Zum diesjährigen “Ostermarsch” versammelten sich etwa 280 Personen in Oldenburg. Der Aufruf des hiesigen “Friedensbündnisses”, das in der Vergangenheit unter anderem eine die antisemitische BDS-Strukturen verharmlosende Veranstaltung über den angeblichen Einfluss von “Antideutschen” organisierte, bagatellisierte den russischen Angriffskrieg. In Verkehrung der Tatsachen hieß es: “Der Ukraine-Krieg ist eine Folge der NATO-Osterweiterung bis an die russische Grenze”.
Endzeit-Aktivistin und Bundeswehr-Major
Zum diesjährigen Ostermarsch forderte das “Antideutsche” fürchtende “Bündnis” letztlich, dass sich die Angegriffenen mit dem Aggressor einigen müsse: “Verhandlungen auf höchster Ebene zwischen USA, NATO, Russland und der Ukraine” sowie “neutrale Sachverständige” zur “Aufklärung von Kriegsverbrechen”, hieß es beispielsweise im kurz vor Ostern verbreiteten Aufruf gegen den “eskalierenden Krieg”, der die mörderischen Folgen des russischen Angriffs verschweigt.
Das unsägliche Schreiben bewarb der hiesige Ableger der sogenannten Linkspartei, der auch eine Sprecherin entsandte. Multifunktionärin Sonja Manderbach ist unter anderem Aktivistin bei der rechten Endzeitsekte “Extinction Rebellion” (ER) sowie bei deren Ableger “Letzte Generation”, wobei sie an deren klimapolitischen Protesten partizipiert, die vor allem das Proletariat treffen. Außerdem singt die Gläubige, zum Beispiel im Rahmen der örtlichen “Christians for Future”-Gruppe, gegen die Umweltzerstörung an, wobei die konservativen Untertöne in den ER-Werbesongs der Gläubigen nicht zu überhören sind. “Kämpft für ein lebenswertes Land”, hieß es zum Beispiel in einem umgedichteten Kinderlied, während mit einem anderen Song vor einer bald drohenden “Apokalypse” gewarnt wurde.
Ein weiterer Sprecher des diesjährigen Ostermarsches trat früher vielfach in Olivgrün auf. Florian Pfaff ist ehemaliger Bundeswehrsoldat, der in den vergangenen Jahren in zahlreichen Videoformaten der verschwörungsideologischen Szene zu sehen war. Dort zeichnete er die Bundesrepublik als Vasallen der von ihm dämonisierten USA, wofür es reichlich Zustimmung von ganz Rechts gab. Anfang des Jahres war der praktizierende Katholik beispielsweise beim rechten Verschwörungsproduzenten Daniel Ganser zu Gast, was nationalistische Zusehende kommentierend beantworteten: “Männer wie Ihr,seid es wert die Hoffnung nicht aufzugeben”, begeisterte sich zum Beispiel ein Anhänger mit den in der Verschwörungsszene üblichen orthografischen Schwierigkeiten.
Vor einigen Jahren gab der damalige Offizier dem von antisemitischen Apologeten des iranischen Regimes betriebenen Online-Portal “Muslim-Markt” ein Interview, in dem er ein bezeichnendes Endziel seiner politischen Tätigkeit formulierte. Es ginge darum, so der antisemitische Motive aufgreifende Bundeswehr-Offizier, “dass keiner mehr Märchen erfindet, um seine Bevölkerung (…) aufzuhetzen”. Dieses Ziel lasse sich weltweit aber nur realisieren, wenn “es gelingt, den Konflikt in Nahen Osten zu lösen, also die Besetzung des palästinensischen Gebietes durch Israel, welche die Israelis mit Angriffen gegen sie rechtfertigen (sic!)”.
Reime und Verschwörungspropaganda
In Oldenburg sprach der verschwörungsideologische Aktivist aber nicht von der offenbar angestrebten Endlösung der Israel-Frage, sondern monologisierte von einem lange geplanten Krieg in der Ukraine, wobei der vormalige Bundeswehr-Major – wenig überraschend – die NATO verantwortlich machte, die er als “Verbrecherbündnis” bezeichnete. Seine reaktionäre Einlage, für die es nur spärlichen Beifall gab, dokumentierte der linksdeutsche Amateurfilmer Hermann Jack. Der YouTuber begleitet ansonsten schon seit mehreren Jahren die Proteste von Corona-Leugnenden. Wortführenden und Gläubigen bereit Jack eine Bühne für Menschenverachtung, während er Protestierende wider den reaktionären Mob unter anderem als “Corona-Heulbojen” verunglimpft.
Jack spricht selbst von “Diskriminierung” der “Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen”. Von ihm vielfach genutzte Terme wie “Maskenzwang” zeigen, dass der Filmende den Narrativen der die Gefährlichkeit von Covid-19 leugnenden Verschwörungsszene verfallen ist. Über seine Facebook-Seiten verbreitet Jack schließlich entsprechende Propaganda, wobei er antisemitische Mythen und mörderische Feindbilder von und für Corona-Leugnende aufgreift. Vielfach warb der Filmende, dessen Anwesenheit auf dem Ostermarsch auch in diesem Jahr offenbar niemanden störte, für die gefährlichen Aufmärsche von rechten Wut- und Reichsbürgern.
Bei den Manifestationen von Corona-Leugnenden filmt er, was Nazis die Recherchen erleichtert, immer wieder antifaschistische Personen, die gegen diese Zusammenkünfte protestieren. Dass sich bei dem von ihn beworbenen “Montagsdemos” regelmäßig eine einflussreiche Holocaust-Leugnerin, zahlreiche Nazi-Rocker und prominente AfD-Kader tummeln, verrät sein den die Shoa- und Corona-Leugnenden Sucharit Bhakdi als Kronzeugen nennender “Tu Was”-Kanal nicht. Stattdessen bietet der seit Jahren den Ostermarsch in Oldenburg dokumentierende Verschwörungsproduzent derzeit das Interview mit einem “Rap Activist”, der sich selbst als “RechtsXtrem” bezeichnet.
