wird unterlassen. Sie stammen vor allem aus dem Milieu der „Truther“, werden allerdings als Experten für Sprengstoff, Flugzeuge, Stahl und Geheimdienste inszeniert.
Am Anfang des Films darf etwa Nafeez Mossaddeq Ahmed seine Sicht der Dinge darstellen. Er ist ein Autor, der sich sowohl mit dem 11. September 2001 als auch mit den Terroranschlägen am 7. Juli 2005 in London befasst hat. Er fordert in beiden Fällen neue, unabhängige Untersuchungen. Im Film darf Nafeez Mossaddeq Ahmed seine Theorien über den Haftbefehl des FBI zum Besten geben: Er verweist auf die Fahndungsseite des FBI, auf der Osama Bin Laden aufgrund einiger Anschläge in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gesucht wurde und beklagt, dass die Anschläge des 11. September 2001 in diesem Steckbrief nicht erwähnt würden. Dieser Umstand ist für zahlreiche Verschwörungsideologen ein Anlass, die Täterschaft Bin Ladens in Frage zu stellen.
Wie andere Verschwörungsideologen verschweigt Ahmed, dass das FBI Bin Laden in einer ausführliche Version des Steckbriefs sehr wohl mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Verbindung brachte. Diese Hintergründe werden weder vom Ahmed benannt, noch spielen sie in der Dokumentation eine Rolle. Die Filmemacher scheinen sich noch nicht einmal die Mühe gemacht zu haben, beim FBI anzufragen. Dann hätten sie nämlich erfahren, dass Bin Laden – im Falle einer Verhaftung – sicherlich wegen der Terroranschläge vom 11. September 2001 angeklagt worden wäre.
„Da ist kein Geheimnis“, sagte beispielsweise FBI-Sprecher Rex Tomb der „Washington Post“ im Jahr 2006. Doch zwei Jahre später interessierten sich die Filmemacher nicht für derartige Hintergründe, sondern beließen es bei den merkwürdigen Spekulationen des Nafeez Mossaddeq Ahmed.
Nach diesem tendenziösen Beginn zeigt der Film die chronologische Darstellung der Ereignisse des 11. September 2001 und lässt einige traumatisierte Zeitzeugen zu Wort kommen. Kurz darauf ist eine Person zu sehen, deren Anwesenheit man vielleicht nicht in einem derartigen Film erwartet hätte. Es handelt sich um den Schriftsteller Dario Fo, der den Verschwörungstheoretiker gibt und zum Statik-Experten mutiert: Als zerstreuter Professor malt er bunte Bilder auf Flipcharts.
„Weder vor noch nach dem 11. September ist ein Stahlskelett wegen Brand eingestürzt“, darf Les Jamieson ein erstes Fazit ziehen. Man könnte ihm entgegnen, dass weder vor noch nach dem 11. September 2001 Terroristen mit großen Passagiermaschinen ein Hochhaus attackierten; doch dem Film geht es nicht um eine kritische Auseinandersetzung, sondern um Propaganda im Sinne derartiger Verschwörungsideologen.
Les Jamieson, der auch im weiteren Verlauf des Films ausführlich zu Wort kommt, war ein Sprecher von „9/11 Truth Now“ in New York. Jahrelang verbrachte er Samstag für Samstag in der Nähe von Ground Zero, um über die „wahre Agenda“ hinter dem 11. September 2001 aufzuklären. Diese Arbeit zahlte sich aus: Konkurierende Verschwörungsideologen werfen ihm 2009 vor, dass er die „NY 9/11 Truth“-Internetseite kontrollieren würde. Alle Spenden würden auf sein privates Bankkonto fließen, obwohl er niemals in irgendeine Position gewählt worden wäre. Jamieson wurde Veruntreuung von Spendengeldern vorgeworfen: „Er ist einfach nicht ehrlich“, beklagten sich andere Verschwörungsfans.
Im Jahr 2006 kam es zu einem ersten Zerwürfnis, als einige Verschwörungsaktivisten Jamieson vorwarfen, dass er Hassliteratur verbreiten würde. Jamieson verteilte damals das Magazin „Criminal Politics“, in dem es vor antisemitischen Verschwörungstheorien nur so wimmelt. Das Magazin bringt Juden und „Zionisten“ mit dem 11. September und dem Irak-Krieg in Verbindung. Diese Ereignisse seien „die nächsten Schritte der zionistischen Agenda“ gewesen, heißt es in dem Magazin, das von Jamieson verteilt wurde. Zwei Jahre später durfte Jamieson im Film „Zero: An Investigation into 9/11″ sein Fazit ziehen. Die benannten Hintergründe zu dieser Person spielten keine Rolle. Jamieson kommt auch im weiteren Film ausführlich zu Wort, um seine Verschwörungstheorien zu bewerben.
