Dorfkritik

Scheiß Provinznest!

Kleinstadthölle (1969)

“In Oldenburg hat das bisherige Revolutionäre Komitee (RK) Oldenburg, sich gerade in Revolutionäre Initiative (RI) Oldenburg umbenannt. Was weiter geschah, lassen wir eines der drei Mitglieder der RI lieber selbst erzählen: ‘Die Gruppe zerbrach an der Planung der ersten Aktion. Am 16.Juni sollte eine Demonstration gegen die Ausnutzung des Arbeiteraufstandes vom 17.6.1953 durch die herrschende Klasse (…) stattfinden. Ziel war das NWZ-Gebäude (…). 50 Personen am Sammelpunkt (…). Davon gehörte eine nicht unerhebliche Minderheit einer (…) rechtsradikalen Gruppe (…) an.'”

[16.06.1969: Quelle]

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Schuldabwehr im Weltkriegstempel

Zum “Volkstrauertag” gedenkt die Stadt Oldenburg einer “unvergessenen deutschen Stadt im Osten”. Mit ihrem Kranz knüpft sie an die jahrzehntelange Propaganda von selbsternannten und sogenannten “Heimatvertriebenen” an, welche die lokale Geschichte nach 1945 entscheidend prägten. Der geschichtsrevisionistische “Leobschützstein”, den die Stadt jedes Jahr schmückt, verhöhnt die Opfer des Nationalsozialismus, deren Mahnmale nur einige Fußschritte entfernt gelegen sind. An einem anderen Ort, der sich ebenfalls in Oldenburg befindet, gedenkt das deutsche Bürgertum derweil dem Sterben von vorher mordenden Wehrmachts- und Reichsheer-Soldaten.

Von Inszenierungen und Idealisierungen 

Zum “Volkstrauertag” versammeln sich Verantwortliche der hiesigen Zivilgesellschaft an einer weiteren Gedenkstätte, die gut zum geschichtsrevisionistischen “Leobschützstein” passt. Das im nicht weit entfernten Stadtteil Eversten befindliche Bauwerk, eine “Ringpfeilerhalle”, glorifiziert das Sterben deutscher Soldaten, die in den Weltkriegen mordeten. In der dortigen Anlage deponiert ein Mitglied vom örtlichen “Bürgerverein” jedes Jahr einen großen Kranz, um auch den gefallenen Deutschen zu erinnern, die zwischen 1939 und 1945 als Teil der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie dienten.

Das makabre Spektakel fand bis 2020 im Rahmen einer gruseligen “Gedenkfeier” statt. Derweil inszeniert die Stadt den Ort, der den hiesigen “Opfern” (!) beider Weltkriege gewidmet ist, für Besuchende. An der neben einer Autobahnausfahrt gelegenen Anlage steht daher eine “Informationsvitrine”, die der “Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg” verantwortet. Die “durch ein studentisches Projekt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg” gestaltete Erklärung idealisiert den rötlichen Rundbau aus deutscher Vergangenheit. Ein hiesiger Historiker, Georg Götz, nutzt feierliche Worte, die der städtisch-studentische Werbetext zitiert.

Ringpfeilerhalle in Oldenburg Eversten

Der Forscher und die “Flamme”

An der “Ringpfeilerhalle”, einem deutschen “Kriegerdenkmal” von 1925, erfahren Besuchende wegen der Studierenden und der Stadt, dass sie und die Pfeiler des Gebäudes “mit den Toten, die durch die Gedenktafeln symbolisiert werden, einen Kreis bilden”. Im zentralen Zitat schwärmt der Forscher von dem Ort, der ihm eine “ewige Flamme im Gedenken” bietet, die “Lebende wie Tote (…) im Gedenken” vereint. Indem Georg Götz das schon vor fast 100 Jahren von völkischen Kräften geforderte “Kriegerdenkmal” wie in seinem Aufsatz zum “Typus der Ringpfeilerhalle im Oldenburger Land” idealisiert, erlebt der einer Querfront aus Sozialdemokratie und rechtem Bürgertum zu verdankende Bau, der deutschen Opfermythen dient, auch in der Gegenwart eine entsprechende Überhöhung.

