Eiskaltland

Tour durch Tungeln

Auf einer Rückreise, um einem Stau zu entgehen, verließen wir, irgendwann im Spätsommer 2023, die volle Autobahn. Über leere Landstraßen fuhr unsere kleine Reisegesellschaft durch deutsche Dörfer, welche die anvisierte Kleinstadthölle umgeben. Irgendwo im Nirgendwo, zwischen Ostfriesland und Oldenburg, legten wir eine kurze Pause ein. So stromerten wir durch eine im Grünen gelegene Tristesse namens Tungeln.

Huldigung der Vorfahren

Im Ortskern zeugten rassistische Aufkleber von den Zuständen im deutschen Dorf. An den Bushaltestellen fanden sich derweil Plakate mit spöttischen Seitenhieben gegen Klimaschützende: „Statt auf der Straße kleben“, sollten sie besser den öffentlichen Nahverkehr „beleben“. Für die Hetze an Laternenpfählen ist die AfD verantwortlich. Das in Reimen verkleidete Ressentiment an den Bushaltestellen verantwortet unterdessen die Gemeinde Wardenburg, zu der Tungeln gehört.

Im Zentrum der aus etwa 1.450 Personen bestehenden Ansiedlung stoßen Reisende derweil auf eine kleine Kultstätte, die der Verdrehung der Vergangenheit dient. Es handelt sich um ein gepflegtes Plätzchen. Mit der vergleichsweise kleinen Anlage, die sich im Herzen Tungelns befindet, machen die Nachkommen der Nazis die mordenden Mitglieder ihrer Dorfgemeinschaft zu Opfern. Die Trauer gilt den einheimischen Tätern, deren Handeln die Stätte heroisiert.

Wie in ähnlichen Anlagen, die in den zwischen Bremen und Oldenburg liegenden Dörfern errichtet wurden, kombiniert die auf einem großen Stein angebrachte Gedenktafel deutschen Opferkult. Sie erinnert an die Vorfahren, die sich an einem von zwei verbrecherischen Akten beteiligten. Neben den Soldaten, die zwischen 1914 und 1918 im ersten großen Krieg mordeten, finden sich die Namen von Tätern, die im Zweiten Weltkrieg für „Führer, Volk und Vaterland“ den Vernichtungskrieg führten. Dass das Wehrmachtspersonal vielfach am Morden partizipierte, benennt das Monument nicht.

Bunker im Erholungsgebiet

Neben dem Mahnmal schlängelt sich ein Weg, der vom Zentrum in die grüne Idylle führt. So flanierten wir zwischen Mais-, Raps- und Spargelfeldern, bis wir zu einem mit rostenden Stacheldrahtzäunen eingegrenzten Wäldchen gelangen. Wegweiser zeigen, dass wir uns dem angrenzenden Tillysee nähern. Das bei Einheimischen trotz Badeverbot beliebte Gewässer ist von alten Wehrmachtsbunkern umgeben.

Die verfallenen Überreste des „Schießstandgeländes“, das den Vorfahren der Badenden zur Vorbereitung für die nachfolgenden Gräuel diente, gehören wie der Tillysee zum Teil eines „naturorientierten Naherholungsgebietes“. Auf den Werbetafeln heben die Verantwortlichen die Vorteile der Anlage hervor. Die brutale Vorgeschichte des Areals benennen ihre Erklärungen nicht.

Die nahe gelegene Stadt Oldenburg bewirbt die Mischung aus Wehrmachtsanlage und Waldgebiet ebenfalls. Zur Historie des angrenzenden Gewässers erfahren Lesende lediglich, dass der Tillysee nach einem „Heerführer und Feldherren des Dreißigjährigen Krieges (…) benannt“ wurde. Dass das Areal in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts zur Erprobung von Angriffskriegen diente, verschweigt die auf der städtischen Internetseite veröffentlichte Darstellung ebenfalls.

Werbung ohne Wehrmacht

Der Text zum Tillysee verweist stattdessen, erneut ohne irgendeine erklärende Einordnung, auf eine an den See angrenzende Stätte, die alte und neue Nazis bezaubern dürfte. Auf einem Hügel in direkter Nachbarschaft zum Tümpel steht schließlich ein gewaltiger Findling, der erneut  deutsche Täter zelebriert. Schon aus der Ferne sind der Wehrmachts-Helm sowie ein zu dieser Inszenierung passendes Schwert zu erkennen.

Wer sich dem auch vom Landkreis beworbenen „Kriegerehrenmal“ nähert, kann alsbald die Schrift zur Verehrung der mordenden Vorfahren lesen. Den von Deutschland ausgelösten Ersten Weltkrieg heroisiert der erste Teil der Inschrift. Auf dem Brocken heißt es, dass „214 Söhne (…) für des Vaterlandes Schutz und Ehre“ ihr Leben ließen.

Solcher Heldenkult findet sich auch im zweiten Teil der Aufschrift, die Täter von Wehrmacht und Waffen-SS als weitere Opfer äußerer Aggression erscheinen lässt. So preist die postnazistische Huldigung insgesamt „439 Brüdern und Schwestern der Gemeinde und der vertriebenen Deutschen“. Diese „gaben ihr Leben für ihre Heimat“, heißt es auf dem Brocken, der ein hervorragendes Beispiel für deutsche Geschichtsverdrehungen ist.

