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Emanzipativer Antifaschismus inkludiert die Solidarität mit Israel als integralen Moment der Opposition gegen deutsche Zustände (Oldenburg, Heiligengeiststraße, Anfang 2022)
Emanzipativer Antifaschismus inkludiert die Solidarität mit Israel als integralen Moment der Opposition gegen deutsche Zustände (Oldenburg, Heiligengeiststraße, Anfang 2022)
Im dritten Jahr der Corona-Pandemie, die jeden Tag alleine in Deutschland rund 300 Tote kostet, soll die nachhaltige Feierei, ein Freizeitvergnügen deutscher Kleinbürger_innen, auch in Oldenburg weitergehen. Im Rahmen eines Neustarts, der dieses Wochenende begann, bewirbt die Lokalität “Polyester”, die laut des wichtigsten Wortführers ein Ort der “gelebten Postwachstumsökonomie” ist, die nun anstehenden Partys. Für seine Events lockt das Etablissement mit Versprechen, die verschwörungsgläubige Corona-Leugnende und notorische Impf-Verweigernde zur Teilnahme bewegen könnten.
“Wir freuen uns wie Bolle (…). Wir sehen uns zum abhotten (…)! Wir weisen euch aufrichtig darauf hin, dass der Aufenthalt (…) im Klub (…) ein hohes Risiko birgt, sich mit Covid-19 anzustecken.”
Freudentrunkene Ankündigungen des Klubs, der dieser Tage sein Comeback feierte, finden sich auf der Homepage, auf Instagram sowie auf Facebook. Bereits der Ansteckungshinweis der Kneipe könnte das Interesse manches Corona-Leugners erwecken. Einige ganz besonders verkommene Gestalten infizieren sich schließlich bei passenden Gelegenheiten absichtlich bei Gleichgesinnten, was anderswo bereits Notaufnahmen belastete und manchmal zum Tode von Verschwörungsgläubigen führte.
Ob Intention oder Dilettantismus: Impfverweigernde spricht der “Polyester-Klub” mit seiner Werbung derzeit ganz besonders an. Nicht auszuschließen ist, dass der Gründer der Schänke, in der aus Gründen angeblicher Nachhaltigkeit alle Gegenstände gebraucht sind, solche Personen zum Besuch animieren möchte. Weil es für den Besuch seiner Bar noch nicht einmal eine Testpflicht gibt, könnte deren Besuch die gesundheitlichen Risiken für andere Feiernde und Mitarbeitende immens erhöhen.
“Querdenker” und andere Corona-Leugnende dürften die riesigen Hinweise der Kneipe erfreuen. Es gibt, so wirbt das “Polyester” derzeit, in den nächsten Monaten keine “Impf- oder Testkontrollen”. Grundlage für den Einlass sei eine “Vertrauensbasis”. Der ignorante Umgang mit der Covid-Erkrankung machte die Kneipe, nach Angaben von gut informierten Personen aus dem Umfeld des Klubs, bereits zuvor zum Treffpunkt für verschwörungsgläubiges Publikum, das die Gefahren der Pandemie verleugnet.
Monate vor dem “Restart”, der dieses Wochenende stattfand, veröffentlichten Verantwortliche eine längere Erklärung, in der sie sich ganz verschreckt gaben. Der “Polyester-Klub” hätte von “Gerüchten erfahren, die uns Sympathien mit der Querdenker- Bewegung und der Partei die Basis unterstellen”. Tatsächlich geht es nicht um Klatschgeschichten, sondern um Tatsachen. Schon im vergangenen Jahr kritisierten antifaschistische Zusammenhänge beispielsweise, dass ein verschwörungsideologischer Musikant, der bis Ende 2021 im Aufsichtsrat der für den Klub gegründeten Genossenschaft “Polygenos” saß, für die verschwörungsideologisch-antisemitische Kleingruppierung zu den Kommunalwahlen kandidierte.
Alexander Goretzki, der sich auf “germanische Wurzeln” bezieht, arbeitet außerdem, was die Erklärung verschweigt, dauerhaft als Funktionär der verschwörungsideologischen Struktur. Der Künstler beteiligte sich bereits intensiv am lokalen Gründungsprozess der Verschwörungspartei. Er nahm mit anderen “Basis”-Mitgliedern an Aufmärschen der Corona-Leugnenden teil. In der Nähe von rechten Hetzenden, die vielfach den Holocaust leugnen oder relativieren, wurde Goretzki zum Teil des sich auch in Oldenburg formierenden Mobs, der die pandemische Lage mit verschwörungsideologischen Mythen verklärt. Über den Aktivisten, der innerhalb der “Basis”-Struktur einen Mordaufruf gegen den niedersächsischen Ministerpräsidenten relativierte, berichteten unter anderem die antifaschistische Gruppe “Auf Abstand” und der Autor dieser Zeilen.
Die “Polygenos”-Genossenschaft, die ihr verschwörungsgläubiges Vorstandsmitglied mit einer Anklage gegen die kritische Berichterstattung verteidigte und die ihm nach dem Rücktritt explizit für seine Arbeit dankte, besitzt das mehrstöckige Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich der “Polyester-Klub” befindet. Die Namensähnlichkeit ist, trotz kürzlich verbreiteter Verschleierungen, kein Zufall. Schließlich erzählten die maßgeblichen Figuren zuvor vielfach und freimütig vom Anlass für die Entstehung ihrer Genossenschaft. Der Vordenker der reaktionären Postwachstumsideologie, Niko Paech, gründete mit dem Klub-Besitzer, Stefan Mühlhaus, sowie mit fördernden Gleichgesinnten den Verbund, der den Bau übernahm.
“Vor zwei Tagen haben wir eine Genossenschaft gegründet, um das Gebäude sanieren zu können. Wir brauchen mindestens 600 Genossen.”
Das erzählte der deutsche Volkswirt einem geneigten Journalisten, während er dem Mitarbeiter der “Zeit” seinen Kompagnon Mühlhaus vorstellte. Niko Paech, der lange in Oldenburg an der Universität lehrte, vertritt nicht nur in dem Interview mit dieser Publikation einen “Mix aus obskuren, konservativen und kulturpessimistischen Ansichten”. Das “Polyester” versteht der alternative Konservative, der mit seiner Band, “Matini Schmerzverstärker”, öfter im nahe gelegenen autonomen Zentrum auftritt, als weiteren Ort, der seinen Vorstellungen entspricht.
