Deutschland als angeblicher „Vasall“ des „Großen Bruders“, den Vereinigten Staaten von Amerika, Verschwörungstheorien zum 11. September, Verharmlosung des iranischen Atomprogramms und eine Huldigung des „Volkes“, das sich gegen „den Ami“ zur Wehr setzt. Was sich anhört wie Nazipropaganda, stammt aus einer ganz normalen deutschen Radiosendung, die sich über das Internet so schnell verbreitet wie eine Lawine den Berg hinunterrutscht. Die Rede ist von „KenFM“, gesendet im Radio „Fritz“.
In dem Beitrag gibt sich „KenFM“, alias Ken Jebsen, reichlich Mühe, Wikileaks und deren Gründer, dem Rockstar Julian Assange, zu huldigen. Diese hätten keine Daten gestohlen: „Das Wort gestohlen passt bei Wikileaks nicht, die US-Regierung ist weiterhin im Besitz“ der Originale, heißt es in dem Beitrag. Eine merkwürdige Begründung: Würde ich den neuesten Harry Potter Film ins Internet stellen und der Allgemeinheit zugänglich machen, würde mir die Rechtfertigung, dass die Kinos ja noch im Besitz des Originales seien, wenig bringen. Tatsache ist, dass die Daten die Wikileaks veröffentlichte, natürlich gestohlen wurden; damit habe ich im Übrigen, wie beim Harry Potter Film, kein Problem.
Mein Problem lautet nicht Wikileaks. Es geht mir viel eher um die Verteidiger_innen des Julian Assange, die oftmals die Vorwürfe gegen den Alleinherrscher und Obermacker des Projekts Wikileaks, mit einem Augenzwinkern oder gar einer Verschwörungstheorie beantworten. Auch diese Inhalte finden sich im Beitrag von „Ken FM“: Julian Assange wäre aufgrund der Wikileaks-Veröffentlichungen verhaftet worden. Dem hätte man „noch einen Grund“ – die „Vergewaltigung“ – draufgepackt, heißt es im Beitrag von„KenFM“: „Ist diese ‚Vergewaltigung‘ vielleicht genauso bewiesen, wie seinerzeit die Massenvernichtungswaffen im Irak?“, fragt sich der Moderator, zu dessen Stil es gehört, möglichst viele Sätze in einer Minute herunterzurasseln.
Es folgt eine Huldigung des angeblich unabhängigen Internets und eine Kritik der sogenannten„Massenmedien“, zu denen sich „KenFM“ nicht zu zählen scheint, obwohl seine Sendung in einem klassischen Massenmedium, in einem staatlichen deutschen Radiosender, zu hören ist.
Im weiteren Verlauf des Beitrags geht um die fiesen Pläne der „Mächtigen“. Wenn diese „Mächtigen“ den Iran angreifen, würden sie das „Volk“ mit der „Erfindung“ von Massenvernichtungswaffen vorbereiten. Vom Atomprogramm des iranischen Regimes, seinen Raketen und der ständigen Vernichtungsdrohung gegen Israel schweigt „KenFM“. Stattdessen geht es um Deutschland: „Deutschland ist ein Vasall. Ein US-Außenposten“, der „dem Ami“ folgen würde, heißt es im Radiobericht, der an dieser Stelle an die antiamerikanische Nazi-Propaganda vom angeblich unterdrückten deutschen Staat, der zum kolonialen Gebilde der USA gemacht wird, erinnert.
Dazu passen die Theorien rund um den 11. September 2001. „KenFM“ behauptet, dass „kritische Fragen“rund um dieses Datum „Tabu“ seien. Ganz so, als würde es keinen Markt für die obskursten Verschwörungstheorien geben, der von einer ganzen Industrie bedient wird. „Kritische Fragen, von denen gibt es hunderte, werden nicht gestellt“, behauptet der Radio-Mann. Ganz so, als würde es nicht hunderte von Büchern, tausende von Youtube-Filmchen und hunderttausende Internetseiten rund um dieses historische Datum geben, mit denen die historischen Ereignisse in Frage gestellt werden.
Da ist es nur konsequent, dass der Radio-Mann zur Jagd auf die „Volksvertreter“ der USA aufruft: „Sie laufen immer noch frei herum“, klagt „KenFM“ und behauptet, dass die Regierung der USA die „Meinungsfreiheit“ bekämpfen würde. Ganz so, als sei diese bürgerliche Demokratie eine Art faschistoide Diktatur, gegen die „das Volk global aufbegehrt“, was dann wiederum eine idealistische Form der„Demokratie“ darstellen soll.
Der Beitrag von „KenFM“ macht eines deutlich: Innerhalb der innerdeutschen Debatte um Wikileaks geht es vor allem um die Bestätigung von antiamerikanischen Vorurteilen. Seine Positionierung könnte, in ähnlicher Form, auch von irgendwelchen Nazis kommen, die die Bundesrepublik ebenfalls als „Vasall“ der USA imaginieren.
Hier geht es nicht um Aufklärung und erst recht nicht um die Wahrheit; hier geht es darum, den Hass auf die Vereinigten Staaten von Amerika zu artikulieren und Julian Assange zum Über-Opfer zu machen. Kein Wunder, dass der vor einigen Tagen veröffentlichte Beitrag bereits mehr als hunderttausend Mal bei Youtube angeklickt wurde und sich bei Anti-Amerikaner_innen jedweder Couleur großer Beliebtheit erfreut. Der Hass auf die Vereinigten Staaten geht sogar so weit, dass ein Julian Assange als eine Art moderner Robin Hood gefeiert wird. „KenFM“ ist lediglich ein Beispiel für diese deutschen Zustände, denen man den Krieg erklären sollte.
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