Jamieson führt eine weitere Figur ein. Diese wird als harmloser Mitarbeiter einer Firma vorgestellt, die am offiziellen Untersuchungsbericht zum 11. September 2001 beteiligt gewesen wäre. Es handelt sich um Kevin Ryan, der als „ehemaliger Manager“ eingeführt wird, der aufgrund seiner Erkenntnisse entlassen worden wäre.
Ryan betreibt die Internetseite „Journal of 9/11 Studies“ und geht von einer kontrollierten Sprengung des World Trade Centers aus. Er inszeniert sich als „9/11 Whistleblower“, obwohl er persönlich nicht an den Untersuchungen zum World Trade Center beteiligt war. Dafür ist Ryan eng in die Szene der amerikanischen „Truther“ eingebunden.
Seine Verschwörungstheorien propagiert er in der Sendung des „Patrioten“ Alex Jones, der seine Anhänger_innen unter anderem mit der Theorie begeistert, dass die deutschen Neonazis eine Erfindung des britischen Geheimdienstes seien, der diese bis heute steuern würde. Im Film wird Ryan als glaubwürdiger Zeuge präsentiert, seine Verstrickungen in die Szene der „Truther“ werden hier verschwiegen. Stattdessen wird Ryan als Whistleblower inszeniert, der allerhand Theorien über den Einsturz der World Trade Center darstellen darf, die wiederum als unumstößliche Wahrheit dargestellt werden.
Nachdem der Film einige Fragen aufgeworfen hat, macht er sich daran, die Antwort zu liefern, die von Verschwörungsideologen beworben wird. Die Gebäude des World Trade Centers seien durch Nanothermit gesprengt worden. Natürlich verschweigt der Film die Tatsache, dass für solch eine Sprengung monatelange Arbeiten und hunderte Mitwisser benötigt worden wären. Stattdessen bekommen die Zuschauer bunte Computer-Animationen zu sehen, die wohl nur denjenigen begeistern werden, die an eine große Verschwörung glauben wollen, hinter der amerikanische Institutionen und eine Baufirma stecken sollen.
Hier wird der mittlerweile verstorbene William „Bill“ Christison zitiert, der die Behauptung aufstellte, dass alle Charakteristika auf eine kontrollierte Sprengung hinweisen würden. Er wird als Mitarbeiter des „US-Auslandsgeheimdienst (CIA)“ dargestellt. Das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Christison befand sich seit 1979 im Ruhestand. Auch dieser Umstand wird verschwiegen, um das Bild der angeblichen Verschwörung zu erzeugen.
William Christison war allerdings nicht nur ein Verschwörungstheoretiker, sondern auch ein überzeugter Antisemit. „Zionismus“ war für den Rentner eine „rassistische Ideologie“, die die „Vorherrschaft der Juden“ zementieren sollte. Eine israelische Lobby würde die US-Politik steuern, letztendlich würde der israelische Schwanz mit dem amerikanischen Hund wedeln.
Derartige Thesen propagierte Christison in zahlreichen Artikeln, die im Film „Zero: An Investigation into 9/11″ keine Rolle spielen. Stattdessen geht es um Nanothermit. Hier werden Theorien beworben, die beweisen sollen, dass das World Trade Center durch einen militärrischen Sprengstoff in die Luft gejagt worden wäre. Traumatisierte Zeitzeugen, die eine Explosion gehört haben wollen, sollen die vermeintliche Sprengung untermauern. Doch Beweise bleibt der Film natürlich schuldig.
Nach diesem Abschnitt, der sich mit dem World Trade Center befasst, beschäftigt sich der Film mit dem Angriff auf das Pentagon. Hier wird gleich zu Beginn behauptet:
Anzunehmen, dass dieses angebliche Flugzeug, mit einem Amateur am Steuer, solche Manöver durchführen konnte, ist lächerlich.
Der Film zeigt einige Aufnahmen, die ein von Rauch umhülltes Pentagon zeigen. Auf diesen Aufnahmen ist fast gar nichts zu sehen. Trotzdem moniert sich der Sprecher über den Umstand, dass er keine Flugzeugteile entdecken konnte. Als Zeuge darf sich der Pilot Russ Wittenberg darstellen, der ebenfalls im Milieu der„Truther“ aktiv ist. Er wird im Film als Pilot vorgestellt, der „30 Jahre bei der Luftwaffe, PanAm und United Airlines“ gearbeitet hat. Seine Verstrickungen ins Verschwörungsmileu werden verschwiegen. Doch die haben es in sich.
