Mythen

Mythen der Neuzeit. Informationen über verschwörungsidelogische Konstrukte.

Fahnenfest in Frankfurt

Am 1. September 2012 liefen zum „Weltfriedenstag” etwa 600 Menschen durch die Innenstadt der Stadt Frankfurt. Sie taten das nicht, um die Toten in Syrien zu betrauern oder um sich mit den marginalen emanzipatorischen Kräften zu solidarisieren, sondern um eine Partei zu bejubeln, die für das Schlachten verantwortlich ist.

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Das Zitat

Würden die Menschen verstehen, wie unser Geldsystem funktioniert, hätten wir eine Revolution – und zwar schon morgen früh.

Mit diesem Zitat wird Politik gemacht. Es findet sich in den Büchern deutscher Verschwörungsideologen, auf den Plakaten von Occupy-Aktivisten und auf den Internetseiten der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD). Es wird ab– und umgewandelt und hat verschiedene Formen angenommen, die sich doch alle ähneln.

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Der Waldorf-Heiler

Er ist eine lebende Legende der Waldorf-Fans, die in der niedersächischen Kleinstadt Oldenburg zahlreiche Institutionen, wie zum Beispiel die örtliche Waldorfschule, gegründet haben. Der anthroposophische Doktor, der auf den Namen Ingo Junge hört, gilt in den Waldorf-Kreisen seiner Heimatstadt als eine Art Wunderheiler, der immer ein Globuli oder eine Paste kennt, mit der das Weh-Wehchen oder die potentiell tödliche Krankheit bekämpft werden sollte. Außerdem hält der anthroposophische Vordenker, an den Waldorfschulen und Biohöfen der Region, den ein oder anderen Vortrag, in dem es um die anthroposophischen Inhalte geht, die auch an Waldorfschulen vermittelt werden. Dann lauschen die Anhänger_innen der Anthroposophie dem kleine Guru, der die Ideen des Obergurus  auf seine Weise reproduziert.

Dieser große Guru, ein Herr namens Rudolf Steiner schuf den anthroposophischen Kosmos, ein riesiges Planetarium voller Wesenheiten. Nordische Götter, Zwerge, Erzengel und andere Fantasy-Figuren. Diese bevölkern die hiesige Welt, in die der Mensch immer wieder inkarniert, um eine höhere Bewustseinstufe zu erreichen. Neben diesen irrationalen esoterischen Ideen, vertrat Steiner aber auch eine Rassenlehre, in dem er zu Beispiel über das „starke Triebleben” des „Neger” schwadronierte oder Jüdinnen und Juden als „Zersetzungsferment” bezeichnete. Außerdem spaltete der fleißige Oberguru den Menschen in verschiedene „Wesensglieder” auf und erfand „Ätherleibe” und „Astralkörper”, die wichtige Teile des Menschen darstellen sollen, von denen die Biologie aber noch nie etwas gehört hat. Auf den Oberguru Steiner ist auch eine wahn-witzige Bewegungslehre zurückzuführen, die „Eurythmie” genannt wird und mit der die Waldorfschüler_innen auch heutzutage gequält werden. Bis heute wird der Vordenker der Anthroposophie, auf den die biologisch-dynamische Landwirtschaft und die Waldorfschulen zurückzuführen sind, in seinen Kreisen fast abgöttisch verehrt. Bis heute gibt es Menschen, die die Ideen und die Sprache des Vordenkers übernehmen, um das anthroposophische Weltbild zu bewerben.

Ingo Junge, der Waldorf-Heiler aus dem niedersächsischen Oldenburg, hält zum Beispiel Vorträge, die so beschauliche Titel wie „Die Bedeutung des Kosmos für die menschliche Entwicklung” tragen und mit denen der kleine Guru die Ideen des großen Gurus bewirbt. In anderen Vorträgen beschäftigt sich der Doktor mit „Planetenklängen”, dem „Christus-Impuls” oder dem„Hereinwirken geistiger Hierarchien in die Erdenregion”. Seine Werke werden eifrig in den esoterischen Zirkeln der Region debattiert. Dort wird man sicherlich auch auf andere Vorträge des Waldorf-Heilers zurückgreifen, die mit dem bezeichnenden Vermerk versehen werden, dass ein „Urteil über den Inhalt nur dem Personenkreis zugestanden werden kann, der (…) über ein fundiertes Wissen über die Anthroposophie” verfügt.