Hoffnung auf Aufhebung

Nach der militärischen Zerschlagung des nationalsozialistischen Vernichtungsprojektes stellten sich die Teilnehmenden gegenseitige Persilscheine aus, wobei sich die Mordenden und ihre Angehörigen einem kollektiven Gedächtnisverlustes hingaben. Ihr Leugnen ging mit einem geschichtsrevisionistischen Heldenkult einher, der die historischen Tatsachen verdrehte. Im nördlichen Niedersachsen wurden zahlreiche Findlinge, die regionale NSDAP-Strukturen als Aufmarschorte nutzten, mit entsprechenden Aufschriften versehen. Bestehende Anlagen zur Huldigung des 1. Weltkriegs, wie die Anlage in Tungeln, erweiterten maßgebliche Protagonisten in den ersten Jahren der Bundesrepublik ebenso.

Am Tillysee versuchten sich hiesige Akteure des postnazistischen Westdeutschlands, in dessen Institutionen zahlreichen NS-Tätern ungestraft eine zweite Karriere gelang, ebenfalls an der Verdrehung der Vergangenheit. Den unter anderem in der Sowjetunion praktizierte Vernichtungskrieg und die Gräuel in besetzten Gebieten machten sie mit ihrer Aufschrift zum Teil einer Maßnahme, die der Verteidigung der „Heimat“ diente, wodurch die einheimischen Opfer entstanden. Dass viele der gehuldigten Wehrmachtssoldaten in Wahrheit zwischen Warschau und Wolgograd begraben liegen dürften, benennt die Inschrift natürlich nicht.

Selbst im neuen Jahrtausend scheint den nachfolgenden Verantwortlichen die geschichtsrevisionistische Gedenkstätte am Herzen zu liegen. Offenbar beauftragten die zuständigen Strukturen, anstatt einer ohnehin viel zu spät erfolgten Sprengung, vor unserem Zufallsbesuch die Pflege des Brockens. Daher waren die Huldigung und die Symbole im Spätsommer 2023 für uns gut auf dem gründlich gereinigten Findling abzulesen.

Leider gelang es unserer kleinen Reisegruppe nicht, die steinerne Verhöhnung der Vernichteten spontan von ihrem Sockel zu stoßen, sodass wir uns nach unserem symbolischen Versuch voller Zorn über diese Zumutung zu unserem Fahrzeug bewegten. Als wir Tungeln und seinen Tillysee hinter uns ließen, blieb uns nur die Hoffnung auf die Aufhebung der deutschen Zustände. Bei der Weiterfahrt träumten wir daher von besseren Zeiten, in denen sich endlich der systematische Abriss derartiger Anlagen genießen lässt.

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Corona-Leugnende als Anti-Antifa

Corona-Leugnende, die sich an den Aufmärschen des Verschwörungsmilieus beteiligen,  attackieren nicht nur im Umfeld ihrer Demorouten antifaschistische Kunst. Mit solcher Praxis, die an den Aktionismus von Nazis anknüpft, zeigen derartige Gestalten, wo sie politisch stehen. In Oldenburg übernehmen Personen, die dem Spektrum der “Freien Niedersachsen” angehören, die Arbeit der Anti-Antifa. Hiesige Akteure, die sich einem postnazistischen Irrationalismus hingeben, beweisen so ihre Gesinnung. Immerhin kleben ihre rechten Lügen vielfach nur kurze Zeit:

 

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Spaltung einer Abspaltung

Als sich die recht junge „Kommunistische Organisation“ (KO) zum Jahresende zerstritt, entstanden zwei Organisationen gleichen Namens, die sich als rechtmäßige Nachfolge des vorherigen Vereins begreifen. So folgte die K-Gruppe, die ihrerseits als Abspaltung der „Sozialistischen Deutschen Arbeiter Jugend“ (SDAJ) und der „Deutschen Kommunistischen Partei“ (DKP) entstand, ähnlichen Auseinandersetzungen auf internationaler Ebene. Schließlich balgten sich stalinistische Strukturen, als sich ein Teil um die „Kommunistische Partei der Russischen Föderation“ (KPRF) für das Putin-Regime und dessen Angriffskrieg aussprach, während ein anderer Pol um die „Kommunistische Partei Griechenland“ (KKE) einen imperialistischen Konflikt zwischen Russland und den USA in der Ukraine ausgemacht haben wollte.

Debatte um Despoten

Der russische Angriffskrieg sorgte nicht nur zwischen mehr oder weniger bedeutenden Linksparteien für Streit. So kam es innerhalb der „Kommunistischen Organisation“, die für die erhoffte „Parteigründung“ einen „Klärungsprozess“ als „Hauptwaffe“  einsetzt, zu „Spannungen“. Innerhalb des Leitungsgremiums entwickelte sich eine „regelrechte Krise“, in der sich zwei Fraktionen – zunächst noch intern – mit dem Revisionismus-Vorwurf bekämpften. Es ginge um nicht mehr oder weniger als um das „Eindringen bürgerlicher Ideologie in die Weltanschauung des Proletariats“, klagte eine Gruppe von „Marxisten-Leninisten“ über das Verhalten ihrer „revisionistischen Führer“, die der „Zersetzung“ bezichtigt wurden.

Die angesprochenen Anführer reagierten öffentlich. Sie verkündeten eine gleichlautende Anklage, kaperten zudem die Internetseite der Vereinigung und drohten Ausschlussverfahren an. Die Wortführenden der feindlichen Fraktion hätten die „Zersetzung auf ein noch höheres Level getrieben“. Tatsächlich hatte sich die „Kommunistische Organisation“ unter ihrer Führung und in den vorherigen Monaten noch weiter von idealistischen Imperialismus-Analysen eines Lenins entfernt. Vor der jetzigen „Schlammschlacht“ propagierte die stalinistische Struktur stattdessen das putinistische Konstrukt einer „unipolaren Weltordnung“, wobei der Hauptfeind – in anti-amerikanischer Tradition – klar markiert wurde.

