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Wiederkehr der Corona-Partys

Im dritten Jahr der Corona-Pandemie, die jeden Tag alleine in Deutschland rund 300 Tote kostet, soll die nachhaltige Feierei, ein Freizeitvergnügen deutscher Kleinbürger_innen, auch in Oldenburg weitergehen. Im Rahmen eines Neustarts, der dieses Wochenende begann, bewirbt die Lokalität “Polyester”, die laut des wichtigsten Wortführers ein Ort der “gelebten Postwachstumsökonomie” ist, die nun anstehenden Partys. Für seine Events lockt das Etablissement mit Versprechen, die verschwörungsgläubige Corona-Leugnende und notorische Impf-Verweigernde zur Teilnahme bewegen könnten.

CoVID-FEIERN Und CORONA-NAZIS

“Wir freuen uns wie Bolle (…). Wir sehen uns zum abhotten (…)! Wir weisen euch aufrichtig darauf hin, dass der Aufenthalt (…) im Klub (…) ein hohes Risiko birgt, sich mit Covid-19 anzustecken.”

Freudentrunkene Ankündigungen des Klubs, der dieser Tage sein Comeback feierte, finden sich auf der Homepage, auf Instagram sowie auf Facebook. Bereits der Ansteckungshinweis der Kneipe könnte das Interesse manches Corona-Leugners erwecken. Einige ganz besonders verkommene Gestalten infizieren sich schließlich bei passenden Gelegenheiten absichtlich bei Gleichgesinnten, was anderswo bereits Notaufnahmen belastete und manchmal zum Tode von Verschwörungsgläubigen führte.

Ob Intention oder Dilettantismus: Impfverweigernde spricht der “Polyester-Klub” mit seiner Werbung derzeit ganz besonders an. Nicht auszuschließen ist, dass der Gründer der Schänke, in der aus Gründen angeblicher Nachhaltigkeit alle Gegenstände gebraucht sind, solche Personen zum Besuch animieren möchte. Weil es für den Besuch seiner Bar noch nicht einmal eine Testpflicht gibt, könnte deren Besuch die gesundheitlichen Risiken für andere Feiernde und Mitarbeitende immens erhöhen.

“Querdenker” und andere Corona-Leugnende dürften die riesigen Hinweise der Kneipe erfreuen. Es gibt, so wirbt das “Polyester” derzeit, in den nächsten Monaten keine “Impf- oder Testkontrollen”. Grundlage für den Einlass sei eine “Vertrauensbasis”. Der ignorante Umgang mit der Covid-Erkrankung machte die Kneipe, nach Angaben von gut informierten Personen aus dem Umfeld des Klubs, bereits zuvor zum Treffpunkt für verschwörungsgläubiges Publikum, das die Gefahren der Pandemie verleugnet.

Monate vor dem “Restart”, der dieses Wochenende stattfand, veröffentlichten Verantwortliche eine längere Erklärung, in der sie sich ganz verschreckt gaben. Der “Polyester-Klub” hätte von “Gerüchten erfahren, die uns Sympathien mit der Querdenker- Bewegung und der Partei die Basis unterstellen”. Tatsächlich geht es nicht um Klatschgeschichten, sondern um Tatsachen. Schon im vergangenen Jahr kritisierten antifaschistische Zusammenhänge beispielsweise, dass ein verschwörungsideologischer Musikant, der bis Ende 2021 im Aufsichtsrat der für den Klub gegründeten Genossenschaft “Polygenos” saß, für die verschwörungsideologisch-antisemitische Kleingruppierung zu den Kommunalwahlen kandidierte.

Alexander Goretzki, der sich auf “germanische Wurzeln” bezieht, arbeitet außerdem, was die Erklärung verschweigt, dauerhaft als Funktionär der verschwörungsideologischen Struktur. Der Künstler beteiligte sich bereits intensiv am lokalen Gründungsprozess der Verschwörungspartei. Er nahm mit anderen “Basis”-Mitgliedern an Aufmärschen der Corona-Leugnenden teil. In der Nähe von rechten Hetzenden, die vielfach den Holocaust leugnen oder relativieren, wurde Goretzki zum Teil des sich auch in Oldenburg formierenden Mobs, der die pandemische Lage mit verschwörungsideologischen Mythen verklärt. Über den Aktivisten, der innerhalb der “Basis”-Struktur einen Mordaufruf gegen den niedersächsischen Ministerpräsidenten relativierte, berichteten unter anderem die antifaschistische Gruppe “Auf Abstand” und der Autor dieser Zeilen.