In diesen Vorträgen erklärt der Waldorf-Heiler seinen „lieben Freunden” zum Beispiel, dass die Krankheit Alzheimer auch auf die staatliche Vorschulerziehung zurückzuführen sei: „Wurde aber alles Mögliche in die kindliche Seele hineingestopft, so sieht es im Alter oftmals düster aus. Denken wir nur an die Alzheimer Krankheit, die in der Vorschulerziehung ihre Ursachen haben kann”. Dieser Gefahr solle man die „Stimmung zum Gebet” und die „frohe Anerkennung der Autorität” entgegensetzen. Ansonsten können die teuflischen „Widersacher”„Luzifer” und „Ahriman”, auf „unserer Erde Einfluss auf den (…) Menschen gewinnen”. Hier sollen die Ideen des großen und kleinen Gurus helfen, die auf das „Christus-Prinzip” verweisen: Das Leben müsse „durchchristet” werden, fordert Ingo Junge.

Krankheiten werden vom Waldorf-Heiler, der tatsächlich als praktischer Arzt tätig war, begeistert kommentiert. Junge warnt vor der „Wirkung irgendwelcher Chemikalien” und vor „Schmerzmitteln”, die nur dafür sorgen würden, dass die Krankheit „an anderer Stelle wieder” auftreten würde. So sei eine kleine Lungenentzündung eigentlich etwas Gutes: Sie müsse „im Grunde angesehen werden als der Versuch (…) die Summe von jahrelang angestauten Schädlichkeiten zu überwinden”. Würde man nun mit Medizin gegen die Krankheit vorgehen, könne diese „Jahre später erneut als Rheumatismus” auftreten. Schmerzmittel würde in Wirklichkeit dazu führen, dass sich die „äußeren Schmerzen in Seelenschmerzen” verwandeln1. Mit diesen possierlichen Erklärungen begeistert er seine Anhänger_innen. Die Jünger des Dr. Junge verzichten 0ftmals auf echte Medizin, man kann ja auch das ein oder andere Gebet sprechen und Globulis konsumieren.

Der Waldorf-Heiler ist außerdem auch politisch aktiv. Er war Mitbegründer der Initiative „Patienten helfen Patienten”, die in Oldenburg gegen die „Gesundheitsdeformation” vorging. Dabei wurden er und seine Anhänger_innen von verschiedenen sozialen Initiativen — von der Arbeitslosenberatung bis zum Sozialreferat des AStA — unterstützt. Die Initiative forderte eine „Erstattung” von „Naturheilmitteln” durch die Krankenkassen. Der anthroposophische Doktor wollte schließlich, dass die Globulis, Pasten und Kügelchen, deren medizinische Wirkung man durchaus in Frage stellen kann, auch in Zukunft durch die Krankenkassen finanziert werden.

Neben der irrationalen Verklärung der Welt und der politischen Arbeit für „Naturheilmittel” ist der Doktor auch noch für weitere gesellschaftliche Zusammenhängen relevant. Er ist ein Kronzeuge des „Chemtrail”–Ideologen Werner Altnickel, der den Waldorf-Heiler in seinen Vorträgen erwähnt, um seinen „Chemtrail”–Ideen einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. Der Verschwörungsideologe, der ebenfalls in Oldenburg lebt, glaubt tatsächlich, dass ein Teil der bekannten Kondensstreifen von Flugzeugen bestimmte Substanzen enthält, mit denen das Wetter manipuliert und die Menschen vergiftet werden: „Es geht um die strategische Zerstörung jeglicher Naturgrundlage”, fürchtet der umtriebige Verschwörungsgläubige. Ansonsten fabuliert er von geheimnisvollen israelischen Laserstrahlen oder von ebenso mysteriösen amerikanischen Erdbebenwaffen. In diesem Zusammenhang propagiert er antisemitische Verschwörungsmythen, in denen er vor den „Rothschilds” warnt, denen er eine unglaubliche Macht nachsagt. In seinen Vorträgen erwähnt er aber nicht nur „die Rothschilds” und geheimnisvolle Superwaffen, sondern auch den Waldorf-Heiler, der seinen verschwörungsideologischen Wahn zumindest teilweise teilt und als Kronzeuge für die Propaganda des Chemtrail-Gurus dient.