Das Innere der “Ringpfeilerhalle”, die laut Götz eine transzendierende Gemeinschaft aus Lebenden und Verstorbenen zusammenbringt, dominiert ein graues Kreuz, auf dem sich eine erschreckende Inschrift befindet: “Ihr Sterben war ihres Lebens größte Tat”, heißt es in der aus rötlichen Steinen gemauerten Anlage, die bis heute ihre Funktion als Stätte des deutschen Heldenkults erfüllt. Dass diese deutsche Heldenphrase sich selbst für die rechtskonservative Lokapostille nicht mit “unseren Kenntnissen über die beiden Weltkriege (…) vereinbaren” lässt, scheint vor Ort aber nicht zu stören.

Die 2019 entwickelte Darstellung der “Informationsvitrine” bezieht sich stattdessen erneut auf Georg Götz. Ihm “erscheint” (sic!) die 1953 hinzugefügte Heldenparole “heute fragwürdig”. So lehrt dieser Forscher über die völkische Phrase im “Kriegerdenkmal”. Götz schreibt nicht, dass die Parole wie nachträgliche NS-Propaganda aus postnazistischen Adenauer-Zeiten klingt.

Heldenkult in der Ringpfeilerhalle zu Oldenburg Eversten

Trauerfeiern für deutsche Täter

Auch im neuen Jahrtausend nutzen Nachfahren von NS-Soldaten ihren “offenen Rundtempel”, um dem deutschen Opfermythos mit einer Kranzniederlegung zu frönen. Zum “Volkstrauertag”, der in Deutschland zuallererst der praktischen Schuldabwehr dient, befestigt ein Mitglied vom örtlichen “Bürgerverein Oldenburg-Eversten e.V.” daher Jahr für Jahr ein großes Tannengesteck. Die Schleife gedenkt den deutschen Soldaten der Weltkriege. So heroisieren die Nachfahren in Oldenburg weiterhin Angehörige der verbrecherischen Wehrmacht.

Dass “Vereine Everstens” am “Volkstrauertag” den Soldaten der den Vernichtungskrieg praktizierenden Wehrmacht sowie den mordenden Truppen des wilhelminischen Imperialismus gedenken, unterstützen offenbar diverse Einrichtungen der deutschen Zivilgemeinschaft. In der jüngeren Vergangenheit fanden sich beispielsweise strammstehende Mitglieder der örtlichen Berufsfeuerwehr und andächtige Angehörige des städtischen “Markt-Managements” zu einer “Gedenkfeier” mit Kranzaufhängung zusammen. Die “Nordwest Zeitung” veröffentlichte eine Fotoserie, die das damalige Gedenkkollektiv in diesem “Bestandteil der Everster Stadtteilkultur” bei der Schuldabwehr zeigt.

Kranz in der Ringpfeilherhalle in Oldenburg Eversten

Die Stadt und ihr Weltkriegstempel 

Soldaten, die aus Stadtteilen wie Eversten oder Moslesfehn in die von Deutschland verbrochenen Weltkriege marschierten, erinnerte der “Bürgerverein” aus Eversten auch 2020, wobei die Kranzaufhängung aufgrund der Pandemie ohne “Gedenkfeier” auskommen musste. Dass die Struktur des Bürgertums im deutschen Gedenken des ersten Corona-Jahres sämtliche Bewohner des Stadtteiles vereinnahmte, die auf der rechten Schleife des deutschen Kranzes aufgeführt wurden, muss nicht verwundern. Es gibt keine Proteste gegen den militaristischen Bau, der den Stadtteil seit fast 100 Jahren verunstaltet. Stattdessen sichert die Stadt Oldenburg, die schon die Errichtung des Ungetüms teilfinanzierte, noch im 21. Jahrhundert den Erhalt des “Kriegerdenkmales”, das spätestens seit 1953 vor allem der Huldigung von gefallenen Wehrmachtssoldaten dient.