Wer sich durch Ausführungen der „Kommunistischen Organisation“ aus dem Vorjahr quält, kann wie manches Mitglied auf den Gedanken kommen, dass „die USA und das imperialistische Weltsystem in eins fallen“. Ob außer den Vereinigten Staaten, an dessen „Sternenbanner“ tatsächlich das Schicksal des Proletariats hängt, noch „weitere imperialistische Länder“ wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland existieren, beantworten diese Pamphlete nicht. Dass die „nationalistischen Positionen“ sowie ein dazugehöriges Eintreten für die Klassenversöhnung gegen den äußeren Feind für innerorganisatorische Kritik sorgten, konnte die Vereinigung lange Zeit dennoch als Interna behandeln.

Beitrag eines Islamisten

Die den Aggressoren und seinen Krieg rechtfertigende Mehrheit der „Zentralleitung“ setzte sich im Vorjahr mit dem Mittel der „Kampfabstimmung“ durch, was zu öffentlichen Stellungnahmen der Gesamtorganisation führte, in der es um eine Parteinahme für Putin und eine Solidarisierung mit dessen mörderischer “Spezialoperation” ging. Weitere Positionierungen reproduzierten plumpen Rassismus gegen Menschen, die vor den Attacken der russischen Armee und ihrer Handlanger flohen. Flüchtlinge aus der Ukraine würden in Deutschland „regelrecht hofiert“, log die sich kommunistisch nennende Organisation“.

Unzufriedene Mitglieder der stalinistischen Struktur unterwarfen sich auch in diesem Falle den verhängnisvollen Mechanismen des „demokratischen Zentralismus“ – und schwiegen zu solchen Positionierungen. Ende des Jahres kam es schließlich zu den harschen Auseinandersetzungen, die nun in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Zu Recht beklagte die nur in diesem Punkt sympathischere Fraktion, wie zuvor „rechte Positionen eingenommen“ wurden. So wies der Flügel auf den Podcast der Gruppe hin, in dessen erster Episode ein Mitglied der sich auf die Kim-Dynastie beziehenden „Kommunistischen Partei Deutschland“ (KPD) „nicht vom deutschen Imperialismus sprechen“ wollte, weil es „nur die USA und ihre Satelliten“ geben würde.

Ein weiterer Auslöser des Konflikts war die Veröffentlichung eines Beitrags, den der Islamfaschist Bernhard Falk (aka: Muntasir bi-llah), der wegen vierfachen versuchten Mordes und Sprengstoffverbrechen zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, für die Gruppierung verfasste, nachdem er einem weiteren Podcast der Struktur lauschte. In seinem „Diskussionsbeitrag“, der von der Organisation mit einem wohlmeinenden Vorwort versehen wurde, reproduziert Falk zahlreiche Versatzstücke eines völkischen „Anti-Imperialismus“. Der Terror-Apologet rief in seinem Pamphlet zur „Verteidigung des jeweiligen Kulturkreises“ (sic) auf, während er zugleich über den „Individualismus“ (sic!) der „‘verwestlichten‘ Gesellschaft“ (sic!) jammerte.

Hetze gegen Israel

Falk fabulierte für die „Kommunistische Organisation“ von einer „Solidarität mit der Russischen Föderation und ihrem Präsidenten“. Er positionierte sich für Putin – und gegen Materialisten wie Marx. Derartige Personen würden, so das Urteil des salafistischen Apologeten, „allzu holzschnittartige Vorstellungen von der menschlichen Geschichte als der Geschichte von Klassenkämpfen“ besitzen. Zum Abschluss verstieg sich der deutsche Idealist, der als Querfrontler praktiziert, in eine:

„vorzügliche Hochachtung gegenüber allen Menschen (…), die in treuer Pflichterfüllung – Tag für Tag, von Stunde zu Stunde – der Russischen Föderation dienen“.

Die Veröffentlichung des Hetzbeitrags von Bernhard Falk, der mit dem vormaligen syrischen Al-Qaida-Ableger „Dschabhat Fath asch-Scham“ kollaboriert, war der sprichwörtliche Tropfen, der das organisatorische Fass überlaufen ließ. Dass sich die Gruppierung zuvor mit der antisemitischen „BDS“Kampagne solidarisierte, erregte indes über Jahre keine Kritik. Diese blieb schon 2018 aus, als ein KO-Mitglied über eine „nachhaltige Kampagne“ für Israel fabulierte, für die es „zwei gesellschaftliche Träger“ identifizierte. Akteur der angeblichen Konspiration sei einerseits „die so genannte Neue Rechte“, anderseits würde „die so genannte antinationale Bewegung“ eine „geistige Mobilmachung“ (sic!) für Israel betreiben.

Solche verschwörungsideologischen Ausfälle, die nur eines von vielen Beispielen für die vollkommene Abstinenz materialistischer Gesellschaftskritik in dem linksdeutschen Zirkel ist, war für die Fraktion, welche zum Jahresende verspätet die Publikation des Bernhard Falk thematisierte, kein Anlass zur Spaltung. In den langen Erklärungen der Streitenden findet sich überhaupt keine Selbstkritik, die den Israelhass der vorherigen Jahre reflektiert. Dass die “Kommunistische Organisation” in vielen Wortmeldungen zahlreiche Topoi des postnazistischen Antisemitismus reproduzierte, indem sie mit Tiraden zum „kolonialistischen Charakter des Zionismus“ den „Versuch der Juden, den Kommunismus lebend zu erreichen“ denunzierte, erwähnen die Spaltungsschriften also nicht.