Das damalige "Polygenos"-Vorstandsmitglied Alexander Goretzki (2. v. l.) im Wahlkampf für eine antisemitische Partei

Das damalige “Polygenos”-Vorstandsmitglied Goretzki (2. v. l.) im Wahlkampf für seine antisemitische Partei

Kneipen-DJ und KRISEN-Apokalyptiker

Die “Polygenos”-Genossenschaft, die ihr verschwörungsgläubiges Vorstandsmitglied mit einer Anklage gegen die kritische Berichterstattung verteidigte und die ihm nach dem Rücktritt explizit für seine Arbeit dankte, besitzt das mehrstöckige Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich der “Polyester-Klub” befindet. Die Namensähnlichkeit ist, trotz kürzlich verbreiteter Verschleierungen, kein Zufall. Schließlich erzählten die maßgeblichen Figuren zuvor vielfach und freimütig vom Anlass für die Entstehung ihrer Genossenschaft. Der Vordenker der reaktionären Postwachstumsideologie, Niko Paech, gründete mit dem Klub-Besitzer, Stefan Mühlhaus, sowie mit fördernden Gleichgesinnten den Verbund, der den Bau übernahm.

“Vor zwei Tagen haben wir eine Genossenschaft gegründet, um das Gebäude sanieren zu können. Wir brauchen mindestens 600 Genossen.”

Das erzählte der deutsche Volkswirt einem geneigten Journalisten, während er dem Mitarbeiter der “Zeit” seinen Kompagnon Mühlhaus vorstellte. Niko Paech, der lange in Oldenburg an der Universität lehrte, vertritt nicht nur in dem Interview mit dieser Publikation einen “Mix aus obskuren, konservativen und kulturpessimistischen Ansichten”. Das “Polyester” versteht der alternative Konservative, der mit seiner Band, “Matini Schmerzverstärker”, öfter im nahe gelegenen autonomen Zentrum auftritt, als weiteren Ort, der seinen Vorstellungen entspricht.

An der engen Kooperation zwischen Paech, der Genossenschaft und dem dazugehörigen Klub ist nicht zu zweifeln. Der maßgebliche Ideologe sitzt seit Jahren im Aufsichtsrat der Genossenschaft, in deren Räumlichkeiten sich seine Kneipe befindet. Die Struktur um den apokalyptischen Professor, der anscheinend kein Gemüse aus Israel kauft, entstand schon 2014, um die Bar mit Tanzfläche “zu erhalten”. Dass die Ideen des Enthaltsamkeit und Verzicht predigenden Vordenkers der deutschen “Gemeinwohlökonomie”, der wie weite Teile der verschwörungsideologischen Szene “Selbstversorgungspraktiken reaktivieren” möchte, viele Menschen begeistert, zeigte sich am finanziellen Zuspruch für die gegründete Genossenschaft, der die Kneipe ihr Überleben verdankt.

Das "Polyester": Lokalität der "Gemeinwohlökonomie"

Unterschiedlich sind nur die Eingänge: Der “Polyester-Klub” im “Poly-Haus” des “Polygenos”.

VON DER SANIERUNG ZUM COMEBACK

Mehr als 800 Personen kamen – auch dank tatkräftiger Unterstützung der Lokalpresse –  zur Genossenschaft zusammen. Sie verbrannten in kurzer Zeit 275.000 Euro für die “Anteile”. Nach dem Kauf des Hauses, das zukünftig zur Vernetzung “jenseits des Mainstreams” dienen sollte, nutzten diverse Initiativen, die sich auf die “Gemeinwohlökonomie” beziehen, die oberen Räumlichkeiten. Die von Paech als “Kultkneipe Oldenburgs” gefeierte Einrichtung verblieb derweil wie angestrebt im Erdgeschoss. In den folgenden Jahren bestand das Programm oft aus Auftritten des Bar-Betreibers.