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Redner der Corona-Leugnenden

Für ihren “Querdenken”-Aufmarsch in Oldenburg, mit dem die Corona-Leugnenden die postnazistisch-bürgerliche Demokratie im Sarg zu Grabe tragen wollten, fand die Gruppe der Organisierenden einen geeigneten Redner aus der Region. Auf der abschließenden Kundgebung in Oldenburg, die am 24.10.2020 auf dem Schlossplatz stattfand,  sprach der in Nordenham lebende Autor Frank-Rüdiger Halt. Er veröffentlicht seine antikommunistisch-verschwörungsideologischen Machwerke in einem größeren  Selbstkostenverlag. Dazugehörige Auftritte bewirbt die Tageszeitung.

Ansichten eines Verschwörungsautoren

Der 1956 in die Bundesrepublik ausgewanderte Halt war nach Eigenangaben in Westdeutschland als Diplom-Physiker und als “Schulmeister” tätig, bevor er sich als “Gründer mehrerer Initiativen” einer “DDR-Aufarbeitung” verschrieb. Nun produziert der Autor verschwörungsideologische Machwerke, wobei er sich auf rechtslastige “Bürgerrechtler” und “Verschwörungstheoretiker” bezieht. Dass dieser Verschwörungsproduzent mit seinen irrationalen Inhalten, in denen es um “Zersetzung” der Gesellschaft geht, derzeit auch deutsche Corona-Leugnende anspricht, ist kein Zufall.

Frank-Rüdiger Halt verwendet die für den deutschen Verschwörungsglauben, der sich heute auf Aufmärschen der Corona-Leugnenden offenbart, üblichen Phrasen und tritt für passende Videoproduktionen auf. “Ich möchte die Menschen aufwecken”, behauptet der Autor, “und zum NWO-Widerstand bewegen”. Oft munkelt Halt über eine „Neue Weltordnung“ (NWO), für die er offenbar eine „Handvoll“ Personen verantwortlich macht. Er spricht von “Macht- und Geldeliten”, die das “Volk” bereits “seit Jahrhunderten” in einen Zustand des “Wachkomas” versetzt halten, damit es nicht gegen die NWO kämpfe. Dass er altbekannte Verschwörungsmythen aktualisiert, sagt der wütende Mann nicht.

Dafür können Lesende oder Zuhörende erfahren, dass “sie” die „großen Medien“ und die westlichen Staaten kontrollieren. “Dass wir belogen werden, schon seit Jahrhunderten”, dessen ist sich der grauhaarige Verschwörungsproduzent sicher. So raunt der Autor, der seit Jahren offensichtlich an altbekannte deutsche Verschwörungspropaganda anknüpft, wobei er auch Aktualisierungen wie die Klimaleugnung bedient. Seine Ansichten verbreitet Halt nicht nur in Büchern, sondern auch in Interviews mit verschwörungsideologischen Videoprojekten.

Verschwörungsautor mit 34.265 Klicks

Halt ist in Formaten von „NuoViso“, das aktuell Klimaleugnung und QAnon-Propaganda produziert, zu sehen. In Gesprächen mit dem Esoteriker Götz Wittneben, der nach Eigenangaben jeden Monat „mit alten Menschen deutsche Volkslieder“ singt, wenn er nicht Einzelbesuche zu 500 Euro macht oder rechtslastige Verschwörungspropaganda produziert, ergaben sich schnell viele Gemeinsamkeiten. Beide glauben, so zeigt sich in den “Neuen Horizonte”-Sendungen von “NuoViso” vielfach, an eine uralte Konspiration, die in der Gegenwart bürgerliche Sozialstrukturen beseitigt. Ihr verschwörungsideologischer Austausch, der auch der Buchwerbung dienen soll, offenbart rasch die Standpunkte des Autoren, der bei Corona-Leugnenden beliebt ist.

Vom Antifeminismus und der Schuldabwehr

In den Gesprächen vor der Kamera beklagen beide Verschwörungsproduzenten eine andauernde Zerstörung der bürgerlichen Kleinfamilie, die durch die Moderne im Allgemeinen und den Feminismus im Besonderen bedroht sei. Dass Frank-Rüdiger Halt vielfach anti-feministische Positionen einnimmt, zeigt sich auch mit einer typischen Chiffre – sowie dem dazugehörigen Verschwörungskonstrukt: Ein Rockefeller habe die „Emanzipation der Frau (…) erfunden und finanziert, (…) um die Kinder (…) und die Steuergelder der Frau zu bekommen”, spricht der Autor. Er gibt den Dozenten, während sein Kompagnon vor einer „androgynen Gesellschaft“ warnt.