Weiter im Wahn

Die Aufarbeitung des israelbezogenen Antisemitismus blieb von Seiten beider Fraktionen aus. Stattdessen folgte hektischer Aktionismus in Form von mobilisierenden Pamphleten für parallel stattfindende Kongresse, in denen sich die Kontrahierenden als eigenständige Vereine konstituierten. Nun machen zwei namensgleiche Organisationen, deren Internetseiten optisch und inhaltlich kaum zu unterscheiden sind, der großen Idee der kommunistischen Assoziation keine Ehre. Aus einer K-Gruppe, die sich nach Mitgliedsangaben „wie eine Politsekte präsentiert“, wurden zwei Zirkel, die einen ähnlichen Eindruck machen.

Wenn es nicht um die Parteinahme für Putin geht, betreiben beide Strukturen weiterhin eine inhaltsgleiche Politik. Als nach dem Jahreswechsel etwa zehntausend Menschen im Gedenken oder in der Vereinnahmung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin zusammenkamen, traten beide Fraktionen eigenständig als „Kommunistische Organisation“ auf, wobei sich die Kontrahierenden auch bei ihrem analogen Auftritt inhaltlich, optisch und akustisch kaum unterschieden. „Mali, Donbass, Gaza-Stadt – macht den Westen endlich platt“, skandierte der putinistische Flügel zur Abgrenzung.

Die „Marxisten-Leninisten“ erklärten zeitlich, dass sie sich in Marxomagie versuchen wollen. Mit ihrem Flugblatt wurde verkündet, dass die echte “Organisation” an einer Rezeptur arbeiten würde, welche den „Kampf um den Sozialismus in allen kapitalistischen Ländern auf die Tagesordnung“ setzen soll. Bis es soweit ist, bleibt es bei der altbekannten Hetze gegen Israel, wobei es um dessen Abschaffung geht. In einer weiteren Erklärung, die im Januar erschien, träumten sie erneut von einem „Palästina“, das  „vom Jordan bis zum Mittelmeer“ reichen soll.

Währenddessen begeistert sich die andere „Kommunistische Organisation“ ebenfalls für den mörderischen Terror antisemitischer Banden, die aus Gaza-Stadt operieren. Der Versuch, möglichst viele Jüdinnen zu ermorden, macht diese Fortführung zum Teil eines  „Widerstands“, den angebliche „Völker gegen“ die gleichfalls imaginierte „westliche Vorherrschaft“ führen. Es ist nicht davon auszugehen, dass derartige Positionierungen weiteren Streit zwischen den Spaltprodukten erzeugen, weil der Hass auf Israel weiterhin ein gemeinsamer Nenner der fortan getrennt auftretenden Fraktionen bleibt.

Komisch wirkende Bedrohungen

Beide Gruppen, die den Namen „Kommunistische Organisation“ usurpieren, machen mit einem guten Label eine denkbar schlechte Politik. Menschen, die an der „wirklichen Bewegung“ zur Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise interessiert sind, sollten solchen Sekten, die sich mit Marx dem deutsch-reaktionären Sozialismus zuordnen lassen, mit den richtigen Mitteln begegnen. Aufgrund ihrer vollkommenen „Unfähigkeit, den Gang der Geschichte zu begreifen“ sind derartige K-Gruppen zwar „stets komisch wirkend“, mit ihrem Antisemitismus und Anti-Amerikanismus aber auch eine reale Gefahr, die passender Antworten bedarf.

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Auftreten eines Kreisverbands

Der niedersächsische Landtagswahlkampf brachte die zu erwartenden Resultate. So konnten sich Sozialdemokratie und Grüne über den Wahlsieg freuen, während die “AfD” im rechten Flächenland mit einem Ergebnis von 10,9 Prozent mehr als einen Achtungserfolg errang. Offenbar honorierten deutsche Wählende den verschwörungsideologisch aufgeladenen Nationalismus der völkischen Vereinigung, von der sie sich eine ganz besondere Kompetenz bei der Entfaltung einer rassistischen Staatspraxis erhoffen. Als Hoffnungsträger der Hassenden hängten diese Hetzenden inhaltlich ähnlich auftretende Konkurrenz ab.

Achtungserfolg für Corona-Leugnende

Mit einem Anteil von nur 0,1 Prozent aller Stimmen blieb zum Beispiel die rechtskonservative “Deutsche Zentrumspartei”, der es um “christliche Grundsätze für Staat und Gesellschaft” geht, weit hinter der “Alternative” zurück. Ein im Vergleich besseres Ergebnis, das in strategisch planenden Kreisen der “AfD” für größere Besorgnis sorgen dürfte, erzielte eine weitere Gruppierung. Schließlich entschieden sich 45.287 Personen in Niedersachsen, ihre Erststimme der verschwörungsideologisch-antisemitischen Gruppierung “Die Basis” zu geben, was dem recht neuen Projekt aus dem Milieu der Corona-Leugnenden bei der niedersächsischen Landtagswahl einen Stimmenanteil von 1,3 Prozent bescherte.