An der engen Kooperation zwischen Paech, der Genossenschaft und dem dazugehörigen Klub ist nicht zu zweifeln. Der maßgebliche Ideologe sitzt seit Jahren im Aufsichtsrat der Genossenschaft, in deren Räumlichkeiten sich seine Kneipe befindet. Die Struktur um den apokalyptischen Professor, der anscheinend kein Gemüse aus Israel kauft, entstand schon 2014, um die Bar mit Tanzfläche “zu erhalten”. Dass die Ideen des Enthaltsamkeit und Verzicht predigenden Vordenkers der deutschen “Gemeinwohlökonomie”, der wie weite Teile der verschwörungsideologischen Szene “Selbstversorgungspraktiken reaktivieren” möchte, viele Menschen begeistert, zeigte sich am finanziellen Zuspruch für die gegründete Genossenschaft, der die Kneipe ihr Überleben verdankt.
Mehr als 800 Personen kamen – auch dank tatkräftiger Unterstützung der Lokalpresse – zur Genossenschaft zusammen. Sie verbrannten in kurzer Zeit 275.000 Euro für die “Anteile”. Nach dem Kauf des Hauses, das zukünftig zur Vernetzung “jenseits des Mainstreams” dienen sollte, nutzten diverse Initiativen, die sich auf die “Gemeinwohlökonomie” beziehen, die oberen Räumlichkeiten. Die von Paech als “Kultkneipe Oldenburgs” gefeierte Einrichtung verblieb derweil wie angestrebt im Erdgeschoss. In den folgenden Jahren bestand das Programm oft aus Auftritten des Bar-Betreibers.
Während der Pandemie blieb der Laden, der zuvor auch ein linksalternatives Publikum anzog, aber über Monate geschlossen, sodass Mühlhaus seine Platten per Livestream erklingen ließ. In der zur Absicherung des jetzigen “Restarts” veröffentlichten Erklärung des Klubs werden die Gründungsgeschichte der Lokalität als auch die ideellen Gemeinsamkeiten zwischen den dazugehörigen Strukturen verschleiert.
Schließlich erscheint das Etablissement, in der Betreiber Mühlhaus gerne als “Mr. 5ooo seine alten Schallplatten auf die Plattenteller legt”, während er mit einem “legendären Telefonhörer” hantiert, nur wie die Mietpartei einer nicht näher beschriebene Gemeinschaft von Unbekannten, die “das Gebäude, indem sich der Polyester Klub befindet, gekauft” habe. “Das heißt, der Polyester Klub steht lediglich in einem Mietverhältnis zu der Genossenschaft Polygenos.”
Dass der Betreiber ein wichtiges Gründungsmitglied und ein maßgeblicher Multiplikator der angeblich unabhängig existierenden Genossenschaft ist, verrät die verschleiernde Erklärung nicht. Stattdessen kündigt die Verlautbarung, die sich eines zum Hühnchen gemachten jüdischen Kronzeugen bedient, vor allem das nun anstehende “Comeback” an. Vorab gab es blumige Versprechen, die der Klub aber offenbar nicht einhalten möchte.
Das angekündigte “fette Programm” fehlt, wie es zu erwarten war, ebenso wie ein verantwortungsvoller Umgang mit den Gefahren durch Corona-Infektionen. Im Januar behauptete der Klub noch, es ginge “auch” darum die “Gäste (…) vor dem Virus zu schützen”. Im April sind solche Versprechen offenbar vergessen. Stattdessen versprechen die werbenden Ankündigungen nun eher eine Praxis der Gesundheitsgefährdung. Hinzu kommt der dazugehörige Ausschluss von Menschen, die zu einer der Covid-Risikogruppen gehören.
Vorerkrankte Personen, die ohnehin größtenteils von der gesellschaftlichen Partizipation ausgeschlossen sind, sollen offensichtlich nicht im “Polyester” feiern. Selbiges gilt anscheinend für alle Interessierten, die in einer Kranken- oder Pflegeeinrichtung arbeiten. Schließlich bittet der Klub bereits potentielle Besuchende, den angekündigten Events fernzubleiben, wenn sie Menschen mit besonderen gesundheitlichen Risiken nach einer der Partys besuchen. Mit den Übertragungsrisiken an anderen Orten sowie dem Entstehen von Infektionsketten haben sich die Verantwortlichen offenbar nicht befasst.
Es geht ihnen mit den Events des Klubs, in dem nach Informationen des Autors in der jüngeren Vergangenheit missionierende Verschwörungsgläubige ohne Testung arbeiteten, offenbar um eine andere Zielgruppe. Mit einer großen Grafik wirbt das “Polyester”, in dem nach eigenem Eingeständnis auch ungeimpfte Personen die Getränke servierten, schließlich um Impfverweigernde, was die menschenverachtende Durchseuchungspraxis in Partyform auf die Spitze treibt.
“Endlich wieder Nena”, kommentiert ein Freund der Kneipe diese Feierei. Die Künstlerin passt zum Klub. Sie wurde mit der Pandemie bei Verschwörungsgläubigen populär, weil sie Mythen der “Querdenker”-Szene reproduzierte und sich mit einem Video für den Aufmarsch eines Mobs von Corona-Leugnenden in Kassel bedankte.
Ob die Integration der oftmals Verschwörungsmythen verfallenen Impfunwilligen sowie der sprachlich kaum verschleierte Ausschluss mit Menschen aus Risikogruppen für weitere Kritik sorgt, ist indes unwahrscheinlich. Das in der Ausrichtung mehrheitlich konservative Lokalblatt, die “Nordwest-Zeitung” (NWZ), bewarb die gesundheitsgefährdenden Corona-Partys des Wochenendes im Vorfeld mit einem langen Text. Das Stück gab den Verantwortlichen erneut viel Raum zur Inszenierung. Schon vor Jahren trug die Tageszeitung, die zahlreiche Manifestationen von Corona-Leugnern sowie ihre Organisationen vielfach unkritisch einordnete, durch entsprechende Artikel zur Etablierung des Zentrums der in Oldenburg durchaus populären “Gemeinwohlökonomie” bei.