Der misogyne und verschwörungsideologische Irrationalismus, in Form der kum­pel­haften Stammtischanekdote, geht mit ahistorischen Gleichsetzungen einher. So bietet Halt passende Erklärungen für Nachfahren von deutschen Tätern, welche organisatorisch an den hiesigen Aktionen der von Corona-Leugnenden beteiligt sind. Dabei nutzt er unter anderem typische Terme wie „Sippenhaft”, wobei er nicht nur im Gespräch mit Wittneben eine Möglichkeit der Schuldabwehr für direkte Täter und die Nachgeborenen bietet. “Es steht mir ja gar nicht zu, dass im Nachhinein zu beurteilen”, lautet sein Persilschein.

Dass er mit seinen Tiraden immer wieder den Nationalsozialismus relativiert, zeigt sich auch in den Interviews deutlich. Während der Verschwörungsproduzent ideologische Kameraden wie Daniele Ganser lobt, wütet er unter anderem gegen Greta Thunberg: “Also Heute haben wir massenhaft Propagandisten, so wie es sie nie gegeben hat. Dabei war das harmlos, glaube ich”, empört sich der Stammtisch-Autor, “unter ’33 und später.” Mit ungeheuerlichen Verharmlosungen, die Opfer und Nachfahren der Shoah verhöhnen, dürfte sich Halt für einen Auftritt bei den Corona-Leugnenden in Oldenburg qualifiziert haben, die auf ihren Zusammenkünften und im Internet ähnliche Abscheulichkeiten des Antisemitismus erbrechen.

Werbung im Provinzblatt

Seine verstörenden Verhöhnungen verbindet Halt mit einer für den deutschen Verschwörungsglauben typischen Abneigung. Der Sozialismus sei eine “Erfindung von Intellektuellen”, doziert der früher in der Gauck-Behörde tätige Verschwörungsideologe, der sich auch an dieser Stelle in den Bereich völkischer Geschichtsschreibung begibt. Im Anschluss spricht Frank-Rüdiger Halt von Adolf Hitler, den er auf diese Weise zum Produkt von Personen wie Karl Marx macht, was Halts offene Verachtung vor der “echten Bewegung” veranschaulicht, die ihm in ihrer vermeintlichen Allmacht auch für die “US-imperiale Globalisierung” und Tote des Mittelalters verantwortlich scheint.

Verschwörungsphrasen für die Gläubigen: Oldenburg (24.10.2020)

Wenn Halt spricht, dann verwendet er typische Verschwörungschiffren, um die für „Vernichtung“ verantwortliche „Machtelite“ zu identifizieren, die er – auf den geistigen Spuren seiner deutschen Ahnen – für den drohenden Kommunismus sowie den heutigen Kapitalismus in Haftung nimmt. Während der empörte Autor – ganz klassisch – von “den Rockefellers” schwadroniert, träumt er davon, dass sich die „Untertanen-Völker“ erheben. Solche Verschwörungsfantasien sprechen derzeit Gläubige an, die sich auf Manifestationen der Corona-Leugnenden zusammenfinden.

Mit entsprechenden Inhalten befriedigt Halt diese Zuhörer_innenschaft. Allerdings ist der Verschwörungsautor auch an anderen Orten in der Region aufgetreten. Schon 2016 las Frank-Rüdiger Halt aus seinem Buch „Volk im Wachkoma“. Die Lesung in einem Seniorenzentrum wurde, so wie derzeitige Versammlungen der Corona-Leugnenden, in der Nordwest-Zeitung (NWZ) beworben. Dort erscheinen die aktuellen Ansammlungen der Verschwörungsgläubigen nicht als konkrete Bedrohung, sondern als Event der Meinungen, wobei die Zeitung sogar Terminhinweise der Verschwörungsgläubigen veröffentlicht.