Während der Pandemie blieb der Laden, der zuvor auch ein linksalternatives Publikum anzog, aber über Monate geschlossen, sodass Mühlhaus seine Platten per Livestream erklingen ließ. In der zur Absicherung des jetzigen “Restarts” veröffentlichten Erklärung des Klubs werden die Gründungsgeschichte der Lokalität als auch die ideellen Gemeinsamkeiten zwischen den dazugehörigen Strukturen verschleiert.

Schließlich erscheint das Etablissement, in der Betreiber Mühlhaus gerne als “Mr. 5ooo seine alten Schallplatten auf die Plattenteller legt”, während er mit einem “legendären Telefonhörer” hantiert, nur wie die Mietpartei einer nicht näher beschriebene Gemeinschaft von Unbekannten, die “das Gebäude, indem sich der Polyester Klub befindet, gekauft” habe. “Das heißt, der Polyester Klub steht lediglich in einem Mietverhältnis zu der Genossenschaft Polygenos.”

Dass der Betreiber ein wichtiges Gründungsmitglied und ein maßgeblicher Multiplikator der angeblich unabhängig existierenden Genossenschaft ist, verrät die verschleiernde Erklärung nicht. Stattdessen kündigt die Verlautbarung, die sich eines zum Hühnchen gemachten jüdischen Kronzeugen bedient, vor allem das nun anstehende “Comeback” an. Vorab gab es blumige Versprechen, die der Klub aber offenbar nicht einhalten möchte.

Das angekündigte “fette Programm” fehlt, wie es zu erwarten war, ebenso wie ein verantwortungsvoller Umgang mit den Gefahren durch Corona-Infektionen. Im Januar behauptete der Klub noch, es ginge “auch” darum die “Gäste (…) vor dem Virus zu schützen”. Im April sind solche Versprechen offenbar vergessen. Stattdessen versprechen die werbenden Ankündigungen nun eher eine Praxis der Gesundheitsgefährdung. Hinzu kommt der dazugehörige Ausschluss von Menschen, die zu einer der Covid-Risikogruppen gehören.

Lassen sich gut entfernen: Aufkleber des Corona-Klubs

ENDLICH WIEDER NENA

Vorerkrankte Personen, die ohnehin größtenteils von der gesellschaftlichen Partizipation ausgeschlossen sind, sollen offensichtlich nicht im “Polyester” feiern. Selbiges gilt anscheinend für alle Interessierten, die in einer Kranken- oder Pflegeeinrichtung arbeiten. Schließlich bittet der Klub bereits potentielle Besuchende, den angekündigten Events fernzubleiben, wenn sie Menschen mit besonderen gesundheitlichen Risiken nach einer der Partys besuchen. Mit den Übertragungsrisiken an anderen Orten sowie dem Entstehen von Infektionsketten haben sich die Verantwortlichen offenbar nicht befasst.

Es geht ihnen mit den Events des Klubs, in dem nach Informationen des Autors in der jüngeren Vergangenheit missionierende Verschwörungsgläubige ohne Testung arbeiteten, offenbar um eine andere Zielgruppe. Mit einer großen Grafik wirbt das “Polyester”, in dem nach eigenem Eingeständnis auch ungeimpfte Personen die Getränke servierten, schließlich um Impfverweigernde, was die menschenverachtende Durchseuchungspraxis in Partyform auf die Spitze treibt.

“Endlich wieder Nena”, kommentiert ein Freund der Kneipe diese Feierei. Die Künstlerin passt zum Klub. Sie wurde mit der Pandemie bei Verschwörungsgläubigen populär, weil sie Mythen der “Querdenker”-Szene reproduzierte und sich mit einem Video für den Aufmarsch eines Mobs von Corona-Leugnenden in Kassel bedankte.