Aufgabe eines kritischen Journalismus wäre es indes, die ideologischen Positionen der Verantwortlichen einzuordnen, die lokalen Verstrickungen in verschwörungsgläubige Milieus aufzudecken sowie auf die offenbar gesundheitsgefährdenden Praktiken des Lokals hinzuweisen. Solche Berichterstattung ist von der “Nordwest-Zeitung” nicht zu erwarten. Recherchen über Tatsachen, die das “Polyester” um Betreiber Stefan Mühlhaus und das “Polygenos” um den konservativen Alternativen Niko Paech zu “Gerüchten” macht, wurden durch die Tageszeitung ignoriert. Die Genossenschaft, in deren Aufsichtsrat ein Landtagskandidat der sogenannten Linkspartei sitzt, hat sich bis heute nicht von ihrem “Basis”-Kader distanziert.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bedeutete bislang zehntausende Tote und hunderttausenden Flüchtende. In dessen Rahmen erfolgten offensichtlich zahlreiche Kriegsverbrechen, für die es identifizierbare Verantwortliche gibt. Dieses Schlachten rechtfertigte die kleine “Deutsche Kommunistische Partei” (DKP) bereits kurz nach Kriegsbeginn mit einer langen Erklärung, die einiges über den Zustand dieser Gruppierung verrät.
Das Sekretariat des Parteivorstands bemühte erneut die vom Putin-Regime vorgegebenen Sprachregelungen – und deutete das aktuelle Morden um. Der Parteivorsitzende sekundierte mit Verharmlosungen, wobei er viel Verständnis für das verbrecherische Vorgehen des Angreifenden aufbrachte, während er ukrainische Charaktermasken mit Häme bedachte. Regionale Parteigliederungen reproduzierten derartige Inhalte, um sich gleichfalls – und wie die russischen Bündnispartner von der linksnationalistischen KPRF – an der Seite des putinschen Despotismus zu positionieren.
Dass es sich nicht um einen Krieg, sondern um eine “militärische Spezialoperation (…) zur Entmilitarisierung der Ukraine” handeln würde, behauptete das Sekretariat der DKP gleich zu Beginn einer Erklärung, der mehrere Wortmeldungen des Parteivorsitzenden folgten. Das Morden verharmlost dieser Kader, indem er die Tatsachen beschreibende Worte wie Angriffskrieg oder Kriegsverbrechen meidet und stattdessen relativierende Bezeichnungen wie “Maßnahmen” verwendet. Für das reale Grauen, den dokumentierten Krieg, macht seine Gruppierung, die sich per Zitat sogar direkt auf die Propaganda der Putin-Despotie bezieht, letztlich nicht den Angreifenden, sondern weitere Akteure verantwortlich. In irrationaler Verkehrung der kapitalistischen Kriegsrealitäten heißt es:
“Die Entwicklung der letzten Tage ist Teil einer Eskalation, die seit Jahren vom Westen und der NATO vorangetrieben wurde. Sie birgt die Gefahr eines Flächenbrands. Diese Eskalation muss beendet werden”.
Seit Jahren verweigert sich die linksdeutsche Gruppierung einer Kritik am russischen Kapitalismus und seiner Charaktermasken. Dafür wendet sich die DKP mit ihrer jüngsten Erklärung erneut gegen angebliches “Putin-Bashing” und gegen die “unsinnige“ (sic!) Forderung nach “‘Solidarität mit der Ukraine‘”. Mit vielen Formen der Schuldumkehr, die das russische Regime von seinen Taten entlastet, erklärt die Partei das organisierte Schlachten. Dabei nennt die Gruppierung die NATO als Verursacher, wobei sie einen hauptverantwortlicher Staat als eigentlicher Brandstifter im Militärbündnis ausgemacht haben möchte. So spricht auch der Patrik Köbele, der Vorsitzende der traditionsreichen Partei, vielfach von den USA, während er den Angriffskrieg des russischen Regimes verharmlost und rechtfertigt; ganz so als sei der Kreml noch immer das Zentrum der Sowjetmacht sowie Putin die Reinkarnation eines Generalsekretärs der KPdSU.
Karl Liebknecht, der 1919 durch die deutsche Reaktion ermordete KPD-Mitbegründer, kam immerhin auf die Idee, dass der “Hauptfeind im eigenen Land” stehen würde. Es seien, so der den kapitalistischen Krieg bekämpfende Kommunist, “der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie”. Die DKP fällt mit ihrem Vorsitzenden, der sich sogar von dem Zitat des Anti-Militaristen distanziert, selbst hinter solche Verkürzung zurück. Indem ihr Sekretariat ein “imperiale[s] Faustrecht der USA” beschwört, der für das expansionistische Vorgehen des russischen Militarismus verantwortlich sei, verdreht die Gruppierung die Tatsachen, wobei weitere anti-amerikanischen Phantasien zur Erklärung des irrationalen Konstrukts dienen. Deutschland sei, sagt der Vorsitzende, lediglich ein “Vasall” des amerikanischen “Imperialismus”, der als Hauptfeind zum eigentlichen Antagonisten der DKP avanciert.
Kader wie Köbele greifen, angesichts kapitalistischer Krisen und dazugehörigen Kriegen, immer und ausgiebig in die stinkende Mottenkiste des deutschen Linksnationalismus. Aktuell dichte der deutsche Sozialist seinem Kapitalismus, dessen mörderische Potenzen er verniedlicht, eine “Vasallenrolle zum US-Imperialismus” an. Das sei so, radebrecht der Vorsitzende, “weil er weiß, dass sein Wachstum und Stärke auch nur in dieser Vasallenrolle geht”.
Dass zehntausende Menschen durch die russischen Angriffe starben und Hunderttausende fliehen mussten, verschweigt seine ein Jahrzehnt nach dem KPD-Verbot etablierte und legalisierte Ersatzstruktur; das zum echten Grauen ebenfalls schweigende Sekretariat schwadroniert stattdessen von einer amerikanischen „Blutspur“, die sich für die DKP offenbar durch die Geschichte zieht, wobei Köbele und Konsorten die Vereinigten Staaten sogar für das Geschehen in der Ukraine in Haftung nehmen.