Im regional bedeutenden Provinzblatt, das aktuelle Auswüchse des deutschen Irrationalismus seit Wochen verharmlost, fand sich ein werbender Hinweis auf die damalige Lesung, wobei diese Tageszeitung im Text sogar eine Telefonnummer zur Vereinbarung von weiteren Auftritten mit ihrem “freundlichen Querdenker” veröffentlichte. Dass dieser Vortragende den verschwörungsideologischen Dreiklang aus Antifeminismus, Antikommunismus und Antisemitismus bringt, wurde nicht erwähnt. Daher muss es nicht verwundern, dass sich solche Erkenntnis auch nicht im Hinblick auf die inhaltsähnlichen Veranstaltungen der Corona-Leugnenden in der NWZ-Redaktion durchsetzen konnte.

 

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Verschwörungsideologie gegen Menschenwürde

Mehrfach kamen sie in den vergangenen Wochen in Oldenburg zusammen, um für “Grundrechte” und “Menschenwürde” einzutreten. Dem langen Aufruf der Organisatorin, Friederike Pfeiffer-de Bruin, folgten in den vergangenen Wochen eine stetig größere Anzahl von Corona-Leugner_innen. Letztlich stieg die Zahl der Demonstrant_innen in den dreistelligen Bereich. Die Steigerung erklärt sich auch durch die unkritische Einordnungen seitens des hiesigen Regionaljournalismus, der die Demonstrationen zur Corona-Leugnung zunächst bewarb.

Die Zusammenkunft am 18.04 begleitete zum Beispiel der TV-Sender “Oldenburg Eins” genauso wie die hiesige Polizei: es blieb bei einer unkritischen Einordnung. Der Beitrag der lokalen TV-Station bewarb die Aktionen des regionalen Ablegers der bundesweiten Aktionen von deutschen Verschwörungsgläubigen. Die Organisationsstruktur um Friederike Pfeiffer-de Bruin nutzte den Werbeclip, um in Sozialen Netzwerken auf ihre nächste Demonstration hinzuweisen, die der Moderator sogar mit Zeit- und Ortsangabe ankündigte.

Im – mittlerweile gelöschten – Video von “Oldenburg Eins” gibt es viel Verständnis für die Aktionen, die auf dem Schlossplatz in Oldenburg stattfanden: “Manch einer dachte wohl, (…) lebe ich überhaupt in einer Demokratie? Das ging auch Friederike Pfeiffer-de Bruin so”, hieß es zu Anfang des Werbebeitrags, der danach zunächst der Organisatorin das Wort gab, die über die während der Demonstrationen stattfindenden Grundgesetz-Verteilungen sprach. Dabei stellte sich die Aktivistin als Teil der gesellschaftlichen Mitte dar: “Wir sind (…) freie Bürger, die einstehen für unsere Grund- und Menschenrechte”, beteuerte die Aktivistin im Werbebeitrag.

Weitergehende Inhalte der Organisatorin finden sich allerdings auf einer Internetseite, über die Pfeiffer-de Bruin die Aktionen bewirbt. Neben einem “Offenen Brief an alle gewählten Vertreter Deutschlands”, der den “sofortigen Rücktritt von (..) Bundeskanzlerin Merkel” einfordert, veröffentlicht die Aktivistin dort recht umfangreiche Ausführungen. Auf ihrer Seite munkelt sie von fremdbestimmten “PolitikerInnen”, die “augenscheinlich nicht im Sinne der Bürger Deutschlands handeln”

Die Corona-Pandemie erscheint Pfeiffer-de Bruin offenbar als “Experiment”, wobei diese Organisatorin vor einer angeblichen “Impfpflicht” warnt. Immer wieder fällt der Name von Bill Gates: Dass der Microsoft-Gründer, der den anti-amerikanischen Verschwörungsgläubigen nun als Feindbild dient, in diesem Zusammenhang wichtig sei, “wird spätestens klar, wenn man diesen Zusammenhang einmal vorbehaltlos googelt”, belehrt die Impfgegnerin im Netz.