Ob die Integration der oftmals Verschwörungsmythen verfallenen Impfunwilligen sowie der sprachlich kaum verschleierte Ausschluss mit Menschen aus Risikogruppen für weitere Kritik sorgt, ist indes unwahrscheinlich. Das in der Ausrichtung mehrheitlich konservative Lokalblatt, die “Nordwest-Zeitung” (NWZ), bewarb die gesundheitsgefährdenden Corona-Partys des Wochenendes im Vorfeld mit einem langen Text. Das Stück gab den Verantwortlichen erneut viel Raum zur Inszenierung. Schon vor Jahren trug die Tageszeitung, die zahlreiche Manifestationen von Corona-Leugnern sowie ihre Organisationen vielfach unkritisch einordnete, durch entsprechende Artikel zur Etablierung des Zentrums der in Oldenburg durchaus populären “Gemeinwohlökonomie” bei.

Aufgabe eines kritischen Journalismus wäre es indes, die ideologischen Positionen der Verantwortlichen einzuordnen, die lokalen Verstrickungen in verschwörungsgläubige Milieus aufzudecken sowie auf die offenbar gesundheitsgefährdenden Praktiken des Lokals hinzuweisen. Solche Berichterstattung ist von der “Nordwest-Zeitung” nicht zu erwarten. Recherchen über Tatsachen, die das “Polyester” um Betreiber Stefan Mühlhaus und das “Polygenos” um den konservativen Alternativen Niko Paech zu “Gerüchten” macht, wurden durch die Tageszeitung ignoriert. Die Genossenschaft, in deren Aufsichtsrat ein Landtagskandidat der sogenannten Linkspartei sitzt, hat sich bis heute nicht von ihrem “Basis”-Kader distanziert.

Keine Impf- oder Testkontrollen. Faksimile von der Klub-Homepage

Keine Impf- oder Testkontrollen. Faksimile der wichtigsten Werbung auf der Klub-Homepage

 

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Aus dem Inneren einer Verschwörungspartei: Mordaufruf im Messenger

Dass zum aktuellen Verschwörungswahn die deutsche Vernichtungsphantasie gehört, beweisen Corona-Leugnende in öffentlichen Telegram-Chats. Die Angehörigen des “Die Basis”-Kreisverbands “Hunte-Weser-Ammerland” nutzen das Kommunikationsprogramm  zu organisatorischen Zwecken, zur zeitnahen Mobilisierung sowie zur weiteren Ideologisierung. Mitglieder der verschwörungsideologischen Partei debattierten im regionalen Kanal, ob sie politische Charaktermasken direkt ermorden oder nach einem Gerichtsverfahren einsperren wollen.

Leugnende im Gründungsfieber

In der Pandemie die Gefährlichkeit von Covid-19 zu leugnen, bleibt nicht nur für eine radikalisierte Minderheit sogenannter “Querdenker” populäre Praxis. Daher bildeten sich in den vergangenen Monaten parallele Strukturen, die an die inhaltliche Vorarbeit von “Querdenker”-Gruppen und Corona-Verharmlosenden anknüpfen konnten. Es entstanden Parteien, die Verschwörungsgläubige für die erträumte Machtübernahme sammeln. So organisiert sich ein Teil des esoterisch-verschwörungsgläubigen Bodensatzes, den der deutsche Corona-Kapitalismus  hervorbringt.

Nachdem sich das Vorgängerprojekt „Widerstand 2020“ rasch erledigt hatte, weil es zum Machtkampf zwischen Verschwörungsgläubigen mit Führungsanspruch kam, transformierten Corona-Leugnende am 4. Juli 2020 ihre Alternative zur AfD. Mit der Forderung nach einer freien “Impfentscheidung” wirbt die neue “Basis”Partei seitdem um Mitglieder. Der Appel nach “Meinungsfreiheit” und die Furcht vor angeblicher “Zensur” dürfte bei interessierten Verschwörungsgläubigen ebenfalls gut ankommen. Ein anthroposophischer Jargon über die “Entflechtung des geistig-kulturellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bereichs” könnte esoterische Personen begeistern.