Abschließend fand die DKP daher passende Phrasen, acht “wesentliche Ursachen”, die für die “Eskalation”, ursächlich seien. In keinem der Punkte geht es um den russischen Kapitalismus, den die Gruppierung ausblendet, und dessen Kriege, von denen die Partei weitgehend schweigt. Dass auch zu dieser nationalstaatlichen Form der kapitalistischen Produktionsweise das organisierte Morden gehört, könnten die DKP jedoch wissen. Schließlich trägt, so der sozialistische Philosoph Jean Jaurès, solche Ökonomie “den Krieg in sich wie die Wolke den Regen”.
Kein einziges Wort des Mitleids fanden das DKP-Sekretariat und der Vorsitzende für die Opfer des durch Russland verbrochenen Schlachtens. Das völlige Fehlen von Empathie verhöhnt diese Toten. Solche Menschenfeindlichkeit zeichnet die Wortmeldungen der Parteikader aus, wobei ein trauriger Höhepunkt erreicht wurde, als der Vorsitzende sich voller Häme über den Bürgermeister von Kiew belustigte. Ein Redebeitrag des Landesverbandes Berlin bestürzt derweil durch völlige Abstinenz jedweder Staatskritik. “Sicherheit für Russland ist Sicherheit für unser Land”; das sei schon zuvor die Position seiner Gruppe gewesen, so der sich sicherlich auf Karl Marx berufende Redner, der sich aber offenbar eher mit der Bundesrepublik identifiziert.
In den folgenden Minuten trat dieser Parteifunktionär aber erschreckenderweise als treuer Parteigänger des russischen Militarismus auf. Forderte Lenin im Jahr 1915 noch die “Umwandlung des imperialistischen Kriegs in den Bürgerkrieg”, gab sich dieses DKP-Mitglied mit weitaus weniger zufrieden. Der Kader übernahm wie Köbele die Positionen des russischen Regimes, wobei er ein “System der kollektiven Sicherheit” für diese Despotie einforderte – und von der befreiten Gesellschaft schwieg. Ähnlich positioniert sich sein Vorsitzender, der davon ausgeht, dass “dieser Konflikt mit einer wie auch immer geänderten Ukraine enden wird (…) und natürlich wird da logischerweise Russland auch gucken, dass eben die Geschichte mit der NATO-Integration nicht so einfach von vorne dort losgeht”. So zumindest Köbele: ein prophezeiender Putin-Apologet, der sich selbst “auf der Seite der Arbeiter” sieht, aber das russische und ukrainische Proletariat durch seine Ausführungen verhöhnt.
Dass sich Putin mit seinen verschwörungsideologisch-antikommunistischen Tiraden noch kurz vor dem jüngsten Schlachten erneut gegen den durch die Partei zur Ikone gemachten Lenin wandte, war weder für den Vorsitzenden noch andere DKP-Kader und ihre Grüppchen ein verspäteter Anlass, um sich endlich gegen den Despoten zu wenden. Stattdessen raunte der Sprechende von der DKP zu Berlin vom “Russenhass (…) durch die NATO”, wobei er mit seiner aktualisierten Agentur-Theorie die Vorstellungen seiner Zielgruppe bediente – und antislawische Formen des deutschen Rassismus verschwieg. Ähnliche Inhalte finden sich in einer jüngst veröffentlichten DKP-“Friedens-Info”, wobei sich die Putin-Apologet_innen explizit gegen die “politische” und “finanzielle Unterstützung des Kiewer Regimes“ (sic!) sowie für die “Rücknahme der Sanktionen gegen Russland” aussprechen (PDF). Dass sich hinter dem Ruf nach Frieden eigentlich die Mörder verstecken, trifft wohl auch in diesem Fall zu.
Der wahre Sieger des “Krieges in der Ukraine” seien, so der namenlos bleibende DKP-Funktionär zuvor in Berlin, aber die Vereinigten Staaten von Amerika. Das US-Kapital würde, so die moralisierende Anklage, in Kriegszeiten “auch noch Gewinne in der Rüstungsindustrie und mit Fracking-Gas” erzielen. Amerika stehe, verlautete die Parteizeitung “Unsere Zeit” fast zeitgleich, an der “Spitze der Kriegstreiber”. Als Kronzeugen dieses Idealismus dienen der DKP diverse Ideologen der deutschen Reaktion.
Zur Beweisführung bezog sich das DKP-Blatt etwa auf den deutschnationalen Parlamentarier Willy Wimmer (CDU), der nach Jahren als Staatssekretär vor allem durch inhaltliche und personelle Nähe zum verschwörungsideologischen Milieu auffiel. Der weit rechtsaußen positionierte Reaktionär diente antisemitischen Multiplikatoren wie dem Verschwörungsaktivisten Ken Jebsen als Stichwortgeber. Das Parteiorgan nannte zudem den Autoren Michael Lüders, der von der Vorstellung einer viel Unheil verursachenden israelischen “Lobby” angetrieben scheint, wodurch er eine ähnliche Zielgruppe wie Wimmer begeistert. Doch Klaus von Dohnanyi, selbst nach DKP-Angaben ein “rechte[r] Sozialdemokrat”, erfreut die sich als kommunistisch verstehende Gruppierung besonders. Das liegt an dessen Erzählung vom imperialen Amerika, wobei die USA letztlich die “souveränen Rechte der Bundesrepublik”, als deren potentielle Sachverwalterin sich die vorgeblich kommunistische Partei anbietet, bedrohen würde, was zu den Vorstellungen des Vorsitzenden passt.
Schon Rosa Luxemburg, auf die sich die DKP zumindest abstrakt bezieht, verwies derweil darauf, “dass der Weltfriede eine Utopie bleibt, solange die kapitalistische Wirtschaftsordnung nicht abgeschafft ist”. Der Krieg war für die kritisierende Kommunistin eine der mörderischen, “Blüten” am Baume der kapitalistischen Ausbeutung. Diese wollte die Spartakistin nicht verwalten, sondern überwinden. Luxemburg kritisierte den damaligen “Umfall” des sich links dünkenden deutschen Liberalismus gegenüber den reaktionären Mächten, die Organisationsformen der kapitalistischen Akkumulation darstellen.
