Schablonen der Gewalt

In ver­schie­de­nen Sci­ence ​Fic­tion ​Se­ri­en haben Nazis ihre Wie­der­auf­er­ste­hung fei­ern dür­fen. Ein Bei­spiel fin­det sich in der in den 60er Jah­ren ge­dreh­ten Sci­ence-​Fic­tion Serie Star Trek, die in den Deutschland als„Raumschiff Enterprise” ausgestrahlt wurde. Hier ging es um die Aben­teu­er der der Crew, die dabei in Ga­la­xi­en vor­drang, die nie ein Mensch zuvor ge­se­hen hatte. Die Mannschaft um Cap­tain Kirk und den ersten Offizier Spock er­leb­te wilde Aben­teu­er im Welt­raum: Man be­kämpf­te böse Au­ßer­ir­di­sche, reis­te durch die Zeit und be­such­te eine Viel­zahl von Pla­ne­ten.

Auf der einen Seite handeltes es sich also um Western im Weltall, auf der anderen Seite war die Serie für ihre Zeit durchaus revolutionär. Zumindest die Trennung in Staaten und Nationen war aufgehoben, auf der Enterprise arbeiten Menschen unterschiedlichster Herkunft, allerdings in einer militärischen Hirachie. In Zeiten, in denen die „Rassentrennung” existierte, war dies durchaus ungewöhnlich, auch wenn die Handlung in einer fernen Zukunft spielte. Die Kommunikationsoffizierin Lieutenant Nyota Penda Uhura (Nichele Nichols) war die erste Afroamerikanerin in einer großen amerikanischen Serie. Verschiedene TV-Stationen in den Südstaate drohten damals die Serie nicht auszustrahlen. In der Folge „Platons Kinder”war der erste Kuss zwischen einer Afroamerikanerin und dem weißen Captain Kirk im amerikanischen Fernsehen zu sehen. Für damalige Zeiten ein ungeheuerer Skandal, in den Südstaaten der USA wurde diese Folge damals nicht ausgestrahlt.

Selbst der „Kalte Krieg” schien in ferner Zukunft überwunden zu sein. Auf der Enterprise lebte beispielsweise Pavel Checkov (Walter Koenig), der durch seinen Akzent als Russe erkennbar war. In den späteren Filmen wurde die Auseinandersetzung zwischen der Sowjetunion und den USA ein weiteres mal aufgegriffen. Im vierten Teil der Filmreihe wird der „Kalte Krieg” ganz deutlich als anarchronistischer Konflikt dargestellt. Dies sind die durchaus positiven Seiten einer Serie, deren kulturelle Kraft nicht zu unterschätzen ist.

Natürlich gibt es auch negative Seiten: Die Trennung in das Konstrukt „Geschlecht” wird in keiner Episode kritisiert. Captain Kirk wird als Draufgänger inszeniert, dem die Frauen zu Füßen liegen. Diese spielen innerhalb der Crew eine untergeordnete Rolle, Lieutenant Uhura ist die einzige Frau auf der Brücke. Andere Frauen sind bestenfalls Assistentinnen, ansonsten beschränkt sich ihre Rolle darauf, als hilflose, kreischende Objekte dargestellt zu werden, die nach kurzer Zeit vom Captain erobert werden.

Zu den negativen Seiten zählt sicherlich auch die Folge „Scha­blo­nen der Ge­walt“, die zwar in den Südstaaten der USA zu sehen war, dafür al­ler­dings nie im deut­schen Free-​TV. Die Folge wurde erst dreißig Jahre nach der Erstausstahlung, im Jahr 1996 syn­chro­ni­siert, als die gesammelten Abenteuer des Raumschiffs Enterprise auf Videokassetten veröffentlicht wurden. Dabei zeigt diese Folge das es sich bei Star Trek auch um seich­te und ba­na­le Un­ter­hal­tung han­delt, in der his­to­ri­sche Kon­flik­te le­dig­lich als Scha­blo­nen die­nen. Kon­flik­te kön­nen damit ver­harm­lost wer­den, weil sie nicht das his­to­ri­sche Grau­en be­schrei­ben kön­nen und wol­len. Dies trifft auf alle Folgen zu, in denen der Nationalsozialismus eine Rolle spielt.

Die Hand­lung die­ser Folge ist schnell be­schrie­ben: Als sich das Raum­schiff En­t­er­pri­se einem be­wohn­ten Pla­ne­ten nä­hert, wird es be­schos­sen. Ein Team um Cap­tain Kirk beamt auf den Pla­ne­ten und ent­deckt eine entwickelte Na­zi­ge­sell­schaft. Diese ist allerdings nicht aus dem Nichts entstanden, sondern wurde von Captain Kirks altem Leh­rer Gill ge­schaf­fen. Dieser glaubt im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus eine leis­tungs­fä­hi­ge Form der ge­sell­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on ge­fun­den zu haben. Für Gill war der historische Nationalsozialismus der „ef­fek­tivs­te Staat aller Zei­ten“. Doch Gil ist nicht der alleinige „Führer”, er wird von einigen Un­ter­ge­be­nen unter Dro­gen ge­setzt: Diese haben seine Idee vom einem „guten” Nationalsozialismus pervertiert. Aus dem neuen „Füh­rer“ wird so ein In­stru­ment im Kampf gegen die „Zeo­nis­ten“, die von den neuen Nazis brutal unterdrückt werden und ein Leben im Untergrund fristen.

Um ins „Füh­rer­haupt­quar­tier“ vor­zu­drin­gen, ver­klei­den sich der toll­küh­ne Cap­tain Kirk und sein Ad­ju­tant Spock als Nazis. Die Dialoge strotzen hier von plumpen Witzchen, die auf die Nazi-Uniformen anspielen. Der erste Of­fi­zier Spock darf le­dig­lich eine SS-​Wehr­machts­uni­form tra­gen. O-Ton Kirk:

Ja, es ist scha­de, dass Ihre nicht so at­trak­tiv ist wie meine. Ge­sta­po, glau­be ich.

Die Crew der Enterprise möchte Gill von den Dro­gen zu be­frei­en. Ob das gelingt müssen die geneigten Leser_innen selber erschauen, allerdings sei ein Teil des Endes verraten. Die Bewohner des Planeten beschließen am Ende der Folge nun die Ideale des Nationalsozialismus umzusetzen und diesmal einen „guten” Nationalsozialismus zu schaffen. Hier wird also nicht gezeigt, dass jedwede Form des Nationalsozialismus eine barbarische, antisemitische und rassistische Form der gesellschaftlichen Organisierung darstellt, sondern es wird — ganz offen — über die Möglichkeit spekuliert, dass es eben jenen „guten” Nationalsozialismus geben könnte, in dem die negativen Seiten überwunden werden können. Dies ist die verharmlosende Pointe der Folge, bei der sich sicherlich viele Zuschauer_innen fragen, welche Drogen die Drehbuchschreiber_innen genommen haben, um einen derartigen Fernseh-Müll zu produzieren.

Der einzige Lichtblick sind die he­roi­schen Zeo­nis­ten, gruselig hingegen die Nazis, die als verführte Idealisten dargestellt werden. Nach diesem Fernseh-Desaster haben die Macher_innen der Serie allerdings nicht davon Abstand genommen, den Nationalsozialismus in den späteren Science-Fiction-Serien herauszugreifen, allerdings sind diese Folgen nicht ganz so plump wie die originale Enterprise-Folge „Schablonen der Gewalt”

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