In einigen Regionen erzielte die Gruppierung, die von maßgeblichen Akteuren aus dem Milieu von Verschwörungsgläubigen gegründet wurde, sogar deutlich bessere Ergebnisse. So konnte sich der “Kreisverband Hunte-Weser-Ammerland”, dessen Mitglieder zuvor über die Hinrichtung niedersächsischer Politiker debattierten, über ein besonders gutes Resultat in Oldenburg freuen. Im urbanen Wahlkreis 62 wählten immerhin 1.257 Personen die Kandidatin der Verschwörungspartei, was zum örtlichen Endergebnis von 3,5 Prozent führte.

In den Vorwochen hängten Mitglieder hunderte Plakate, wobei sich die Gruppierung ein betont bürgerliches Image zulegte. Auf ihren Wahlplakaten forderte die Struktur beispielsweise eine “neue Basis” für “die Medien” und “das Gesundheitssystem”. Weitere Werbung feierte das postnazistische Grundgesetz, während zusätzliche Propaganda lediglich eine Leerstelle in Form einer weißen Fläche zeigte. Es ginge um ein zu schaffendes “Miteinander statt” der nicht näher definierten “Spaltung”, erklärte die Partei mittels eines weiteren Werks. Für welche Inhalte “Die Basis” tatsächlich steht, verrieten die analogen Werbemaßnahmen der verschwörungsideologischen Vereinigung kaum.

Deutlich deutsche Positionierungen verbreitete die Struktur stattdessen digital. Wochen vor der Landtagswahl richtete der Kreisverband schließlich einen Twitter-Account ein, der in der folgenden Zeit reichlich bespielt wurde. Über den Kurznachrichtendienst, der den wenig genutzten Telegram-Kanal ergänzte, stellte die Verschwörungspartei nicht nur ihre Kandidierenden vor, sondern verbreitete auch Inhalte, die sich zum Beispiel im Grad der Menschenverachtung nicht von den Lügen der rechten Konkurrenz unterscheiden.

BRANDSTIFTUNG IM INTERNET

Mehrfach reproduzierte der Kreisverband auf Twitter das Märchen von einem “Großen Austausch”. Dabei log die Gruppierung, dass die “Deutschen (…) durch Einwanderer aus dem Mittleren Osten und aus Afrika” ersetzt werden sollten. Der Mythos von dem durch eine Konspiration vorangetriebenen “Bevölkerungsaustausch” ist seit Jahrzehnten ein zentrales Thema der deutschen Rechten. Schon 1956 warnte der Nationalsozialist Giselher Wirsing in diesem Zusammenhang von einer “Menschenlawine”, welche die Existenz der deutschen Population gefährden würde.

Dem angeblichen “Austausch”, den eine allmächtige Konspiration mittels “Plandemie” umsetzt, möchte die Partei so wie alle Rechten vorbeugen. “Die Basis” fordert Abschiebungen, die sie zum Beispiel einem ehemaligen Mitglied der “Grünen Jugend” mit hasserfüllten Sätzen androht: “Zurück nach Afghanistan – aber flott”, twitterte der Kreisverband der Verschwörungspartei über einem manipulativen Sharepic, welches in rechten Kreisen seit mehreren Jahren zur Erregung des Hasses im Einsatz ist. Dass mit solchem Inhalt, den “Die Basis” verbreitet, meist entsprechende Vernichtungsphantasien einhergehen, beweist der Kreisverband mit weiteren Veröffentlichungen.

Kurz nach der Landtagswahl publizierten die Corona-Leugnenden aus Oldenburg und Umgebung zum Beispiel eine Grafik, die eine Karikatur darstellen soll. Der Anblick einer weinenden Frau, deren blutende Hände von einem grinsenden Germanen auf der Straße festgenagelt wurden, begeisterte die Verantwortlichen offenbar so sehr, dass sie das Machwerk in Form eines Tweets verbreiteten. Auch in diesem Fall lässt sich ein Versehen ausschließen. Eine ähnlich misogyne Darstellung, deren Inhalt aus der sexistischen Beleidigung einer sogenannten Polizeihostess besteht, publizierte die Partei  bereits einen Tag nach der Wahl.

Werbung für Nazis

Wenig später bezog sich der “Kreisverband Hunte-Weser-Ammerland” ganz offen auf die strafrechtlich relevante Propaganda eines NS-Kaders. In einem Tweet verlinkt “Die Basis” auf Ausführungen, die den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg umdeuten und die den Holocaust leugnen. In Wirklichkeit, so die wahrscheinlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllende Darstellung des Nationalsozialisten, ginge es seit mehr als einhundert Jahren um eine “Vernichtung” des “deutschen Volkes”, wobei der anonyme Verantwortliche einige Namen von Juden nennt, weil er aus seinem zur Notwehrhandlung geadelten Antisemitismus kein Geheimnis macht.

Dass der hiesige Kreisverband der “Basis” die nationalsozialistische Propaganda eines  antisemitischen Hetzers bewirbt, ist kein Zufall. So retweetete der örtliche Ableger der Verschwörungsgläubigen vielfach die Propaganda von rechten Populisten. Videos des britischen Anti-Europäers Nigel Farage teilte die Struktur etwa in Form mehrerer Tweets. Einen von Rassismus strotzenden Beitrag des FPÖ-Kaders Harald Vilimsky, dessen postnazistisches Projekt immer wieder mit Darstellungen von sinistren Migrierenden mit langer Hakennase hetzte, retweetete die Verschwörungsstruktur derweil.