„Ich habe im Jahre 2005 den praktischen Arzt Dr. Junge aus Oldenburg zu den Auswirkungen von Chemtrail-Fallout auf die Gesundheit seiner Patienten befragt. Er bestätigte ansteigende Zahlen und Verläufe bestimmter Krankheiten seit 2003″, jubiliert der Chemtrail-Ideologe über ein Video, das er allerdings erst in diesem Jahr ins Internet gestellt hat. Dort äußert sich der esoterische Waldorf-Heiler über jene angeblichen „Chemtrails”, die bei seinen Patienten zu Atemnot, Heiserkeit, Schwindelgefühlen und Augenbeschwerden führen würden. Angesichts der sonstigen Ideen des Waldorf-Heilers ist es nicht verwunderlich, dass dieser auch die in der Realität nicht existenten „Chemtrails für eine reale Gefahr hält. Doch auch dagegen gibt es sicher ein Globuli oder ein Gebet, das der anthroposophische Doktor empfehlen kann.

  1. Alle Junge-Zitate stammen, soweit nicht anders angegeben, aus folgender Quelle: Dr. Ingo Junge: Die Bedeutung der Anthroposophie für praktische Lebensfragen. Vortrag vom 5. und 6. Februar 1999. Initiative zur Förderung der Vertragsarbeit im Freien Therapeutikum. Oldenburg, 1999
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Grabkerzen für den Frieden

Ab dem 15.09. wird zurück gefriedet”, freuen sich die Organisator_innen. Mit dem abgewandelten Hitler-Zitat rufen sie zur „Friedensdemonstration” in Berlin auf. Am  15. 09. 2012 wollen sich deutsche Friedensfreunde und die kläglichen Reste der so genannten Occupy-Bewegung in Berlin versammeln, um für „Frieden und Völkerverständigung in der Welt” zu marschieren. Dabei hat man sich einer merkwürdigen Symbolik verschrieben.

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Interview zur Bandbreite

An dieser Stelle ein Interview, das ich in dieser Woche mit Radio Corax geführt habe. Dieses Mal geht es um die verschwörungsideologische Band „Die Bandbreite”. Im Interview gehe ich auf die Inhalte und die verschiedenen Auftritte der Band ein, die den Soundtrack für „Truther” und „Infokrieger” produziert. Außerdem geht es um das Lob von Nazis und andere Antisemiten und um ein Interview der Band, das diese einem antisemitischen Internetsender gab.

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Reichsbandbreite

Am Donnerstag, den 26.07.2012 zeigte der Spartensender ZDF Neo einen weiteren Teil seiner Reihe „Wild Germany”. Diesmal ging es nicht um Metal, Crystal-Meth oder Satanismus, sondern um das Milieu der selbsternannten „Reichsbürger”. Diese glauben tatsächlich, dass das „Deutsche Reich” bis heute existiert. Sie haben zahlreiche Pseudo-Institutionen geschaffen.

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Zwischen Moskau, Rockefeller und Hartz 4

Es ist ein kleiner Bestseller auf dem riesigen verschwörungsideologischen Markt: Oliver Janichs„Kapitalismuskomplott” gilt als eine Bibel der deutschen Libertären. Der ehemalige Focus-Money Redakteur hat nicht nur eine kleine Partei gegründet, sondern auch ein Buch geschrieben, mit dem die theoretischen Grundlagen vorgestellt werden, die ihn und seine Kompagnons antreiben.

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Camp der Verschwörungsfans

Zum dritten Mal mobilisieren verschiedene Verschwörungsideologen in die deutsche Provinz. Am 17. August 2012 werden sie für das Wochenende nach Völpke reisen. Es handelt sich um eine beschauliche Gemeinde in Sachsen-Anhalt, dort kommen die Verschwörungsfans seit mittlerweile drei Jahren zusammen, um an einem „völlig entspannten Gedankenaustausch” teilzunehmen.

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Das Festival

Auf der Burg Waldeck gab es in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts die gleichnamigen Burg-Waldeck-Festivals, auf dem die damalige Crème de la Crème der deutschen Liedermacher zusammenkam, um Bänkelgesang und deutsches Liedgut zu intonieren. Es war das erste Open-Air in Deutschland. Hier traten Liedermacher wie Reinhard May, Franz Josef Degenhardt oder Hannes Wader auf. Gegen Ende der 60er Jahre sang man dann sogar die Internationale für die „Völker”, die nun endlich „die Signale” hören sollten.

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Festival des deutschen Friedens

In der vergangenen Woche kamen sie auf dem Alexanderplatz in Berlin zusammen: Tibet-Fans, Trikot-Verkäufer, Occupy-Aktivisten und die Kader rechter Kleinparteien veranstalteten ein „Friedensfestival”. Verschiedene Marktschreier, die den flanierenden Besuchern und verirrten Touristen ihre esoterischen Wahnideen anpriesen, waren allgegenwärtig. Außerdem redeten verschiedene Verschwörungsideologen und andere Scharlatane.

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