Im Gegensatz zur umgefallenen DKP, die mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine vollständig zum Parteigänger des Putin-Regimes mutierte, wandte sich die Luxemburg gegen jeden “reaktionären Kapitalismus, mag dieser stehen, wo er will”. Das von Russland durchgeführte Morden in der Ukraine hätte Revolutionärin kritisiert, um die Überwindung der ursächlichen Verhältnisse einzufordern. Von der DKP ist solche Intervention nicht zu erwarten. Selbstkritisches Überdenken falscher Positionen ist “schmerzhaft”, sodass die an K-Gruppen erinnernde Struktur schon zuvor verzichtete, bei der Verteidigung der stalinistischen Sowjetunion und der Verharmlosung der nachfolgenden Staatlichkeit verblieb, was letztlich in der Parteinahme für Putin endete.
Statt “Widerspruch und Widerstand gegen die Bedingungen” (ISF), die den Krieg hervorbringen, zu artikulieren, entschied sich diese “Zwischensekte” (Marx) mit den russischen Bomben auf die ukrainische Zivilbevölkerung endgültig; sie blieb bei ihrer irrationalen Parteinahme für den russischen Militarismus, obwohl es auch ihre materialistische Aufgabe wäre, die Erkenntnis zu verbreiten, dass realer Frieden nur als “Ergebnis des radikalen Bruchs mit der Staatlichkeit schlechthin” (ISF) möglich ist. So reproduziert die sich dem Kommunismus verpflichtete Partei erneut die Tragödie des hiesigen Sozialismus, der kommunistische Ideen mit deutsch-philosophischem Idealismus vermengt.
Mittels einer ihrer Methoden, wie dem Antiamerikanismus, können Wortführende, die sich “den Schlingen der Ideologie (…) nicht entwinden”, immer “einen phantastischen Zusammenhang” zur Erklärung von Kriegen und Krisen “konstruieren” (Marx). Angesichts der geschilderten Phantasien, die wie ein Hohn auf eine wirkliche Kritik der Verhältnisse wirken, bleibt für am Kommunismus festhaltende Menschen nur zu hoffen, dass diese Gruppierung, die nur noch wenige tausend Mitglieder besitzt, mit dem “Entstehen einer wirklichen kommunistischen Partei in Deutschland” (Marx) endgültig ihre Auflösung erlebt.
Es bleibt ein Elend! Das veranschaulichen die Ausführungen des Vorsitzenden. Was der Köbele betreibt, zeigt der Mitschnitt einer Veranstaltung der DKP München. An dieser Stelle dokumentiere ich einige Ausfälle:
Zum diesjährigen “Ostermarsch” versammelten sich etwa 280 Personen in Oldenburg. Der Aufruf des hiesigen “Friedensbündnisses”, das in der Vergangenheit unter anderem eine die antisemitische BDS-Strukturen verharmlosende Veranstaltung über den angeblichen Einfluss von “Antideutschen” organisierte, bagatellisierte den russischen Angriffskrieg. In Verkehrung der Tatsachen hieß es: “Der Ukraine-Krieg ist eine Folge der NATO-Osterweiterung bis an die russische Grenze”.
Zum diesjährigen Ostermarsch forderte das “Antideutsche” fürchtende “Bündnis” letztlich, dass sich die Angegriffenen mit dem Aggressor einigen müsse: “Verhandlungen auf höchster Ebene zwischen USA, NATO, Russland und der Ukraine” sowie “neutrale Sachverständige” zur “Aufklärung von Kriegsverbrechen”, hieß es beispielsweise im kurz vor Ostern verbreiteten Aufruf gegen den “eskalierenden Krieg”, der die mörderischen Folgen des russischen Angriffs verschweigt.
Das unsägliche Schreiben bewarb der hiesige Ableger der sogenannten Linkspartei, der auch eine Sprecherin entsandte. Multifunktionärin Sonja Manderbach ist unter anderem Aktivistin bei der rechten Endzeitsekte “Extinction Rebellion” (ER) sowie bei deren Ableger “Letzte Generation”, wobei sie an deren klimapolitischen Protesten partizipiert, die vor allem das Proletariat treffen. Außerdem singt die Gläubige, zum Beispiel im Rahmen der örtlichen “Christians for Future”-Gruppe, gegen die Umweltzerstörung an, wobei die konservativen Untertöne in den ER-Werbesongs der Gläubigen nicht zu überhören sind. “Kämpft für ein lebenswertes Land”, hieß es zum Beispiel in einem umgedichteten Kinderlied, während mit einem anderen Song vor einer bald drohenden “Apokalypse” gewarnt wurde.
Ein weiterer Sprecher des diesjährigen Ostermarsches trat früher vielfach in Olivgrün auf. Florian Pfaff ist ehemaliger Bundeswehrsoldat, der in den vergangenen Jahren in zahlreichen Videoformaten der verschwörungsideologischen Szene zu sehen war. Dort zeichnete er die Bundesrepublik als Vasallen der von ihm dämonisierten USA, wofür es reichlich Zustimmung von ganz Rechts gab. Anfang des Jahres war der praktizierende Katholik beispielsweise beim rechten Verschwörungsproduzenten Daniel Ganser zu Gast, was nationalistische Zusehende kommentierend beantworteten: “Männer wie Ihr,seid es wert die Hoffnung nicht aufzugeben”, begeisterte sich zum Beispiel ein Anhänger mit den in der Verschwörungsszene üblichen orthografischen Schwierigkeiten.
Vor einigen Jahren gab der damalige Offizier dem von antisemitischen Apologeten des iranischen Regimes betriebenen Online-Portal “Muslim-Markt” ein Interview, in dem er ein bezeichnendes Endziel seiner politischen Tätigkeit formulierte. Es ginge darum, so der antisemitische Motive aufgreifende Bundeswehr-Offizier, “dass keiner mehr Märchen erfindet, um seine Bevölkerung (…) aufzuhetzen”. Dieses Ziel lasse sich weltweit aber nur realisieren, wenn “es gelingt, den Konflikt in Nahen Osten zu lösen, also die Besetzung des palästinensischen Gebietes durch Israel, welche die Israelis mit Angriffen gegen sie rechtfertigen (sic!)”.