Wittenberg ist einer der Architekten der „No Plane“ Verschwörungstheorie, die davon ausgeht, dass eine Rakete das Pentagon getroffen hätte. Mit dem Holocaust-Leugner Eric Hufschmid war er für eines der ersten „No Plane“ Machwerke verantwortlich. Es handelt sich um Hufschmids Buch „Painful Questions“, für das Wittenberg die technische Details verantwortete. Doch auch dieser Umstand wird im Film verschwiegen. So kann Wittenberg als vermeintlich unparteiischer Pilot verkauft werden, ohne den Holocaust-Leugner Hufschmid überhaupt erwähnen zu müssen.
Noch unschöner und unglaubwürdiger wird der Film durch die Darstellungen des Dario Fo, der im Teil zum World Trade Center als Statik-Experte auftrat. In diesem Teil des Films mutiert der Autor zum Flugzeugexperten. Dario Fo mag ein guter Dramatiker sein, sein Auftritt als Experte für Statik und Flugzeuge erinnert eher an die schauspielerischen Leistungen in einer Seifenoper. Illustriert wird dieser Klamauk mit zahlreichen Computer-Animationen, die wirklich gut aussehen, doch nicht das Geringste beweisen.
Die Darstellungen von Robin Horden, die in diesem Teil des Films zu sehen sind, beweisen ebenfalls nicht das Geringste. Er wird als „Fluglotse der Bostoner Flugsicherung“ eingeführt. Doch wie üblich handelt es sich hier nur um die halbe Wahrheit.
Hordon arbeitete von 1970 bis 1981 tatsächlich als Fluglotse in Boston, heute scheint er hauptberuflich als „Truther“ aktiv zu sein. Er betreibt die Seite „CIActivism“ und organisiert Veranstaltungen mit „Truthern“ wie Niels Harrit, der ein wichtige Figur in dieser Szene darstellt. Natürlich wird auch Hordon als vermeintlich unparteiischer Zeuge eingeführt, seine Rolle in dem Milieu der „Truther“ wird nicht benannt. Er darf als Flugexperte dienen.
Diese manipulative Darstellung ist typisch für „Zero: An Investigation into 9/11″, in der Robin Horden die Behauptung aufstellt, dass die Entführer nicht die technischen Fähigkeiten gehabt hätten, die Flugzeuge zu steuern. Dass es viele Experten gibt, die anderer Meinung sind, wird verschwiegen.
Ein weiterer Zeuge ist John Judge, der viele andere Verschwörungstheorien propagiert. Beim Jonestown-Massaker, bei dem über 900 Menschen am 18. November 1978 auf Anweisung des Sektenführers Jim Jones einen Massenselbstmord begingen und ihre Kinder ermordeten, konstruiert John Judge beispielsweise eine CIA-Verbindung. Er unterstellt hier eine Gedankenkontrolle durch den Geheimdienst und lobt die Vision des Sektenführers, die auf einen religiösen Steinzeitsozialismus hinauslief. Im Falle des Attentats auf John F. Kennedy betreibt Judge ebenfalls Verschwörungstheorien. Er behauptet: „Die Kugeln kamen aus dem Pentagon“. Der Mörder Lee Harvey Oswald sei nur ein Sündenbock gewesen.
John Judge ist ein Mensch, der sämtliche Attentate verschwörungsideologisch verklärt. Für ihn sind solche Ereignisse immer das Werk finsterer Mächte, die aus dem Pentagon gesteuert werden. Der Film „Zero: An Investigation into 9/11″verschweigt diese Hintergründe, wie bei allen anderen Zeugen, die aus diesem verschwörungsideologischen Milieu stammen.
Judge wird als „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ der ehemaligen Kongressabgeordneten Cynthia McKinney vorgestellt. Diese verlangte eine neue Untersuchung der Ereignisse vom 11. September 2011 und wurde auf diese Art und Weise zu einer Ikone der „Truther“. Natürlich werden diese Umstände im Film nicht erwähnt, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich um unparteiische Personen, denen nur die „Wahrheit“ am Herzen liegen würde.
John Judge dient im Film als weiterer Zeuge, der darüber berichten darf, dass die Maschine, die das Pentagon getroffen hat, angeblich durch Abfangjäger abgefangen werden musste. Das eine Person, die ansonsten von Gedanken-Kontroll-Programmen halluziniert, nicht besonders glaubwürdig ist, steht außer Frage.