Vielfach reproduzierte der Kreisverband inhaltlich ähnliche Wortmeldungen aus den Reihen der “AfD”. Einen Beitrag aus dem “Compact”-Magazin, das der antisemitische Brandstifter Jürgen Elsässer verantwortet, verbreitete die Struktur zwischendurch. Wortmeldungen eines Verschwörungstexters, der die Twitter-Sperrung des Putschisten Donald Trump mit der Ermordung des Präsidenten John F. Kennedys gleichsetzte, bewarb die Partei ebenso wie die aktualisierten Erzählungen von weiteren Profiteuren aus der deutschen Verschwörungsindustrie, die signifikante Stichwortgebende des grassierenden Wahns sind.

BASIS für Zukünftiges

Der derzeitig grassierende Irrationalismus nutzt die Corona-Pandemie und den Krisen-Kapitalismus, um Interessierten einen Einstieg zu ermöglichen. Fortgeschrittene erlernen klassische Codes und Chiffren, die dem verschwörerischen Raunen eigen sind. Wortführende müssen die angeblich Verantwortlichen der “Plandemie” nicht zwangsläufig identifizieren. Weil ihr Antisemitismus auch immer das Gerücht über Jüdinnen und Juden ist, können sie es bei entsprechenden Andeutungen belassen.

So wie die Vorsprechenden des Antisemitismus raunt der Kreisverband von einer angeblichen Elite aus “Globalisten”, was unbestritten ein “antisemitischer Topos” ist. Damit spricht die örtliche Dependance der “Basis” die an eine Weltverschwörung glaubenden Verhetzten an, während er die breite Masse wohl weiterhin mit auf den ersten Blick harmlos erscheinenden Werbeparolen auf Wahlplakaten bedient. Ob diese Kombination weitere Stimmengewinne bei kommenden Wahlen bringen wird, ist noch nicht gewiss.

Sicher ist aber, dass die Online-Inhalte im Wahlkampf weder von lokalen Publikationen noch von verbliebenen antifaschistischen Strukturen oder gar von bürgerlich-demokratischen Parteien kritisiert wurden. Stattdessen blieben angebrachte Intervention in Oldenburg größtenteils aus, während die örtliche Presse ihre verharmlosende Berichterstattung fortsetzte und die örtliche “Volkshochschule” eine “Die Basis”-Kandidatin zum Plaudern einlud. Vielleicht trugen auch diese Umstände zum guten Abschneiden des antisemitisch-verschwörungsideologischen Projekts in Oldenburg bei.

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Wiederkehr der Corona-Partys

Im dritten Jahr der Corona-Pandemie, die jeden Tag alleine in Deutschland rund 300 Tote kostet, soll die nachhaltige Feierei, ein Freizeitvergnügen deutscher Kleinbürger_innen, auch in Oldenburg weitergehen. Im Rahmen eines Neustarts, der dieses Wochenende begann, bewirbt die Lokalität “Polyester”, die laut des wichtigsten Wortführers ein Ort der “gelebten Postwachstumsökonomie” ist, die nun anstehenden Partys. Für seine Events lockt das Etablissement mit Versprechen, die verschwörungsgläubige Corona-Leugnende und notorische Impf-Verweigernde zur Teilnahme bewegen könnten.

CoVID-FEIERN Und CORONA-NAZIS

“Wir freuen uns wie Bolle (…). Wir sehen uns zum abhotten (…)! Wir weisen euch aufrichtig darauf hin, dass der Aufenthalt (…) im Klub (…) ein hohes Risiko birgt, sich mit Covid-19 anzustecken.”

Freudentrunkene Ankündigungen des Klubs, der dieser Tage sein Comeback feierte, finden sich auf der Homepage, auf Instagram sowie auf Facebook. Bereits der Ansteckungshinweis der Kneipe könnte das Interesse manches Corona-Leugners erwecken. Einige ganz besonders verkommene Gestalten infizieren sich schließlich bei passenden Gelegenheiten absichtlich bei Gleichgesinnten, was anderswo bereits Notaufnahmen belastete und manchmal zum Tode von Verschwörungsgläubigen führte.

Ob Intention oder Dilettantismus: Impfverweigernde spricht der “Polyester-Klub” mit seiner Werbung derzeit ganz besonders an. Nicht auszuschließen ist, dass der Gründer der Schänke, in der aus Gründen angeblicher Nachhaltigkeit alle Gegenstände gebraucht sind, solche Personen zum Besuch animieren möchte. Weil es für den Besuch seiner Bar noch nicht einmal eine Testpflicht gibt, könnte deren Besuch die gesundheitlichen Risiken für andere Feiernde und Mitarbeitende immens erhöhen.

“Querdenker” und andere Corona-Leugnende dürften die riesigen Hinweise der Kneipe erfreuen. Es gibt, so wirbt das “Polyester” derzeit, in den nächsten Monaten keine “Impf- oder Testkontrollen”. Grundlage für den Einlass sei eine “Vertrauensbasis”. Der ignorante Umgang mit der Covid-Erkrankung machte die Kneipe, nach Angaben von gut informierten Personen aus dem Umfeld des Klubs, bereits zuvor zum Treffpunkt für verschwörungsgläubiges Publikum, das die Gefahren der Pandemie verleugnet.