In Oldenburg sprach der verschwörungsideologische Aktivist aber nicht von der offenbar angestrebten Endlösung der Israel-Frage, sondern monologisierte von einem lange geplanten Krieg in der Ukraine, wobei der vormalige Bundeswehr-Major – wenig überraschend – die NATO verantwortlich machte, die er als “Verbrecherbündnis” bezeichnete. Seine reaktionäre Einlage, für die es nur spärlichen Beifall gab, dokumentierte der linksdeutsche Amateurfilmer Hermann Jack. Der YouTuber begleitet ansonsten schon seit mehreren Jahren die Proteste von Corona-Leugnenden. Wortführenden und Gläubigen bereit Jack eine Bühne für Menschenverachtung, während er Protestierende wider den reaktionären Mob unter anderem als “Corona-Heulbojen” verunglimpft.
Jack spricht selbst von “Diskriminierung” der “Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen”. Von ihm vielfach genutzte Terme wie “Maskenzwang” zeigen, dass der Filmende den Narrativen der die Gefährlichkeit von Covid-19 leugnenden Verschwörungsszene verfallen ist. Über seine Facebook-Seiten verbreitet Jack schließlich entsprechende Propaganda, wobei er antisemitische Mythen und mörderische Feindbilder von und für Corona-Leugnende aufgreift. Vielfach warb der Filmende, dessen Anwesenheit auf dem Ostermarsch auch in diesem Jahr offenbar niemanden störte, für die gefährlichen Aufmärsche von rechten Wut- und Reichsbürgern.
Bei den Manifestationen von Corona-Leugnenden filmt er, was Nazis die Recherchen erleichtert, immer wieder antifaschistische Personen, die gegen diese Zusammenkünfte protestieren. Dass sich bei dem von ihn beworbenen “Montagsdemos” regelmäßig eine einflussreiche Holocaust-Leugnerin, zahlreiche Nazi-Rocker und prominente AfD-Kader tummeln, verrät sein den die Shoa- und Corona-Leugnenden Sucharit Bhakdi als Kronzeugen nennender “Tu Was”-Kanal nicht. Stattdessen bietet der seit Jahren den Ostermarsch in Oldenburg dokumentierende Verschwörungsproduzent derzeit das Interview mit einem “Rap Activist”, der sich selbst als “RechtsXtrem” bezeichnet.
“Wir gehen für unser Land, ist der Weg noch so lang, nichts was uns halten kann, bei unserem Spaziergang”, reimt der durch Hermann Jack beworbene Verschwörungsmusikant. Der deutsche Dichter beschwört das kämpfende “Volk”, wobei er zahlreiche Motive aus der Verschwörungsszene aufgreift. “SchwrzVyce”, so der Künstlername des gegen den bei Corona-Leugnenden verhassten Bill Gates rappenden Hessen, liefert den reaktionären Soundtrack für rechte Zeiten. Herman Jack scheinen solche Inhalte anzusprechen.
Zuletzt bewarb der Filmemacher mit seinen kurzen Propaganda-Clips gleich mehrfach die antisemitisch-verschwörungsideologische Kleinpartei “Die Basis”, deren niedersächsische Kader er vor der letztjährigen Bundestagswahl zum Wahlwerbegespräch bat. Allerdings ist der Kameramann laut gut informierten Quellen noch immer Mitglied der sogenannten Linkspartei. Abgrenzungen gibt es offenbar keine. Der ehemalige Vorsitzende der Linksfraktion im Rat der Stadt Oldenburg, Hans-Hennig Adler, stellte sich seinem Genossen, der im vergangenen Jahr mit der die mörderischen QAnon-Mythen verbreitenden “Basis”-Aktivistin Eva Rosen plauderte, während des Ostermarschs erneut zum Gespräch. Dort verdrehte der Sozialdemokrat die Tatsachen. Der Landtagskandidat der der sogenannten Linkspartei brachte erschreckend viel Verständnis für das russische Vorgehen auf.
Russland wolle doch nur ein “Sicherheitsproblem lösen” und “Menschen in der Ostukraine schützen”, trug der Jurist die den Angriffskrieg rechtfertigenden Lügen des Putin-Regimes vor. Zudem munkelte Adler, dass es “nachvollziehbare Gründe” für den russischen Angriffskrieg geben könne. Es sei indes “tragisch”, so der eine Krokodils-Träne herauspressende Politiker, “dass auf diese Weise ganz viele unschuldige Menschen ihr Leben verlieren, nur damit die Beteiligten (sic!) besser verhandeln können”. Zum Gesprächsende wandte sich Adler nicht gegen Putin, aber gegen den ukrainischen Präsidenten. “Obwohl Selenskyj immer wieder versucht, die NATO reinzuziehen, bisher ist ja Gott sei Dank der Widerstand noch stark genug”, freute sich Adler über das allgegenwärtige Appeasement in Deutschland.
Mit keinem Wort kritisierte der Anwalt das Putin-Regime. Stattdessen blieb es bei Verharmlosungen, die in Schuldumkehr gipfelten, wobei die ukrainische Regierung als Aggressor erschien. Ähnliche Verbalinjurien sonderte der bereits erwähnte ehemalige Bundeswehr-Major ab. Der Pfaff gab ebenfalls den Putin-Versteher. Es ginge “darum, zu verstehen, dass die NATO, in den Augen von Putin, (…) eine aggressive Angriffskonstitution” sei, behauptete der deutsche Militär, bevor er gleichfalls der Ukraine die Schuld am russischen Angriffskrieg gab, in seinem Interview für den Corona-Leugner.
Manche Teilnehmenden waren, so heißt es im gewohnt freundlichen Werbetext der Lokalzeitung, mit diesen Verdrehungen nicht einverstanden. Das zeigte sich laut Nordwest-Zeitung (NWZ) am ausbleibenden Beifall. Eine deutliche Positionierung gab es zudem durch Anwesende, die mit ukrainischen Fahnen am Ostermarsch teilnahmen. Offensichtlich gingen die Ausfälle des Ex-Mayors sogar manchen Organisierenden zu weit.