Die manipulative Darstellung der interviewten Personen, die den Film wie einen roten Faden durchzieht, lässt sich auch an der Person Robert Bowman festmachen. Der wird als „Pilot und Vietnam Veteran“ eingeführt; dabei ist er „National Commander“ einer rechten Vereinigung namens „The Patriots“, die vor illegalen Einwanderern und einer „globalen Geld-Elite“ warnt. Außerdem fordert Bowman eine Art Querfront: „Left and Right together“, heißt es auf seiner Internetseite. Seine politische Positionierungen, zwischen Rassismus, strukturellem Antisemitismus und der Querfront, wird im Film nicht erwähnt.
In diesem Abschnitt, der sich um das Pentagon dreht, geht es um die Frage, warum die entführten Flugzeuge nicht abgefangen wurden. Hier sind die bekannten Gesichter zu sehen, die sich als Experten generieren, obwohl sie lediglich Verschwörungsideologie zum Besten geben. Beim Stelldichein der Verschwörungsideologen kommen Robin Horden und John Judge, zu Wort. „Es war das Pentagon“, lautet das Urteil dieser Pseudo-Experten, deren Thesen mal wieder durch bunte Computer-Animationen und Comicsequenzen unterlegt werden.
Der letzte inhaltliche Abschnitt von „Zero: An Investigation into 9/11″ beschäftigt sich mit den Attentätern vom 11. September. Nafeez Mossaddeq Ahmed verneint, dass es sich bei den Tätern um„islamische Fundamentalisten“ gehandelt habe. Weil der fanatische Antisemit Mohammed Atta Alkohol getrunken und Cannabis geraucht hätte, könnne er kein „islamischer Fundamentalist“ gewesen sein. Nach dieser Definition kann auch Osama Bin Laden kein „islamischer Fundamentalist“ gewesen sein, schließlich wurde in seinem Nachlass auch eine beachtliche pornografische Sammlung entdeckt. Der Film beschäftigt sich mit den Entführern der Flugzeuge. Sie seien „Sündenbocke“ gewesen, darf Webster Tarpley behaupten.
Tarpley ist eine zentrale Figur im Netzwerk der „Truther“. Zwischen 1970 und 1990 stand er der sogenannten LaRouche Bewegung des antisemitischen Verschwörungsideologen Lyndon LaRouche, nahe. Nach seinem Bruch mit dieser Bewegung verfasste er weiterhin verschwörungsideologische Pamphlete, die in Deutschland unter anderem durch den rechten Kopp-Verlag verbreitet werden.
Tarpley behauptet, dass der erste und der zweite Weltkrieg von Großbritannien geplant und fingiert wurde, „um die Macht des Empires über die Welt weiter zu vergrößern und so die Weltherrschaft zu erringen“. Im Film wird Tarpley nicht als geschichtsrevisionistischer Verschwörungsideologe dargestellt, sondern als „Autor“ eingeführt, der dort seine Ideen über den 11. September 2001 berichten darf. Eine Einordnung dieser Person unterbleibt vollkommen.
Tarpley und seine Kompagnons geben sich in dem folgenden Minuten reichlich Mühe, den Zweifel zu streuen, der notwendig ist, um die Täter und Osama Bin Laden zu entlasten. Da werden zum Beispiel verschiedene Videos verglichen, die Osama Bin Laden zeigen: Weil er auf dem einen Video einen grauen Bart besitzt und in einem anderen – späteren – Video einen schwarzen, müsse eines der Videos gefälscht sein, behauptet Giulietto Chiesa. Man sollte ihn daran erinnern, dass auch ein Bin Laden ein Haarfärbemittel verwendet haben könnte. Doch diese Möglichkeit wird einfach ausgeblendet. Es geht schließlich darum, eine Verschwörungstheorie zu propagieren, die davon ausgeht, dass sämtliche Bin Laden Videos gefälscht seien.
Der absolute Tiefpunkt des Films ist in dem Moment erreicht, als ein deutscher Verschwörungsideologe zu Wort kommt. Es handelt sich um Jürgen Elsässer, Vordenker der Gruppe „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ und Herausgeber einer Zeitschrift namens „Compact“, in der sich rechte und linke Verschwörungsideologen als Autoren betätigen. „CIA-Agent bin Laden“, lautet ein Titel.
Jürgen Elsässer arbeitet an einer Querfront, bei der „Linke, Rechte“ und „Religiöse“ die „Globalisten“ vereint „schlagen“ sollen. Dafür organisierte er zum zehnten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 eine Konferenz in Leipzig, auf der das Who’s Who der deutschen Verschwörungsideologie auftrat.