Monate vor dem “Restart”, der dieses Wochenende stattfand, veröffentlichten Verantwortliche eine längere Erklärung, in der sie sich ganz verschreckt gaben. Der “Polyester-Klub” hätte von “Gerüchten erfahren, die uns Sympathien mit der Querdenker- Bewegung und der Partei die Basis unterstellen”. Tatsächlich geht es nicht um Klatschgeschichten, sondern um Tatsachen. Schon im vergangenen Jahr kritisierten antifaschistische Zusammenhänge beispielsweise, dass ein verschwörungsideologischer Musikant, der bis Ende 2021 im Aufsichtsrat der für den Klub gegründeten Genossenschaft “Polygenos” saß, für die verschwörungsideologisch-antisemitische Kleingruppierung zu den Kommunalwahlen kandidierte.

Alexander Goretzki, der sich auf “germanische Wurzeln” bezieht, arbeitet außerdem, was die Erklärung verschweigt, dauerhaft als Funktionär der verschwörungsideologischen Struktur. Der Künstler beteiligte sich bereits intensiv am lokalen Gründungsprozess der Verschwörungspartei. Er nahm mit anderen “Basis”-Mitgliedern an Aufmärschen der Corona-Leugnenden teil. In der Nähe von rechten Hetzenden, die vielfach den Holocaust leugnen oder relativieren, wurde Goretzki zum Teil des sich auch in Oldenburg formierenden Mobs, der die pandemische Lage mit verschwörungsideologischen Mythen verklärt. Über den Aktivisten, der innerhalb der “Basis”-Struktur einen Mordaufruf gegen den niedersächsischen Ministerpräsidenten relativierte, berichteten unter anderem die antifaschistische Gruppe “Auf Abstand” und der Autor dieser Zeilen.

Das damalige "Polygenos"-Vorstandsmitglied Alexander Goretzki (2. v. l.) im Wahlkampf für eine antisemitische Partei

Das damalige “Polygenos”-Vorstandsmitglied Goretzki (2. v. l.) im Wahlkampf für seine antisemitische Partei

Kneipen-DJ und KRISEN-Apokalyptiker

Die “Polygenos”-Genossenschaft, die ihr verschwörungsgläubiges Vorstandsmitglied mit einer Anklage gegen die kritische Berichterstattung verteidigte und die ihm nach dem Rücktritt explizit für seine Arbeit dankte, besitzt das mehrstöckige Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich der “Polyester-Klub” befindet. Die Namensähnlichkeit ist, trotz kürzlich verbreiteter Verschleierungen, kein Zufall. Schließlich erzählten die maßgeblichen Figuren zuvor vielfach und freimütig vom Anlass für die Entstehung ihrer Genossenschaft. Der Vordenker der reaktionären Postwachstumsideologie, Niko Paech, gründete mit dem Klub-Besitzer, Stefan Mühlhaus, sowie mit fördernden Gleichgesinnten den Verbund, der den Bau übernahm.

“Vor zwei Tagen haben wir eine Genossenschaft gegründet, um das Gebäude sanieren zu können. Wir brauchen mindestens 600 Genossen.”

Das erzählte der deutsche Volkswirt einem geneigten Journalisten, während er dem Mitarbeiter der “Zeit” seinen Kompagnon Mühlhaus vorstellte. Niko Paech, der lange in Oldenburg an der Universität lehrte, vertritt nicht nur in dem Interview mit dieser Publikation einen “Mix aus obskuren, konservativen und kulturpessimistischen Ansichten”. Das “Polyester” versteht der alternative Konservative, der mit seiner Band, “Matini Schmerzverstärker”, öfter im nahe gelegenen autonomen Zentrum auftritt, als weiteren Ort, der seinen Vorstellungen entspricht.

An der engen Kooperation zwischen Paech, der Genossenschaft und dem dazugehörigen Klub ist nicht zu zweifeln. Der maßgebliche Ideologe sitzt seit Jahren im Aufsichtsrat der Genossenschaft, in deren Räumlichkeiten sich seine Kneipe befindet. Die Struktur um den apokalyptischen Professor, der anscheinend kein Gemüse aus Israel kauft, entstand schon 2014, um die Bar mit Tanzfläche “zu erhalten”. Dass die Ideen des Enthaltsamkeit und Verzicht predigenden Vordenkers der deutschen “Gemeinwohlökonomie”, der wie weite Teile der verschwörungsideologischen Szene “Selbstversorgungspraktiken reaktivieren” möchte, viele Menschen begeistert, zeigte sich am finanziellen Zuspruch für die gegründete Genossenschaft, der die Kneipe ihr Überleben verdankt.

Das "Polyester": Lokalität der "Gemeinwohlökonomie"

Unterschiedlich sind nur die Eingänge: Der “Polyester-Klub” im “Poly-Haus” des “Polygenos”.

VON DER SANIERUNG ZUM COMEBACK

Mehr als 800 Personen kamen – auch dank tatkräftiger Unterstützung der Lokalpresse –  zur Genossenschaft zusammen. Sie verbrannten in kurzer Zeit 275.000 Euro für die “Anteile”. Nach dem Kauf des Hauses, das zukünftig zur Vernetzung “jenseits des Mainstreams” dienen sollte, nutzten diverse Initiativen, die sich auf die “Gemeinwohlökonomie” beziehen, die oberen Räumlichkeiten. Die von Paech als “Kultkneipe Oldenburgs” gefeierte Einrichtung verblieb derweil wie angestrebt im Erdgeschoss. In den folgenden Jahren bestand das Programm oft aus Auftritten des Bar-Betreibers.