Viele auf Rudolf Steiner zurückgehende Ideen finden sich im Parteiprogramm. So fordert “Die Basis” dort “das soziale Leben im Sinne der Freiheit, das Wirtschaftsleben im Sinne der Brüderlichkeit und das Rechtsleben im Sinne der Gleichheit”. Es handelt sich um Grundsätze der sogenannten “Dreigliederung”, durch die der Antikommunist und Antisemit nach dem Ersten Weltkrieg die Bewegung, welche den kapitalistischen Zustand aufhebt, abwenden wollte. In solche Tradition stellt sich die neue Partei, welche zudem den Nationalsozialismus durch Gleichsetzung mit postnazistischen Corona-Verhältnissen verharmlost, indem sie eine “Zeit der Gleichschaltung” beschwört.

“Die Basis”-Mitglieder begreifen sich als Teil einer neuen “Gemeinschaft”, die “Lobbyismus und Machtstreben” mit sogenannten “Säulen” begrenzen möchte. Ihr gehören Querdenkende und Quacksalbende an, die sich durch die Abwehr der pandemischen Realität und mit Corona-Leugnung inhaltlich radikalisieren. Ihre Partei profitiert von der aktiven Mitwirkung bekannterer Corona-Leugnerinnen und Verschwörungs-Aktivisten. Die Struktur nutzt diese Werbeträger, die sich auch andernorts als Heilsgestalten für Verschwörungsgläubige inszenieren, um Aktionismus zu befeuern oder Spendensammlung zu betreiben.

Kader der Kleinpartei

Der “Pandemie-Leugner-Anwalt Fuellmich” sorgte mit einer größtenteils fiktiven Sammelklage “gegen Drosten & Co” für Hoffnung beim zahlungswilligen Klientel, bevor er der “Basis”-Partei beitrat. Die durch ihre Corona-Partys im Luxus-Liner und ihren entmenschlichenden Jargon erschreckende Eva Rosen wurde gleichfalls Parteimitglied. Das gilt auch für den als Rechtsanwalt auftretenden Corona-Leugner Markus Haintz, der sich wie andere Führungsfiguren der neuen Partei an dem im Oktober 2020 praktizierten Putsch-Schauspiel zu Berlin beteiligte.

In der Pandemie kam der verschwörungsideologische Rädelsführer “fast im Minutentakt auf die Bühne”, um bei vielen Aktionen der Corona-Leugnenden vermeintliches “Unrecht und Rechtsskandale zu verkünden”, was dem Opfernarrativ der antisemitischen Verschwörungsbewegung sowie der dazugehörigen Partei entspricht. Für die neue “Basis” des Aktivisten tritt mit Frederike Pfeifer-de Bruin auch eine als Stichwortgeberin auftretende Akteurin der Corona-Leugnenden aus der Region um Oldenburg ein. Zudem begeistert sich der örtliche “Aufstehen”-Ableger um den linksdeutschen Verschwörungsaktivisten Herman Jack für die junge Gruppierung.

Auf lokaler Ebene vereint “Die Basis” relevante Multiplikator_innen der deutschen Corona-Verharmlosung, die auch im neuen Parteikollektiv gegen die derzeitigen Gesundheitsempfehlungen und den menschlichen Anstand verstoßen. “Es” ginge “nicht um die Position eines Einzelnen, sondern darum für und mit der Gemeinschaft eine Position zu beziehen”. Das sagt Eva Rosen, die mit garstigem Gesang und gemeinem Geraune vor einiger Zeit in Oldenburg vorfuhr, zur Motivation der Mitgliedschaft.

Von der “Schamanin” zum “Machtbegrenzer”

Aus esoterisch-verschwörungsideologischem Personal bildete “Die Basis” zum Ende des ersten Corona-Jahres ihre Landesverbände. Neben einer “Heilpraktikerin” und einer “Schamanin” ist der verschwörungsgläubige Geschäftsführer eines Küchenmöbelgeschäfts im seit 20.09.2020 existierenden Vorstand für Niedersachsen vertreten. Die Satzung der Landesstruktur, deren Entstehung mit freundlichen Hinweisen in rechtskonservativen Lokalzeitungen belohnt wurde, sieht zudem einen “Querdenker” als Vorstandsmitglied vor.