Neben Elsässer, der dort für die Querfront warb, trat dort auch Alexander Benesch, Betreiber der Internetseite „Infokrieg.tv“, auf. Gefilmt wurde die Verschwörungs-Konferenz unter anderem von den Machern von „Exopolitik Deutschland“. Hier handelt es sich um eine Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat „die Verschleierung der außerirdischen Präsenz auf der Erde“ aufzudecken. Im Film darf Elsässer die Terroristen von „Al-Qaeda“ als „Fake“ bezeichnen. Sie seien nichts anderes als Marionetten der amerikanischen Geheimdienste gewesen.
Die Märchen der Amanda Keller, die zeitweilig behauptete, eine Freundin Mohammed Attas gewesen zu sein, wird im Film breiter Raum eingeräumt. Dabei hatte Amanda Keller ihrer Geschichte bereits 2006 widerrufen. Dieser Umstand hat Verschwörungsideologen allerdings nicht davon abgehalten, dieses Märchen von der vermeintlichen Beziehung weiter zu kolportieren. 2008 findet sich diese Geschichte im Film „Zero: An Investigation into 9/11″ wieder.
Sie geht unter anderem auf den Verschwörungsideologen Daniel Hopsicker zurück, der ebenfalls im Film zu Wort kommt. Hopsicker ist ein Multiplikator der Ideen der „American Free Press“, einer antisemitischen Zeitschrift, die unter anderem von James P. Tucker herausgeben wird.
In Hopstickers Film „Masters Of The Universe“ aus dem Jahr 2000 kommen zahlreiche Antisemiten zu Wort. Am häufigsten ist Eustace Mullins zu sehen, der eine antisemitische Hetzschrift namens „The Biological Jew“ herausgegeben hat. In diesem Machwerk werden Juden als „Parasiten“ bezeichnet.
Hopsicker trat im Jahr 2002 mit seinem Text„Mohammed Atta and his flying circus“ auf einer Konferenz des Holocaust-Leugners David Irving auf. Dieser Text findet sich auf zahlreichen Internetseiten der extremen Rechten, so auch auf den Seiten der„American Free Press“. Im Jahr 2008 ist Hopsicker trotz oder wegen dieser politischen Positionierung ein wichtiger Protagonist im Film „Zero: An Investigation into 9/11″. Hier darf diese Figur die Behauptung aufstellen, dass Mohammed Atta in einer amerikanischen Militäreinrichtung ausgebildet worden wäre.
Mit dieser Behauptung geht es dem Ende des Films „Zero: An Investigation into 9/11″ entgegen. Verschwörungsideologen geht es darum, die wahren Täter zu entlasten und ihre Taten der amerikanischen Regierung anzulasten, der alles Böse zugetraut wird. Daher dürfte das Ende des Films nicht überraschen, das genau auf eine solche Verschwörungstheorie hinausläuft.
Derartige Theorien werden von einem ganzen Netzwerk, bestehend aus „Truthern“, „Wahrheitsbewegten“ und „Infokriegern“ propagiert. Die Personen in diesem Milieu inszenieren sich als Experten; auf ihrem Maskenball mutieren sie zu Statik-, Flugzeug-, Sprengstoff- und Geheimdienst-Spezialisten. Ihre Theorien propagieren sie mit Vorträgen, auf Aufmärschen und in den Filmen, die sich bei YouTube so großer Beliebtheit erfreuen. Der Film „Zero: An Investigation into 9/11″ ist Teil dieser Maskerade der selbsternannten Experten.
Er verrät nichts über die realen Ereignisse am 11. September 2001, sondern betreibt eine Mystifizierung der Verhältnisse. Hier werden die USA dämonisiert, indem ihre damalige Regierung und die Geheimdienste für die Geschehnisse des 11. September 2001 verantwortlich gemacht werden.
Der Film bietet keine „verblüffenden neuen Thesen und Erkenntnissen“, sondern bewirbt die Theorien, die Verschwörungsideologen seitdem 11. September 2001 propagieren. Diese Verschwörungsideologen bekommen auch mit diesem Film eine Spielwiese geboten, um ihre reaktionären Gedanken zu verbreiten.
„Zero: An Investigation into 9/11″ bietet nichts anderes als plumpe Propaganda, nichts anderes als verdichtete Verschwörungsideologie. Wer sich Erkenntnisgewinne und Aufklärung über die Ereignisse des 11. Septembers 2001 verspricht, dürfte enttäuscht werden. Wer sich jedoch für anti-amerikanische Märchen begeistert, dürfte auch mit diesem Film zufriedenzustellen sein.