Während der Pandemie blieb der Laden, der zuvor auch ein linksalternatives Publikum anzog, aber über Monate geschlossen, sodass Mühlhaus seine Platten per Livestream erklingen ließ. In der zur Absicherung des jetzigen “Restarts” veröffentlichten Erklärung des Klubs werden die Gründungsgeschichte der Lokalität als auch die ideellen Gemeinsamkeiten zwischen den dazugehörigen Strukturen verschleiert.

Schließlich erscheint das Etablissement, in der Betreiber Mühlhaus gerne als “Mr. 5ooo seine alten Schallplatten auf die Plattenteller legt”, während er mit einem “legendären Telefonhörer” hantiert, nur wie die Mietpartei einer nicht näher beschriebene Gemeinschaft von Unbekannten, die “das Gebäude, indem sich der Polyester Klub befindet, gekauft” habe. “Das heißt, der Polyester Klub steht lediglich in einem Mietverhältnis zu der Genossenschaft Polygenos.”

Dass der Betreiber ein wichtiges Gründungsmitglied und ein maßgeblicher Multiplikator der angeblich unabhängig existierenden Genossenschaft ist, verrät die verschleiernde Erklärung nicht. Stattdessen kündigt die Verlautbarung, die sich eines zum Hühnchen gemachten jüdischen Kronzeugen bedient, vor allem das nun anstehende “Comeback” an. Vorab gab es blumige Versprechen, die der Klub aber offenbar nicht einhalten möchte.

Das angekündigte “fette Programm” fehlt, wie es zu erwarten war, ebenso wie ein verantwortungsvoller Umgang mit den Gefahren durch Corona-Infektionen. Im Januar behauptete der Klub noch, es ginge “auch” darum die “Gäste (…) vor dem Virus zu schützen”. Im April sind solche Versprechen offenbar vergessen. Stattdessen versprechen die werbenden Ankündigungen nun eher eine Praxis der Gesundheitsgefährdung. Hinzu kommt der dazugehörige Ausschluss von Menschen, die zu einer der Covid-Risikogruppen gehören.

Lassen sich gut entfernen: Aufkleber des Corona-Klubs

ENDLICH WIEDER NENA

Vorerkrankte Personen, die ohnehin größtenteils von der gesellschaftlichen Partizipation ausgeschlossen sind, sollen offensichtlich nicht im “Polyester” feiern. Selbiges gilt anscheinend für alle Interessierten, die in einer Kranken- oder Pflegeeinrichtung arbeiten. Schließlich bittet der Klub bereits potentielle Besuchende, den angekündigten Events fernzubleiben, wenn sie Menschen mit besonderen gesundheitlichen Risiken nach einer der Partys besuchen. Mit den Übertragungsrisiken an anderen Orten sowie dem Entstehen von Infektionsketten haben sich die Verantwortlichen offenbar nicht befasst.

Es geht ihnen mit den Events des Klubs, in dem nach Informationen des Autors in der jüngeren Vergangenheit missionierende Verschwörungsgläubige ohne Testung arbeiteten, offenbar um eine andere Zielgruppe. Mit einer großen Grafik wirbt das “Polyester”, in dem nach eigenem Eingeständnis auch ungeimpfte Personen die Getränke servierten, schließlich um Impfverweigernde, was die menschenverachtende Durchseuchungspraxis in Partyform auf die Spitze treibt.

“Endlich wieder Nena”, kommentiert ein Freund der Kneipe diese Feierei. Die Künstlerin passt zum Klub. Sie wurde mit der Pandemie bei Verschwörungsgläubigen populär, weil sie Mythen der “Querdenker”-Szene reproduzierte und sich mit einem Video für den Aufmarsch eines Mobs von Corona-Leugnenden in Kassel bedankte.

Ob die Integration der oftmals Verschwörungsmythen verfallenen Impfunwilligen sowie der sprachlich kaum verschleierte Ausschluss mit Menschen aus Risikogruppen für weitere Kritik sorgt, ist indes unwahrscheinlich. Das in der Ausrichtung mehrheitlich konservative Lokalblatt, die “Nordwest-Zeitung” (NWZ), bewarb die gesundheitsgefährdenden Corona-Partys des Wochenendes im Vorfeld mit einem langen Text. Das Stück gab den Verantwortlichen erneut viel Raum zur Inszenierung. Schon vor Jahren trug die Tageszeitung, die zahlreiche Manifestationen von Corona-Leugnern sowie ihre Organisationen vielfach unkritisch einordnete, durch entsprechende Artikel zur Etablierung des Zentrums der in Oldenburg durchaus populären “Gemeinwohlökonomie” bei.

Aufgabe eines kritischen Journalismus wäre es indes, die ideologischen Positionen der Verantwortlichen einzuordnen, die lokalen Verstrickungen in verschwörungsgläubige Milieus aufzudecken sowie auf die offenbar gesundheitsgefährdenden Praktiken des Lokals hinzuweisen. Solche Berichterstattung ist von der “Nordwest-Zeitung” nicht zu erwarten. Recherchen über Tatsachen, die das “Polyester” um Betreiber Stefan Mühlhaus und das “Polygenos” um den konservativen Alternativen Niko Paech zu “Gerüchten” macht, wurden durch die Tageszeitung ignoriert. Die Genossenschaft, in deren Aufsichtsrat ein Landtagskandidat der sogenannten Linkspartei sitzt, hat sich bis heute nicht von ihrem “Basis”-Kader distanziert.

Keine Impf- oder Testkontrollen. Faksimile von der Klub-Homepage

Keine Impf- oder Testkontrollen. Faksimile der wichtigsten Werbung auf der Klub-Homepage

 

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