Das Werbevideo des Lokalsenders verschwieg solche Positionen – und gab stattdessen mit der Organisatorin den esoterischen Tipp, doch reichlich Sonnenenergie gegen Covid-19 zu tanken. Zuvor zeigte es nicht nur die Aktivistin, sondern auch ihren Kompagnon. Thorsten Mierswa kam im “Oldenburg Eins”-Clip ebenfalls mit einem ausführlichen O-Ton zu Wort. Es ginge ihm um den “Dialog”, den er derzeit nur über Facebook führen könnte. Das Lokalfernsehen illustriert diese Auslassungen mit Auszügen aus seinem Profil.

Kritische Einordnungen gab es keine. Dabei teilt dieser Organisator über seinen Account viele verschwörungsideologische Positionen. In seinem öffentlichen Facebook-Stream finden sich zum Beispiel Interviews von anti-feministischen Personen wie Eva Herman, Lügentweets von geschichtsrevisionistischen Rechtskonservativen wie Erika Steinbach sowie Statements von völkischen Nationalsozialisten wie Björn Höcke. Hinzu kommen Beiträge der antisemitischen Verschwörungsindustrie, die auch über YouTube-Kanäle ihren Profit realisiert. 

Inhalte des Produzenten Ken Jebsen, der einer der bekannteren Verschwörungspropagandisten in der Bundesrepublik ist, teilt der Aktivist vielfach. Videos von Christoph Hörstel, der seinem Publikum vor allem geschichtsrevisionistische Verschwörungspropaganda und anti-israelische Positionen bietet, finden sich ebenfalls im Facebook-Profil des Organisatoren. Der Organisator verbreitet dort rassistische und antisemitische Erzählungen, die rechten Terror zum “Clan-Krieg” machen.

Staunende Zeitgenoss_innen erfahren auch von einem antisemitischen Märchen, das wie so oft frauenfeindliche Elemente aufweist: Kanzlerin Merkel, Brexit-Premierministerin May sowie die lettische Ministerpräsidentin Straujuma seien, so die Lüge, in einer “Kaderschmiede” der “Rothschild-Familie” für ihre zukünftigen Aufgaben präpariert worden. Solchen Antisemitismus verbreitet der Organisator vielfach über Facebook, was für einen kurzen Moment sogar im Werbebeitrag von “Oldenburg Eins” zu erkennen war.

Die Gruppe um Pfeiffer-de Bruin und Mierswa begreift sich als Teil der bundesdeutschen Querfront-Strukturen, die in den vergangenen Wochen in verschiedenen deutschen Großstädten zum kollektiven Kontaktverbotsverstoß in Form von Durchseuchungsdemonstrationen aufrief. Sie beziehen sich auf die “Kommunikationsstelle Gewaltfreier Widerstand”, die auf ihrer Internetseite auf Aktionen in vielen Städten verweist. Außer Oldenburg finden sich Namen wie Hamburg, Erfurt und Berlin neben der Karte. Dort kam es zu größeren Zusammenkünften, zu denen die antisemitische Verschwörungsszene von ganz Rechts mobilisierte.

Ähnliches lässt sich für die Demonstrationen in Oldenburg belegen. Hier beteiligte sich zum Beispiel die Holocaust-Leugnerin Imke Barnstedt, die als Schauspielerin in Erscheinung trat, an der Demonstration der Corona-Leugner_innen. Kader der völkischen AfD ließen sich am Rande blicken. Mittlerweile verbreitete die Partei eine Rede, die auf einer Kundgebung der Corona-Leugner_innen entstand. Es handelt sich um Inhalte, die der antisemitische Verschwörungsideologe Werner Altnickel, der eigentlich “Reichsbürger”– und Chemtrail-Mythen propagiert, gleichfalls spiegelt

Es verwundert wenig, dass sich auch auf der Facebook-Seite der Organisator_innen antisemitische Inhalte finden. So schrieb ein Unterstützer über “drei jüdische Familien”, die maßgeblicher Teil von “Logen und Machteliten” seien, welche angeblich die Welt beherrschen. Pfeiffer-de Bruin ergänzte diesen Antisemitismus einige Stunden später. “Alles, was gegen Juden vorgebracht wird, (…) wird niedergemacht und gewaltbereit verfolgt”, klagte diese Veranstalterin.