Auch dieses Mitglied ist ein Beispiel für die personellen und ideologischen Überschneidungen in ein diffus-deutsches Verschwörungsmillieu, das die Manifestationen zur Corona-Leugnung prägte. Ihr derzeitiger Träger, Andy Lorenz, warnt vor “Corona-Irrsinn”, während er sich als Freund der Heranwachsenden inszeniert. Der in Cloppenburg lebende Vorstands-“Querdenker” steht zudem für das Munkeln über nicht näher benannte Personen, welche laut Lorenz “die Wirtschaft aktiv an die Wand (…) fahren”. 

Trotz typischer Phrasen von “Freiheit” und “Demokratie” zeigt sich der autoritär-verschwörungsideologische Charakter der Partei schnell. Die Satzung der “Basis” sieht vor, dass “Interna (…) als Verschlusssache deklariert werden können”. Die niedersächsische Führung leistet sich zur Absicherung der hierarchischen Strukturen außerdem eine “Art innerparteiliche Polizei”. Sie besteht aus einem eigentlich in der “Luft- und Raumfahrt” tätigenden Funktionär, dem die neue Position als  “Machtbegrenzer” gefällt.

Die Kontrolle von Basis und Vorstand ist für den derzeitigen Partei-Polizisten, Christian Klages, wahre “Berufung”. Der Funktionär verweist auf seinen “ausgeprägten Gerechtigkeitssinn”. Es sei eine “tolle Möglichkeit”, sich “als Machtbegrenzer für das Land Niedersachsen einzusetzen”, sagt Klages, dessen Partei angeblich mehr als 8.000 Mitglieder besitzt. Einige tauschen sich auf Facebook-Seiten der Struktur aus, wobei sich oft ein bizarrer Personenkult um eigenes Führungspersonal sowie manchmal paranoide Furcht vor einer omnipotenten “dunkle[n] Macht” offenbart.

Maskenloses Beisammensein: Kreisverbandsgründung im Februar

Reize des Regelbruchs

Als die Gründung des Landesverbandes vor dem Jahreswechsel abgeschlossen war, besprachen sich interessierte Personen zur Organisation einer örtlichen “Basis”-Struktur bereits in kleineren Telegram-Kanälen. Dem ersten Abtasten im öffentlichen Chat folgten in und um Oldenburg rasch reale Treffen. Große Gruppen trafen sich Anfang des Jahres in kleinen Räumen sowie im privaten Rahmen.

Dass sich die esoterisch-konservativen Pseudo-Provokateure den damaligen Abstandsvorgaben widersetzten, dürfte zum Reiz ihrer halb-konspirativen Zusammenkünfte beigetragen haben. “Was verboten ist, das macht uns gerade scharf”, lauten passende Zeilen eines DDR-Liedermachers. Während Mitglieder ihre eigene Gesundheit ebenso wie das Leben dritter Personen wiederholt gefährdeten, ging die Gründung rasch voran.

Vor Weihnachten träumten “Die Basis”-Mitglieder noch von Parteitreffen “mit Musik und Glühwein”. Den Wunsch nach Zusammensein erfüllten sie sich spätestens im Januar. Einen Monat später erfolgte schon die Gründung der lokalen Struktur für Oldenburg und die angrenzenden Dörfer. Mit dem am 07. Februar 2021 entstandenen “Hunte-Weser-Ammerland”-Kreisverband fand der örtliche Entstehungsprozess ohne Abstand, Anstand und FFP2-Masken seinen passenden Abschluss. Die gesundheitsgefährdende Zusammenkunft dokumentieren zahlreiche Fotos.

Gesundheitsgefährdend: Gruppenphoto des Kreisverbands

Maskenlos zum Kreisverband

Bereits vor einem vorausgehenden “Basis”-Treffen verdeutlichte die Einladende, dass sie das Tragen von Masken erzürnt. So gab Anette D., die im Telegram-Chat der Parteigliederung zum Zusammensein einlud, die zukünftige Praxis der sich treffenden Mitgliedschaft vor. In ihrer verschwörungsideologischen Erklärung zu den Gründen der geplanten  Gesundheitsgefährdung raunte sie von einem “Plan” des “Tiefen Staates”, der nach ihren Angaben das “Corona-Virus” als “Hilfsmittel” einsetzt.