Für das selbsternannte “Oldenburger Friedensbündnis” distanzierte sich Ulrich Glade direkt nach den Ausfällen: “Das war jetzt die Meinung von Herrn Pfaff. Das heißt nicht, dass das Friedensbündnis die gleiche Meinung hat. Das Gegenteil ist sicher der Fall”, behauptete der Sprecher, wofür es lauteren Beifall gab. “Niederträchtig wie immer benehmen sich die Preußen”, schrieb Friedrich Engels im Februar 1863 an Karl Marx. Angesichts der Zustände in Oldenburg, scheint dieses Urteil auch auf die porträtierten Akteure aus der norddeutschen Provinz zuzutreffen.
Dass der Aufruf seines “Bündnisses” zuvor ähnliche Inhalte wie der geladene Militär brachte, benannte der für die Organisierenden sprechende Ulrich Glade vor Ort jedenfalls nicht. Von ihrem Dokumentarfilmer hat sich weder das “Bündnis” noch die sogenannte Linkspartei distanziert. Stattdessen erneuerte sich die Kooperation zwischen dem Corona-Leugner und seinem Genossen, der für die Linke in den Landtag einziehen möchte. Auch in diesem Jahr blieben nötige Proteste gegen diese Zusammenarbeit aus. Ob es in Zukunft die angebrachten Interventionen durch Menschen, die sich der Emanzipation verpflichtet fühlen, geben wird, bleibt ein weiteres Mal abzuwarten.
“No Döner on a dead Planet”. Das besagt eine Verkündigung der Endzeit-Sekte “Extinction Rebellion”. In Oldenburg verklebten Mitglieder der Gruppierung, die sich zu Beginn der Pandemie an angeblicher “Panik” ihrer Mitmenschen erfreute, ihre Losung über bereits angerissenes Plakat. Das zeigte die Köpfe der Menschen, die ein Nazi in Hanau ermordete, wofür sich die plakatierenden Akteure der Struktur offensichtlich nicht interessierten.
Das ehemalige “Gaumusterdorf” Dötlingen ist ein Beispiel für postnazistische Verhältnisse in Norddeutschland. Symbole aus den Zeiten des Nationalsozialismus finden sich auch heute auf den alten Gebäuden, die rechte Reisende noch im neuen Jahrtausend bewundern. In der Gemeinde stellte die NS-Nachfolgepartei NPD nach der CDU und über Jahre die zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat. In diesem Jahrtausend nutzen Nazi-Banden das bei Oldenburg gelegene Dorf, das die eigene Vergangenheit weitgehend verdrängt, als Kulisse für rechten Aktionismus.
Mit dem Jahr 1933 kam nicht nur die Machtübergabe an die NSDAP. Schließlich entstand damals die geografische Einheit namens Dötlingen. In der neu gebildeten Gemeinde lebten zu diesen Zeiten rund 6.000 Personen. Drei Jahre später ernannten die Nazis das Gebiet zum „Gaumusterdorf“. Dötlingen diente bereits zuvor als Drehort für NS-Heimatfilme. Im April 1934 wurde im Örtchen bei Oldenburg die letzte Szene eines völkischen Machwerkes gefilmt.
Im NS-Streifen „Das alte Recht“ geht es um den deutschen Bauern, seine Ehefrau und die Scholle. In der Blut- und Boden-Schmonzette traten Darsteller auf, die in weiteren Propagandafilmen zur Legitimierung der antisemitischen Vernichtungspraxis beitrugen. So stellte sich Schauspieler Bernhard Goetzke ebenso wie Komponist Wolfang Zeller für das filmische Verbrechen „Jud Süß“ zur Verfügung.
In „Das alte Recht“ sind derweil auch Laiendarsteller aus der Region sowie Statist_innen aus der Gemeinde zu sehen. „Wir treffen viele gute Bekannte in unserem Heimatfilm“, bemerkten die Oldenburger „Nachrichten“ daher nach der Premiere. Schließlich waren regional bekannte Darsteller wie Fritz Hoopts zuvor als Laienschauspieler an der Niederdeutschen Bühne Oldenburg aktiv.
Carl Röver, der damalige Gauleiter im Freistaat Oldenburg, begeisterte sich bei der Uraufführung für den völkischen Streifen. Der fanatische Nationalsozialist lobte den „Geist der unauflösbaren Verbundenheit von Blut und Boden, der so eindringlich aus dem Film spricht“. Dötlingen sei „ein Gebiet von seltener Schönheit und großen Reizen“, hieß es derweil im nationalsozialistischen „Filmkurier“.
Dieses Dötlingen profitierte damals von rechten Reisenden, die gerne durch die NS-Kulisse flanierten. Die bäuerliche Ansiedlung im Grünen wurde von NS-Kadern und sympathisierenden Kameradschaften aus dem Ausland besucht. Solche Gestalten erfreuten sich an der bis heute vorherrschenden völkischen Ästhetik, die aus uralten Eichen, nationalsozialistischen Symbolen und übergroßen Findlingen entsteht.
Besuchende bewunderten bereits damals einen gewaltigen Brocken, den die Bewohnenden 1933, zur Feier des an die Macht gelangten „Führers“, auf dem zur Gemeinde gehörenden Gierenberg weihten. Ihr Stein zierte ein großes Hakenkreuz und eine Rune. Letztere ist noch heute auf dem Brocken zu erkennen, den die Gemeinde mit einem Hinweisschild bewirbt.
Angehörige der „Hitler-Jugend“ erhielten am Fuße des Berges im Püttenhus ideologische Schulungen. Es waren die Einheiten der Alliierten, die den deutschen Spuk zu Dötlingen beendeten. Das Hakenkreuz wurde entfernt und der Stein auf die Seite gelegt. Andere Symbole blieben ebenso wie die Runen am HJ-Schulungsheim erhalten. Dass sich rechte Besuchende bis in dieses Jahrtausend für Dötlingen begeistern, scheint die Gemeinde nicht zu stören. Schließlich verzichtet das deutsche Dorf auch im 21. Jahrhundert auf kritische Einordnungen, wobei Verantwortliche die braune Vergangenheit oftmals verschweigen.