Obwohl manche Organisator_innen und viele Teilnehmer_innen verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte produzieren, gab es mehrfache Unterstützung durch die Stadt und ihre Behörden. Das Bürger- und Ordnungsamt sowie die hiesige Polizeiinspektion erstellten offenbar ein Flugblatt. Diesen “Flyer für die Versammlungsteilnehmer/innen” veröffentlichten die Veranstalter_innen auf ihrer Internetseite. 

Die Polizei hielt es so wie die Berichterstatter_innen des Lokalfernsehens, was ebenfalls für viel Lob sorgte. “Wir haben eine sehr konstruktive Zusammenarbeit”, konstatierte die Veranstaltungsleitung,  bezeichnenderweise im Gespräch mit dem Antisemiten Martin Lejeune, über diese Kollaboration. In einem Newsletter beklagte sich Pfeiffer-de Bruin aber über Vorgaben zur “Bedeckungspflicht”, die sie als “einigermaßen absurd” verunglimpfte. Dass die Auflagen ohnehin nur auf dem Papier galten, belegen mehrere Videos, die ein rechtslastiger YouTube-Hetzer produzierte.

Verschwörungsideologische Inhalte, die oft im offenen Antisemitismus enden, begeistern in Zeiten der Corona-Pandemie eine gesellschaftliche Gruppe, welche sich dem deutschen Wahn hingibt. Das zeigten nicht nur die Demonstrationen der letzten Wochen, sondern auch eine Paypal-Spendensammlung der Organisator_innen. In kurzer Zeit kamen über 750 Euro zusammen. Eine Finanzspritze gab es durch eine Gestalt, die sich augenzwinkernd als “antisemitischen, rechtsradikalen, verschwörungstheoretischen Putinversteher” bezeichnete. Offenbar erhalten die Organisator_innen genau die Unterstützung, die sie aufgrund ihrer Inhalte verdienen.

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Corona-Aktionismus

Verschwörungsideologische Akteure, welche die Gefährlichkeit von COVID-19 leugnen, rufen für den morgigen Samstag, um 15 Uhr 30, zu bundesweiten Spaziergängen auf vielen Marktplätzen auf. In Oldenburg möchte die Esoterikerin und Impfgegnerin Friederike Pfeiffer-de Bruin mit gleichgesinnten Personen auf die Straße gehen. Auf einer extra erstellten Internetseite macht diese Aktivistin, die in dem esoterischen Wohnprojekt “clan-b” in Hatten lebt, die Pandemie zu einem “global angelegten Experiment”, für das vor allem Bill Gates verantwortlich sei. Zugleich erfreut sie sich an der aktuellen Situation: “Fast schon feierlich, wie wir zu einer neuen Erden-Gemeinschaft zusammenfinden. Wie schön, endlich einmal global vereint zu sein. Wir alle. Das gab es so wohl noch nie”, heißt es auf ihrer Internetseite.

Faksimile von der bundesweiten Seite der Verschwörungsaktivist_innen 

Faksimile von der bundesweiten Seite der Verschwörungsaktivist_innen

 

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Corona-Freude II

“Die Corona-Krise ist eine Chance”, behauptet Yavuz Özoguz, der im bei Bremen gelegenen Delmenhorst lebt. Er ist einer der wichtigsten Lautsprecher des islamfaschistischen Mullah-Regimes in Deutschland. Özoguz betreibt unter anderem die Internetseite “Muslim Markt”, für die er Israel-Feinde aus allen politischen Spektren zum Gespräch bittet. Dort und auf seinem FB-Profil schreibt er derzeit über die “Corona-Krise”, die er für eine “koordinierte Aktion” hält. Verantwortlich sei, so lügt der Antisemit, eine “Weltverschwörung”, als deren “Flaggenträger die USA und Israel” agieren. Dass das gesellschaftliche Leben brach liegt, sorgt bei ihm dennoch für Freude: “Keine Bars mehr (…), keine Partys”, jubiliert dieser Menschenfeind.

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Corona-Freude

“Es ist schön zu sehen, dass Menschen von ganz alleine in Panik verfallen, wenn die Einschläge näher kommen”. So erfreute sich “Extinction Rebellion Oldenburg”, die eigentlich mit “friedlichem Ungehorsam auf den drohenden Klimakollaps” aufmerksam machen möchte, an der derzeitigen Lage. Ihre Facebook-Erklärung vergleicht Menschen, die als “größter Feind” dargestellt werden, mit der Viruserkrankung COVID-19. Nicht nur auf Facebook begeisterte sich der hiesige Ableger der Öko-Truppe an der Pandemie.