“Es gibt doch keinen Grund, die Lappen zu tragen.”

Andere Parteimitglieder verbreiteten ähnliche Abscheulichkeiten, die zur allgegenwärtigen Esoterik und zur verstörenden Verschwörungsparanoia ihrer Telegram-Kommunikation passten. Mit Inhalten, die manchmal an Propagandaterme des mörderischen QAnon-Kults anknüpften, entstand offenbar eine inhaltliche Basis, sodass die ersten Treffen für die sich beschnuppernde Mitgliedschaft recht erfolgreich verliefen. Zwischendurch blieb der Gruppe genügend Zeit, um sich am Gründungsprozess des “Hunte-Weser-Ammerland”-Kreisverbands zu berauschen.

Dass er sich „glücklich wie frisch verliebt fühlte“, berichtete beispielsweise ein Teilnehmer nach einer weiteren Zusammenkunft in einem Wohnzimmer, in dem Mitglieder und Nachwuchs ohne Abstand sowie die ihnen verhassten Masken saßen. Eine ergänzende Versammlung in einem ländlichen “‘Hexenhaus'” trug in und um Oldenburg zur Gründung der Struktur in Form des Kreisverbands bei. Im Anschluss verwies diese Einladende auf eine angebliche “Aura” des Hauses, während ein Sekundant die Räumlichkeiten als “heidnisch-heilige Hallen” pries.

Wie sehr diese Basis” deutsche Verhältnisse mit Verschwörungsmythen deutet sowie diese nach der “Erneuerung” durch Esoterik gestalten möchte, beweisen beworbene Inhalte im örtlichen Partei-Chat. Vielfach verbreiteten Mitglieder verstörende Verschwörungspropaganda, die langjährige Geschäftemachende wie die Anti-Feministin Eva Herman produzieren. Zur Beseitigung der vermeintlich identifizierten Verantwortlichen sind manchen Mitgliedern anscheinend brutal-blutige Exekutionen oder pseudo-juristische Prozesse recht. Das beweisen Wortmeldungen von “Basis”-Akteuren, die an ihrem Telegram-Stammtisch über das Vorgehen debattierten.

Virenaustausch im Kreisverband 

Traum vom Erschießungskommando

Am 21. August 2020 veröffentlichte die in der Entstehung begriffene “Basis” den Beitrag eines Oberarztes, der sich im Klinikums Wilhelmshaven mit “Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie” befasst. Das Mitglied warnte vor “Antichristen”, die dafür sorgen, dass “gewaltsam entwendeten Kinder interniert und konzentriert” (sic!) werden. Der Mediziner machte eine “Führung” verantwortlich, die er als Gruppe “von völlig verbiesterten, angstgesteuerten Psychopathen” mit “monströsen Gehirnen” dämonisierte.

Menschenfeindliche Positionen waren auch im öffentlichen Chat des “Hunte-Weser-Ammerland”-Kreisverbands keine Ausnahme. Der niedersächsische Ministerpräsident,  Stephan Weil, erzürnte ein Parteimitglied so sehr, dass es seine deutsche Wut mit blutroten Ausrufezeichen kundtat. Der Vernichtungswunsch der Corona-Leugnerin offenbarte sich in der Forderung nach Auslöschung des Politikers und seiner angeblichen Komplizen:

“Die gehören doch alle an die Wand!”

Den Mordaufruf der Annette D., die zuvor für eine “Basis”-Parteifunktion kandidierte, relativierte unter anderem Alexander Goretzki. Ihm ist ein “Bewusstsein” der “germanischen Wurzeln” (sic!), nach Angaben einer älteren Veranstaltungsankündigung für ein Event in der örtlichen Landesbibliothek des Bundeslandes, “zunehmend wichtiger”. Das germanophile Mitglied schrieb zu solchem Geisteszustand passende Zeilen, wobei Kritik an dem deutschen Vernichtungstraum seiner ebensolchen Parteikameradin zumindest im “Basis”-Telegramchat ausblieb.