Manchen Gebäuden fehlt jeder Hinweis auf die Vergangenheit. Das gilt zum Beispiel für das Rogge-Haus. Den gleichnamigen Bauern ermordeten Männer des „Freikorps Adolf Hitler“, nachdem sie den „Gegner des Nazisystems“ am 14. April 1945 und unter einem Vorwand in ihr Fahrzeug gelockt hatten, auf der Landstraße in Richtung des nächsten Kaffs. Seine Leiche ließen die Mörder liegen. Sie dekorierten den Körper des Willi Rogge dafür mit einem Schild: „Wer sein Volk verrät, stirbt“.
Dötlingen blieb als Gemeinde auch in den folgenden Jahrzehnten eine rechte Hochburg. Dort kam es 1976 – so berichtete der “Arbeiterkampf” des Kommunistischen Bunds – offenbar zu einer erstaunlichen Kooperation. “Um doch noch den Bürgermeisterposten zu angeln”, bildeten “SPD und FDP eine Zählgemeinschaft” mit einem “NPD-Faschisten”, kritisierte das Blatt in Ausgabe 95 auf der achten Seite.
“Sie haben mit ihm eine Stimme Mehrheit”. Das Blatt vermutete: “Die Politik dürfte eben dieser Faschist bestimmen”. Lokale Erfolge der NPD, die in der Region weitgehend durch die AfD abgelöst wurde, gerieten in den folgenden Jahrzehnten in Vergessenheit. Die neue Rechtspartei nutzte das „Gaumusterdorf“ ebenfalls als Bühne für ihre Veranstaltungen. Nazi-Gruppen wie die „Brigade 8 Bremen“ kommen gleichfalls in die Gemeinde. Sie hinterlassen Kränze, die verstorbenen Nazis für die “Treue für’s Vaterland“ danken, während auf dazugehörigen Lichtern dem “Tatenruhm” der Toten gedacht wird.
Dötlingen verdrängt derweil weiter, sodass die Gemeinde bis heute nicht an den in den letzten Tagen des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges ermordeten Willi Rogge erinnert. Erst seit 2009 gibt es eine Granitsteele, die diesen Nazi-Gegner einschließen soll, was Angehörige indes als ungenügend kritisieren. Es ginge um “alle zivilen” (sic!) “Opfer des NS-Regimes”, begründete der Heimatverein den Stein, der völkische Denkmäler ergänzt. “Wir waren der Meinung, dass es nunmehr – nach 60 Jahren – an der Zeit war , dieses Vorhaben anzupacken”, sagte die Vorsitzende zudem.
Ein Kriegerdenkmal findet sich direkt in der Nachbarschaft. Verharmlosende Hinweisschilder stehen derweil bei den in der Nähe zu findenden NS-Stätten. Das gilt nicht nur für den Nazi-Stein auf dem Gierenberg, sondern auch für das Püttenhus, an dem die genannten völkischen Symbole, für die sich ganz bestimmte Touristen begeistern, zu sehen sind. Ihre Begeisterung belegen Berichte, die solche Besuchende nach ihrem Abstecher ins ehemalige „Gaumusterdorf“ in ihren Weblogs für rechte Reiselustige verfassten.
Die im Zentrum rechter Eventkultur stehenden NS-Stätten interessieren auch andere Einrichtungen. So suchte beispielsweise das “Nordwestdeutsche Museum für IndustrieKultur” aus Delmenhorst nach Personen, die sich auf die “Spuren des einstigen ‘Reichsgaumusterdorfes’ Dötlingen begeben” wollten. Derartige “Exkursion” führt, so hieß es in der reißerischen und geschichtsvergessenen Einladung, zu “Kultstätten der Nationalsozialisten”.
Der kollektive Besuch des in Dötlingen installierten Nazi-Steines, den die Organisierenden mit blumigen Worten beschrieben, sollte offenbar das Interesse wecken. Die in Oldenburg und Umgebung relevante “Nordwest-Zeitung” (NWZ) zitierte das Schreiben zum Ausflug ins ehemalige “Gaumusterdorf” recht wohlwollend. Dort wurde der Nazi-Brocken “als Denkmal für die ‘Machtergreifung'” bezeichnet.
Im Artikel idealisierte das Blatt dieses deutsche Dorf, wobei die weitgehend rechtskonservative Zeitung – fast wie damals der „Filmkurier“ – von einer “noch heute als pittoresk geltende Atmosphäre” schwärmte. Derartige Beschreibungen dürften der Vorsitzenden des Heimatvereines gefallen. „Wir sind noch heute ein Musterdorf“, hieß es von Seiten dieser deutschen Heimatschützerin, deren Dorf die völkische Vergangenheit größtenteils verschweigt.
Exkursionen, die in Dötlingen begannen, endeten in den vergangenen Jahrzehnten oft im benachbarten Lohne: Das Event des Museums fand ebenfalls am nahen “Schlageter-Denkmal” einen zum Abstecher passenden Abschluss. Leo Schlageter war schließlich ein nationalistischer “Freikorps”-Aktivist, der mehrere Sprengstoffanschläge beging, wofür er von einem französischen Gericht zum Tode verurteilt wurde. Der völkische Verstorbene avancierte zu einer frühen Ikone der NS-Bewegung.
Die “natur- und denkmalgeschichtlich völlig uninteressante” Steinsammlung zu Lohne ehrt diesen Antisemiten bis heute. Wie der NS-Brocken im benachbarten Dötlingen, der mit der gleichen Einordnung zu beschreiben ist, gilt das “Schlageter-Denkmal” als ein beliebter Wallfahrtsort für alte und neue Nationalsozialisten. Die Tatsache erwähnten weder das Museum noch die Lokalzeitung, die den Abstecher bewarb, aber auf kritische Einordnungen verzichtete.
Solche Einordnungen fehlen auf den Schildern im ehemaligen „Gaumusterdorf“ ebenfalls. Im früheren Schulungszentrum der Hitler-Jugend wird heute geheiratet, während das Hinweisschild die Geschichte des Hauses verschweigt und seine Symboliken umdeutet. Manchen geht das offenbar nicht weit genug. So gab es „Anträge, den Stein wiederaufzurichten“, während der NS-Heimatfilm „Das alte Recht“ in den vergangenen Jahren im Dorf mehrfach aufgeführt wurde. In Dötlingen, dieser Schreckenskammer der deutschen Provinz, steht die kritische Aufarbeitung der völkischen Vergangenheit offensichtlich weiterhin aus.