Mit einem weiteren Instagram-Statement wandten sich die hiesigen Aktivist_innen an die Öffentlichkeit. Dort finden sich ganz ähnliche Positionen. Jetzt könne “eine ganze Welt in Panik verfallen und die außergewöhnlichsten Maßnahmen ergreifen”, schrieben die Verantwortlichen freudig. “Nicht der Corona-Virus, sondern wir Menschen als Verursacher des Klimawandels bilden unsere größte Bedrohung”, hieß es dort. “Wir bleiben dran”, drohten die Verantwortlichen zum Abschluss auf beiden Plattformen.

So führt “Extinction Rebellion” auch in der hiesigen Kleinstadthölle ihre Politik fort. Zuvor gründete die deutsche Truppe, die sich in einem Flyer der Polizei andiente, einen Chor, der im “Land der Richter und Henker” mit nationalistischen Phrasen und plumper Panikmache  manche Aktionen begleitete: “Kämpft für ein lebenswertes Land”, hieß es in einem umgedichteten Kinderlied, während mit einem anderen Song vor einer bald drohenden “Apokalypse” gewarnt wurde.

Dass diese Sänger_innen zudem die antifaschistische Partisan_innen-Hymne “Bella Ciao” durch ihre Umdichtung entwerteten, verwundert angesichts der sonstigen Positionen von “Extinction Rebellion” nicht. Der britische Begründer der menschenfeindlichen Bewegung, Roger Hallam, relativierte schließlich gleich mehrfach die Shoa. In einem Interview mit der “Zeit” verharmloste er das deutsche Menschheitsverbrechen als “fast normales Ereignis”. Derartige Äußerungen wiederholte der ideologische Führer in Gesprächen mit dem “Spiegel” und der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”.

Roger Hallam ist keine Ausnahme. Das zeigen die offenbarenden Statements von weiteren Aktivist_innen wie Gail Bradbrook, die gleichfalls Mitgründerin von “Extinction Rebellion” ist. Die Vordenkerin der autoritären Bewegung, die mit der Angst vor dem Weltuntergang arbeitet, verglich in einem Vortrag den Einsatz von Zyklon-B in der Shoa mit dem menschengemachten Klimawandel. Zwar distanzierte sich Tino Pfaff, der deutsche Sprecher der Struktur, in einem Interview halbherzig von solchen Ausführungen. Allerdings gelang es ihm, nur wenige Sätze darauf, gleichfalls die Shoa zu relativieren.

Dass solche Positionen für einen völkischen Aktivismus attraktiv sind, offenbaren zustimmende Kommentare aus diesem Spektrum. Auch solche Personen spricht “Extinction  Rebellion” offenbar an. Damit erfüllt sich ein Traum, den die zur Bewegung gehörende “Umweltanwältin” Farhana Yamin in einem Handbuch umschrieb: “Es ist notwendig, dass alle sich zusammenschließen – Linke, Rechte und jede politische Couleur dazwischen.” Wortführer_innen von “Extinction Rebellion”, die von solcher Querfront schwärmen, fordern zudem “Kriegswirtschaft” und “Kriegsmobilierung”.

Die Autorin Jutta Ditfurth wies unter anderem in der Monatszeitschrift “Konkret” darauf hin, dass sich die Vordenker_innen für die sogenannte und menschenfeindliche “Tiefenökologie” begeistern. “Extinction Rebellion” sei eine ökorassistische und antisemitische “Weltuntergangssekte”. Die Anführer_innen propagieren menschenfeindliche Ideologien, der offenbar auch die Aktivist_innen aus Oldenburg verfallen sind. Das zeigen die jüngsten Ausfälle des hiesigen Ablegers sehr deutlich.

Extinction Rebellion Sticker unter antifaschistischem Aufkleber

“Extinction Rebellion” Sticker klebten nicht lange (Alexanderstraße, Oldenburg)

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