Verteidigung einer Vernichtungsphantasie

In seiner Positionierung sprach sich der “Basis”-Wortführer gegen die Löschung aus, wobei er den Mordaufruf als Meinungsäußerung verniedlichte: “Andreas Standpunkt, eine Äußerung zu löschen, weil sie (…) Hinrichtungen evoziert, finde ich problematisch”, dozierte Goretzki. Tatsächlich setzte sich das Parteimitglied zeitweilig durch. Die Erschießungsforderung wurde erst vor einigen Tagen entfernt.

Der mit bekannteren Corona-Leugnerinnen konversierende Künstler ist nicht nur Partei-, sondern auch Vorstandsmitglied. Er führt mit drei weiteren Personen die Geschäfte einer Genossenschaft, die das in Oldenburg bekannte “Poly-Haus” betreibt. Die durch Landesmittel geförderte Vereinigung befasst sich mit “Nachhaltigkeitsprojekte[n]”. Dazu gehört der Betrieb einer Bar, die bei eher linksalternativen Nachtschwärmenden beliebt ist. Die Struktur um den anti-israelischen Postwachstums-Vordenker Niko Paech besitzt außerdem einen Aufsichtsrat, dessen Vorsitz der Linkspartei-Ratsabgeordnete und Israel-Sanktions-Befürworter Hans-Henning Adler inne hat.

Die Wortmeldung des “Polygenos”-Vorstandsmitglieds, eigentlich ein freiberuflicher Musikant, machte den Wunsch nach Ermordung des Ministerpräsidenten zum Teil des legitimen “Basis”-Diskurses. Von anderer Mitgliedschaft des neuen Kreisverbands gab es, ähnlich wie von Goretzki, verstörend viel Verständnis für den blutigen Traum von solcher Exekution: “Ich verstehe absolut deine Wut”, schrieb eine Kameradin, während ein strategisch auftretender Kompagnon darauf hinwies, dass die Debattierenden zukünftig “bestimmte Sachen lieber für sich behalten” sollten.

Corona-Kuscheln zur Kreisverbandsgründung

Abschottung der Verschwörungsstruktur

Nach der Kreisverbandsgründung waren der Mordaufruf und dazugehörige Putschphantasien bei der sich bieder gebenden “Basis”-Struktur aus und um Oldenburg ein Thema. Im Telegram-Kanal erbrach dieser deutsche Bodensatz die unverdaute Barbarei, wobei die Forderung nach einem Erschießungskommando für politische Handlungstragende von Führungsfiguren zumindest mit relativierenden Zeilen beantwortet wurde. Letztlich suchten die Verantwortlichen des jungen Kreisverbands das Gespräch mit der Urheberin:

“Wir vom Vorstand sind im Kontakt mit ihr.”

So beruhigte ein “Hunte-Weser-Ammerland”-Vorstandsmitglied seine Schäfchen, die zuvor vor allem den Dialog mit der sich unverstanden fühlenden Parteifreundin suchten. Der angehende “Basis”-Politiker positionierte sich in der Debatte, wobei er den mehrfach erwünschten Prozess gegenüber dem Erschießungskommando vorzog: “Menschen an die Wand stellen (…) geht etwas (sic!) zu weit”, erklärte dieser Funktionär “persönlich”: Es sei “besser zu sagen”, dass die Mitgliedschaft “sie gerichtlich zu Verantwortung bringen” würde, erläuterte er die verschleiernde Sprachregelung.

Im Anschluss beendeten die Betreibenden den öffentlichen Telegram-Chat zugunsten einer internen Kommunikationsmöglichkeit, wobei sich die Abschaltung des Telegram-Stammtisches bis nach Veröffentlichung dieses Beitrags verspätete. Dass es im neuen “Basis”-Treff für “Hunte-Weser-Ammerland” ähnliche Inhalte gibt, ist auch aufgrund der Abschottung nach Außen wahrscheinlich. Ganz im Gegenteil zu der Wahrscheinlichkeit, dass sich die im linksalternativen Milieu beliebte Lokalität sowie die dazugehörige “Poly”-Genossenschaft zeitnah von ihrem Vorstandsmitglied trennt und von seiner Verschwörungspartei distanziert.

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