“Wir gehen für unser Land, ist der Weg noch so lang, nichts was uns halten kann, bei unserem Spaziergang”, reimt der durch Hermann Jack beworbene Verschwörungsmusikant. Der deutsche Dichter beschwört das kämpfende “Volk”, wobei er zahlreiche Motive aus der Verschwörungsszene aufgreift. “SchwrzVyce”, so der Künstlername des gegen den bei Corona-Leugnenden verhassten Bill Gates rappenden Hessen, liefert den reaktionären Soundtrack für rechte Zeiten. Herman Jack scheinen solche Inhalte anzusprechen.
Aufzeichnungen eines Verschwörungsproduzenten
Zuletzt bewarb der Filmemacher mit seinen kurzen Propaganda-Clips gleich mehrfach die antisemitisch-verschwörungsideologische Kleinpartei “Die Basis”, deren niedersächsische Kader er vor der letztjährigen Bundestagswahl zum Wahlwerbegespräch bat. Allerdings ist der Kameramann laut gut informierten Quellen noch immer Mitglied der sogenannten Linkspartei. Abgrenzungen gibt es offenbar keine. Der ehemalige Vorsitzende der Linksfraktion im Rat der Stadt Oldenburg, Hans-Hennig Adler, stellte sich seinem Genossen, der im vergangenen Jahr mit der die mörderischen QAnon-Mythen verbreitenden “Basis”-Aktivistin Eva Rosen plauderte, während des Ostermarschs erneut zum Gespräch. Dort verdrehte der Sozialdemokrat die Tatsachen. Der Landtagskandidat der der sogenannten Linkspartei brachte erschreckend viel Verständnis für das russische Vorgehen auf.
Russland wolle doch nur ein “Sicherheitsproblem lösen” und “Menschen in der Ostukraine schützen”, trug der Jurist die den Angriffskrieg rechtfertigenden Lügen des Putin-Regimes vor. Zudem munkelte Adler, dass es “nachvollziehbare Gründe” für den russischen Angriffskrieg geben könne. Es sei indes “tragisch”, so der eine Krokodils-Träne herauspressende Politiker, “dass auf diese Weise ganz viele unschuldige Menschen ihr Leben verlieren, nur damit die Beteiligten (sic!) besser verhandeln können”. Zum Gesprächsende wandte sich Adler nicht gegen Putin, aber gegen den ukrainischen Präsidenten. “Obwohl Selenskyj immer wieder versucht, die NATO reinzuziehen, bisher ist ja Gott sei Dank der Widerstand noch stark genug”, freute sich Adler über das allgegenwärtige Appeasement in Deutschland.
Mit keinem Wort kritisierte der Anwalt das Putin-Regime. Stattdessen blieb es bei Verharmlosungen, die in Schuldumkehr gipfelten, wobei die ukrainische Regierung als Aggressor erschien. Ähnliche Verbalinjurien sonderte der bereits erwähnte ehemalige Bundeswehr-Major ab. Der Pfaff gab ebenfalls den Putin-Versteher. Es ginge “darum, zu verstehen, dass die NATO, in den Augen von Putin, (…) eine aggressive Angriffskonstitution” sei, behauptete der deutsche Militär, bevor er gleichfalls der Ukraine die Schuld am russischen Angriffskrieg gab, in seinem Interview für den Corona-Leugner.
Widerspruch Und Intervention
Manche Teilnehmenden waren, so heißt es im gewohnt freundlichen Werbetext der Lokalzeitung, mit diesen Verdrehungen nicht einverstanden. Das zeigte sich laut Nordwest-Zeitung (NWZ) am ausbleibenden Beifall. Eine deutliche Positionierung gab es zudem durch Anwesende, die mit ukrainischen Fahnen am Ostermarsch teilnahmen. Offensichtlich gingen die Ausfälle des Ex-Mayors sogar manchen Organisierenden zu weit.
Für das selbsternannte “Oldenburger Friedensbündnis” distanzierte sich Ulrich Glade direkt nach den Ausfällen: “Das war jetzt die Meinung von Herrn Pfaff. Das heißt nicht, dass das Friedensbündnis die gleiche Meinung hat. Das Gegenteil ist sicher der Fall”, behauptete der Sprecher, wofür es lauteren Beifall gab. “Niederträchtig wie immer benehmen sich die Preußen”, schrieb Friedrich Engels im Februar 1863 an Karl Marx. Angesichts der Zustände in Oldenburg, scheint dieses Urteil auch auf die porträtierten Akteure aus der norddeutschen Provinz zuzutreffen.
Dass der Aufruf seines “Bündnisses” zuvor ähnliche Inhalte wie der geladene Militär brachte, benannte der für die Organisierenden sprechende Ulrich Glade vor Ort jedenfalls nicht. Von ihrem Dokumentarfilmer hat sich weder das “Bündnis” noch die sogenannte Linkspartei distanziert. Stattdessen erneuerte sich die Kooperation zwischen dem Corona-Leugner und seinem Genossen, der für die Linke in den Landtag einziehen möchte. Auch in diesem Jahr blieben nötige Proteste gegen diese Zusammenarbeit aus. Ob es in Zukunft die angebrachten Interventionen durch Menschen, die sich der Emanzipation verpflichtet fühlen, geben wird, bleibt ein weiteres Mal abzuwarten.
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