Die Juni-Ausgabe des “blickpunkt”, publiziert durch eine hessische Ortsgruppe der “Deutschen Kommunistischen Partei” (DKP), illustriert den ideologischen Zustand dieser Struktur. In ihrer Zeitschrift suhlt sich die DKP Mörfelden-Walldorf im traditionsreichen Anti-Amerikanismus, dessen Triebkraft die Liebe zur deutschen Heimat ist. “Ami go Home”, heißt es daher auf der fünften Seite des DKP-Blattes, das sich ansonsten gegen konkrete “Steuerhinterzieher” wie Uli Hoeneß sowie bestimmte Unternehmen wie “Google, Amazon, Ikea, Starbucks und Co” wendet, was viel über die Analysen des deutschen Sozialismus offenbart.
Der “Blickpunkt” enthält eine Geschichtsrubrik. Im Juni veröffentlichten die Sozialist_innen dort ein altes Foto [PDF]. Zu sehen ist eine Parole, die Akteure der “Freien Deutschen Jugend” (FDJ) in den 1950er Jahren auf eine hessische Hauswand schmierten. “Ami Go Home”, lautete die Kampfansage, die Mitglieder des stalinistischen Jugendverbandes hinterließen. Um gegen die Vereinigten Staaten von Amerika zu mobilisieren, die wenige Jahre zuvor maßgeblich zur Zerschlagung des nationalsozialistischen Vernichtungsprojekts beitrugen, verwendeten diese Jugendlichen eine anti-amerikanische Parole, die meine Großmutter bereits im Mai 1945 brüllte, als sie herannahende US-Panzer mit ihrem BDM-Trupp und einer Hakenkreuzfahne begrüßte.
Kader der FDJ nutzten den Slogan, sodass er nach 1945 in linksdeutschen Songs und als Demo-Parole rege Verwendung fand. In Ost und West setzten sie auf einen Inhalt, der im postnazistischen Deutschland großen Erfolg versprach, weil er bereits zuvor allgemeine Geisteshaltung war. Schließlich galten die USA als Verkörperung der verachteten Moderne. Auch deutsche Linke inszenierten sich als Feinde der USA, wobei sie ihre Liebe zum Land und zur Scholle betonten. Ernst Busch warnte folglich vor dem Weltkrieg. “Aber das wird nicht geschehen, denn wir wollen nicht untergehen, und so rufen wir durch unser deutsches Land: Go home, Ami, Ami go home”, sang der Stalinist. “Sag ‘good bye’ dem Vater Rhein, rühre nicht an sein Töchterlein; Lorelei, solang du singst, wird Deutschland sein”, hieß es in offener Anknüpfung an deutschnationale Mythen der Reaktion.
In der Lokalpostille der DKP Möhrfelden-Walldorf findet sich nicht nur das Foto mit der anti-amerikanischen Forderung, die nicht nur 1945 gegen die US-Army erhoben wurde, sondern sehr ähnlicher Heimatschutz. Im begleitenden Artikel schildert die Ortsgruppe den Zustand der proletarischen Ansiedlung, die diesem sozialdemokratischen Bürgerverein nicht gefällt, weil “große Zeugnisse der Vergangenheit fehlen”. Mit Wehmut erinnert der Verein, dass “einst eine ‘Burg'” existierte, in der “Kaiser Heinrich II. samt Gefolge Quartier” nahmen. Die Schmonzette mit Burg, Monarchen und FDJ-Graffiti geht mit einer Anklage gegen die verhasste Moderne einher: “Ein historischer Platz also. Eine heimatverbundenere Stadtplanung hätte sie beachtet. Heute steht dort ein ausdrucksloses Betonbauwerk”, klagt diese Ortsgruppe der linksdeutschen Kleinpartei.
Dabei bezieht sich die DKP auf einen ehemaligen Gemeindepfarrer, der sich als echter Konservativer erwies, als “die letzten Zeugen Möhrfelder Ortsgeschichte den Planiergeräten überlassen wurden”. Mitte der 1960er stellte der deutsche Pfaffe die rhetorische Frage, ob “nur noch Raum für geschichtslose Technokratie und Bürokratie ist“. Heute reproduziert die Ortsgruppe einer Partei, die sich als kommunistisch versteht, die Sätze dieses christlichen Heimatschützers. Die Feindschaft zur Moderne vereint den schon lange verstorbenen Pfaffen und die dahinsiechende Gruppierung.
Dass die USA für allgemeine kapitalistische Entwicklungstendenzen wie den Städtebau verantwortlich sein sollen, gehört indes zu einem anti-amerikanischen Erklärungsmuster, das die hiesige Mehrheitsgesellschaft in unterschiedlichen Formen prägt. Die DKP Möhrfelden-Walldorf ist einer linken Variante dieses alten Ressentiments verfallen. Sie reproduziert 2018 die postnazistische Parole aus den 1950ern, die meine BDM-Verwandschaft schon 1945 schrie, als die US-Panzer endlich ihre dörfliche Volksgemeinschaft zerschlugen. Sicher ist mit solch einer Partei keine “Bewegung” zu machen ist, “die den jetzigen Zustand aufhebt”. Nötig wären ganz andere Strukturen, die eine Kritik des Anti-Amerikanismus betreiben und mit Marx den deutschen Zuständen den Krieg erklären.